Meinung
von Siegfried Gerdau
Deutschland muss kriegstüchtig werden sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einer viel zu wenig beachteten Rede. Was meinte er denn damit genau? So wie 1870 oder 1914 oder vielleicht sogar wie 1939. Deutschland war kriegstüchtig und abgesehen vom „glorreichen“ Sieg 1871 gegen seinen „Erbfeind“ Frankreich, hat es mit seiner Kriegstüchtigkeit nur Tod und Elend produziert und landete selber zweimal tief im Dreck.
Das Volk der Deutschen hat in vielen Jahrzehnten (auch unter dem nötigen Druck durch die Kriegsgewinner) gelernt, dass es einem Volk gut ansteht seine potentiellen Kriegsgelüste in humanitäre Bahnen zu lenken. Dass man getreu dem Bibelwort „Liebe deine Feinde wie dich selbst“ noch erweitern kann, indem man den Begriff Feinde durch Freunde ersetzt.
In den Jahrzehnten des sogenannten kalten Krieges, als die einstigen Siegermächte Atomraketen förmlich in Massen züchteten und sich diese gegenseitig vorhielten, haben wir uns schamhaft zurückgehalten und an unsere unrühmliche Vergangenheit gedacht. Zu Recht wie ich meine. Dann brach 1989 die einstige Sowjetrepublik zusammen und unsere Verbündeten jenseits des Atlantiks hatten ihr Ziel erreicht.
Fortan war Deutschland nur noch von Freunden umgeben. Mit den meisten waren wir verbündet und es gab kaum noch Gründe, sich eine Armee in dem Umfang wie bisher zu leisten. Die Grüne Partei, schon seit ihrer Gründung 1980, tat ihr Übriges und forderte sogar lautstark und sehr penetrant deren Abschaffung.
Deutschland hatte begriffen und war dabei den Übergang in ein friedliches Land zu vollenden. Die Wiedervereinigung beider Teile Deutschlands, von den Freunden sehr misstrauisch beobachtet, gelang. Als schließlich auch die ehemalige DDR-Armee (Nationale Volksarmee) aufgelöst und teilweise in die Bundeswehr integriert wurde, schien ein Traum wahr zu werden.
Die Bundeswehr schrumpfte immer mehr und war schließlich nur ein Schatten ihrer selbst. Den damaligen Friedensfreunden, Wehrdienst-und Atomwaffengegnern war das alles noch nicht genug. „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Schwerter zu Pflugscharen“ skandierten Grüne, Rote, Antifaschisten und ehemalige Kommunisten bei jeder Gelegenheit. Die evangelische Kirche und etwas zögernder ihre katholischen Glaubensbrüder, machten sich zu Vorreitern.
So heiß, wie sie in den vergangenen Kriegen die Waffen segneten, verurteilten sie jetzt bereits den Griff zu Kindergewehren und Pistolen.
Dann änderten sich die Zeiten, lange vor der Scholz‘schen Zeitenwende. Reichte es bisher die eigenen Grenzen verteidigen zu können und damit dem Grundgesetz zu entsprechen, wollten bestimmte Kräfte im Land die Segnungen des Deutschen Friedens auch in die Welt hinaustragen. Der damalige und leider verstorbene Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) meinte sogar „Deutschland auch am Hindukusch verteidigen zu müssen“.
Als Russland im Laufe der Jahre, sehr zum Ärger der USA wiedererstarkt über die ehemalige sowjetische Kolonie Ukraine herfiel, brachen die Dämme auch in Deutschland. Entsetzt stellte man fest, dass es in unserer Schrumpfarmee kaum noch genügend Waffen und gerade einmal Munition für maximal drei Tage gab. Die Regierungskoalition aus Grünen, SPD und FDP schaffte es sich um 180 Grad zu drehen und Krieg unter diesen Umständen zu einer guten Sache zu erklären. Es wurde ein Sondervermögen für die Ertüchtigung der Bundeswehr ausgegraben und der Bundeskanzler rief die Zeitenwende aus, die mit einem Doppel-Bumms für Abhilfe sorgen sollte.
Nach den eher zu feministischen Verteidigungsministerinnen, die nicht über Stöckelschuhe und Handtäschchen für Soldatinnen hinauskamen, wurde mit dem Juristen Boris Pistorius ein Mann aus der Taufe gehoben, der wenigstens die Erfahrungen eines Wehrdienstleisteten für sein Amt mitbrachte. Die Soldatinnen und Soldaten zeigten sich gespannt und hofften nach einer langen femininen Durststrecke einen Minister vorgesetzt zu bekommen, der seinen Job macht.
Der neue Mann an der Spitze einer eher behäbigen Armee, änderte schon bald die militärischen Leitlinien. „Personal und Ausstattung der Bundeswehr muss auf die Wahrnehmung ihrer fordernden Aufträge ausgerichtet sein.“ Maßstab hierfür sei „jederzeit die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht“ zu erreichen. Nur so werde Abschreckung glaubwürdig und der Frieden gewährt, sagte Pistorius.
Gleichzeitig forderte er vor wenigen Tagen: „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen“.
Das ist deutlich und unmissverständlich. Deutschland muss wieder neue Zähne bekommen und diese auch zeigen. Vorbei soll es sein mit der Friedens-Duselei. Orwell würde sagen „Krieg ist Frieden“. Vorbei soll es sein mit den Sprüchen wie: Die Bundeswehr ist eine Friedensarmee. Nein, wir müssen kriegstüchtig werden, sagt der Minister. Ob er sich und seinem Ministerium schon bald den Namen Kriegsminister und Kriegsministerium geben wird?
Kriegstüchtigkeit kann nur Kriegswilligkeit heißen. Kriegstüchtigkeit des Volkes hieße nämlich auch genügend neue Bunker zu bauen. Die alten hat man fast alle unwiderruflich geschlossen. Kriegstüchtigkeit heißt wieder Reservelazarette vorzuhalten, die man in der Vergangenheit abgeschafft hat und deren Ausrüstung verschenkt oder verschrottet wurde. Kriegstüchtigkeit erreicht man nur, wenn man im Kriegsfall (bisher noch Verteidigungsfall) genügend Kräfte mobilisieren kann. Kriegstüchtig machen heißt auch beim Volk Vertrauen in die jeweilige Regierung zu schaffen. Am Ende stellt sich die Frage, ob man nicht lieber in eine praktikable Friedenstüchtigkeit mit vielen guten Diplomaten investieren sollte. Unserem Nachbarland Schweiz gelingt das schon seit hunderten von Jahren, abgesehen von einem kleinen vierwöchigen „Bürgerkrieg“ 1847 im eigenen Land.
Eine Meinung zum Thema
Verteidigungsminister Pristorius sagt: „Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“
Sie haben am 29. 10. 23 in der Sendung „Berlin direkt“ gesagt: „Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“
In Ihrem Amtseid haben Sie gelobt, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes „zu wahren und zu verteidigen“. In unserem Grundgesetz heißt es: „…von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“.
Ihre gesetzliche Aufgabe ist es also, für Frieden- und Friedenstüchtigkeit sich einzusetzen, nicht für den Krieg zu werben. Korrigieren Sie also Ihre Aussage oder geben Sie Ihr Amt ab – in friedfertigere Hände!
Osnabrücker Friedensinitiative (OFRI)
Genauso! Wenn ich schon solche Wörter wie ‚kriegstauglich‘ höre, dann wird mir schon schlecht. Worte, die mich an vergangene Zeiten erinnern. Dachte immer, dass Deutschland aus der Geschichte gelernt hat. Wie man sehen kann gar nichts!