Waldschwimmbad Sinn auf einem der vorderen Plätze

Große Freude bei den Mitgliedern des Fördervereins Waldschwimmbad Sinn. Von 78 Bewerbern um den Demografie-Preis 2025 des Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein gehören sie mit weiteren fünf Eingereichten zu den sechs Vorentscheidungskandidaten.

Ein toller Tag für das Sinner Waldschwimmbad. Von links: Joachim Baudisch (Pressesprecher), Bürgermeister Michael Krenos, Uwe Sauer, Ann-Katrin Sauer und Staatssekretär Benedikt Kuhn.

Heute Morgen empfingen die Aktiven unter der Führung ihrer Vorsitzenden Ann-Katrin Sauer den Leiter der Hessischen Staatskanzlei Staatsekretär Benedikt Kuhn (CDU). Der Nachfolger von dem auch in Herborn bestens bekannten Axel Wintermeyer, ist einer der wichtigsten Mitarbeiter des Ministerpräsidenten.

In Begleitung von Simone Schüfer, der Ansprechpartnerin in Sachen Demografie-Preis, wollte der 38-Jährige sich ein persönliches Bild von den Preisträgern und ihrer herausragenden ehrenamtlichen Arbeit machen. Das Sinner Waldschwimmbad wird mittels Solarthermie geheizt und von jährlich 20 000 Menschen besucht. Die 800 Fördervereinsmitglieder sorgen mit ihrem Mitgliedsbeitrag von 20 Euro jährlich für das nötige Kleingeld zum Erhalt des Baden mir riesiger Liegewiese, des traumhaften Generationenparks, sowie der Schwimmbad-Gastronomie. Ohne Fördergelder auch von der Gemeinde Sinn und den gewaltigen kontinuierlichen und ehrenamtlichen Arbeitseinsatz von Frauen und Männern wäre das Projekt Waldschwimmbad kaum zu schultern.

In der Saison ist die Badelandschaft täglich geöffnet und der Eintritt von 3,50 Euro (Kinder 2,50 Euro) müsste eigentlich Scharen von Badegäste in die von rund 40 Aktiven Fördervereinsmitglieder aufs Feinste ausgestatte Anlage ziehen. Dem sei leider nicht so, berichtete Ann-Katrin, die im „Zivilleben“ niedergelassene Rechtsanwältin ist, dem Gast aus Wiesbaden. Das hänge vermutlich mit dem geänderten Freizeitverhalten besonders junger Menschen zusammen, stellte sie mit Bedauern fest.

Die Vorsitzende des Förderverein Waldschwimmbad Sinn, Ann-Katrin Sauer, erklärt dem Gast aus Wiesbaden alles.

Simone Schüfer sagte, dass der Demografie-Preis, der nun bereits zum 16. Mal ausgelobt wurde, Projekte im Fokus habe, die sich dem demografischen Wandel schwerpunktmäßig im ländlichen Raum stellen. Hessen sei sehr ideenreich und das könne man schon an der hohen Zahl der eingegangenen Bewerbungen erkennen. Die Jury, die sehr kreativ zusammengesetzt sei, mache sich ihre Arbeit überhaupt nicht leicht und so entstünden bei der Auswahl nicht selten wahre Kämpfe, fügte sie hinzu. Von 78 eingegangenen Projektvorschläge sechs auszuwählen ginge nur mit harten Diskussionen und das mache es auch so spannend.

Alle sechs Ausgewählten, darunter auch das Waldschwimmbad Sinn, sind Preisträger des dritten Preises und können schon bald ihr Projekt in Wiesbaden präsentieren. Danach entscheidet ebenfalls eine Jury über die Reihenfolge. Die Preisverleihung erfolgt am 27. August 2025. Bis zur eigentlichen Verleihung durch Staatssekretär Kuhn bleiben die Namen der Gewinner absolut geheim. Es werden einen ersten, zwei zweite und drei dritte Plätze geben. Die Gewinner können sich richtig freuen. Immerhin ist der dritte Preis mit 2 000 Euro, der zweite mit 5 000 und der erste Preis mit 8 000 Euro ausgezeichnet. Das schöne Sommerwetter hatten die Leute aus der Staatskanzlei mitgebracht und so konnte sich Benedikt Kuhn die gesamte Anlage sehr intensiv in Augenschein nehmen.

Ja, er sähe viele Projekte der unterschiedlichsten Art bestätigte der Staatsekretär und so habe er Gelegenheit sich immer ein jeweiliges Urteil zu bilden. „Das Waldschwimmbad Sinn ist ein tolles Projekt. Man sieht hier besonders was gelingen kann, wenn Menschen zusammenrücken, um die Lebensqualität in ihrer Region zu halten, weiter zu entwickeln und ein tolles Angebot zu schaffen. Genau darum geht es auch bei dem Demografie-Preis. Man will seitens des Landes Hessen schauen wie mal solche Leistungen unterstützen kann. Ich bin sehr dankbar, dass ich das heute kennenlernen darf.“  

Die Schwimmbadbetreiber sind sehr froh, dass Eltern mit ihren Kindern sowie viele Seniorinnen und Senioren das günstige Angebot nutzen und ihren Körpern etwas Gutes tun. Zu diesen Stammgästen gehört auch Regina Panz. Sie geht jeden Tag, wenn das Wetter entsprechend ist schwimmen. Gerade sonnt sie sich auf der Liegewiese und wenn man ihre Bräune anschaut, sicher nicht zum ersten Mal. Da sie seit zwei Jahren nicht mehr berufstätig ist, nutzt sie das Angebot so oft wie es geht. Bereits seit ihrer Kinderzeit und später mit ihren Kindern und Enkelkindern ist sie Gast im Sinner Waldbad. „Das Sinner Schwimmbad ist schon immer mein Bad. Ich genieße besonders die Ruhe und die tolle Aussicht von der Terrasse. Für mich ist das alles wie Urlaub.“

Regina Panz liebt „ihr“ Schwimmbad

Der Staatssekretär zeigte sich vollkommen überzeugt. Der Senior der Aktiven und Vereinsgründer Uwe Sauer registrierte es mit Befriedigung. Sein Lebenswerk fand wieder einmal die Anerkennung die ihm zusteht.

Demografie-Preis
Die Demografie, Demografie (altgriechisch δῆμος démos „Volk“ und -graphie) oder Bevölkerungswissenschaft ist eine Wissenschaft, die sich statistisch und theoretisch mit der Entwicklung von Bevölkerungen und ihren Strukturen befasst. Sie untersucht die alters- und zahlenmäßige Gliederung, die geografische Verteilung sowie die umwelt­bedingten und sozialen Faktoren, die für Veränderungen verantwortlich sind. Die Erforschung der Regelmäßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten in Zustand und Entwicklung der Bevölkerung wird vor allem mit Hilfe der Statistik erfasst und gemessen, wofür Beschreibungs- und Erklärungsmodelle entwickelt werden (siehe auch Amtliche Statistik). Die Demographie besteht aus vier großen Fachgebieten, die sich vor allem mit folgenden Theorien befassen: Theorien der Fertilität zur Geburtenzahl, Theorien der Migration zur Aus- und Einwanderung, Theorien der Mortalität zur Sterblichkeitsrate und Theorien zur Struktur des Bevölkerungsbestandes.

Quelle: Wikipedia

Weiter Informationen Waldschwimmbad mobil: 0163 6279441. Homepage: www.staatskanzlei.hessen.de

sig/Fotos: Gerdau

Am Deutschen Wesen…

Er ist nie so ganz verschwunden und jetzt wieder in voller Größe da. Der Deutsche Größenwahn. Er hat das Kaiserreich platt gemacht und das sogenannte III. Reich sowieso. Wilhelm der II. griff den Satz: „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen“ auf und machte ihn salonfähig. Er rüstete auf und machte das Deutsche Heer sowie die Marine kriegstüchtig. Die Welt sollte sehen zu was die Deutschen in der Lage waren. Der gewonnene Deutsch-Französischen Krieg 1870-71 bestärkte ihn in der Annahme, dass dem Deutsche Volk die Führungsrolle in der Welt zustünde. Die Entente-Mächte Frankreich, Großbritannien und Russland beobachteten das Treiben mit sehr viel Misstrauen und die uneingeschränkte Aufrüstung der Deutschen Kriegsmarine ließ sie Böses erahnen. Das Schlimme daran: Wilhelm II. von Geburt an behindert, versuchte sein vermeintliches Manko mit Säbelrasseln und strammen Auftreten wettzumachen.

Mit Pauken und Trompeten

Das Volk war begeistert und noch bis 1914 ging es den Bürgern gut. Als das österreichische Thronfolgerpaar in Sarajewo ermordet wurde, kam es zu einer Kettenreaktion und Deutschland zog mit Pauken und Trompeten in den Krieg. Die Menschen in Deutschland waren davon mit Masse überzeugt, dass Deutschland seine Bündnistreue gegenüber Österreich-Ungarn unter Beweis stellen müsste. Die Kriegserklärung gegenüber Russland erfolgte am 1. August 1914 und 4 Tage später an Frankreich. Obwohl das deutsche Kaiserreich eigentlich nur mittelbar an den Geschehnissen beteiligt war, gelang es den Herrschenden das Volk davon zu überzeugen, dass der Krieg notwendig und eine Ehre sei.

Vier Jahre und 20 Millionen Kriegstote später lag die Armee und mit ihr ganz Deutschland am Boden. Die gesamte Welt war mit 25 Ländern am I. Weltkrieg beteiligt und rund 1,4 Milliarden Menschen waren nicht am Deutschen Wesen genesen.

Am 30. Januar 1933 trat der nächste Größenwahnsinnige auf den Plan, baute die zerschlagene Militärmacht wieder auf und machte sie kriegstüchtig. Neben Massenmorden am jüdischen Volk kamen auch tausende Volksgenossen in Konzentrationslagern um, weil sie sich nicht gleichschalten ließen. Parteien wurden verboten oder mundtot gemacht. Der Großteil des Volkes zeigte sich begeistert, die „Schmach“ der Niederlage von 1918 wieder gut zu machen. Aus den schrecklichen Kriegsjahren hatte nicht nur die Führung nichts gelernt. 1939 griff Hitler Frankreich an und war kurz davor auch die englische Armee vernichtend zu schlagen. Dann war Russland dran, obwohl Hitler erst kurz vorher mit Stalin einen Nichtangriffspakt besiegelt hatte.

Gewinner war der Tod

Anfangs lief alles wie geschmiert und erst der russische Winter setzte dem Ganzen ein Stoppsignal. Der Winter 1942/43 stoppte schließlich den Größenwahn in Stalingrad und die 6. Armee unter Generalfeldmarstall Paulus wurde vernichtet. Die Schlacht war nicht nur verloren, sondern setzte auch psychologisch einen Wendepunkt. Von einstmals über 500 000 tausend in Stalingrad eingesetzten Wehrmachtssoldaten kamen Jahre später kaum mehr als 10 000 nach Hause. Als der Weltkrieg 1945 für Deutschland verloren war, hatte Deutschland 8 Millionen Tote zu beklagen. Russland verzeichnete mit 10 Millionen Soldaten und 24 Millionen zivilen Toten die höchste Kriegsopferzahl.

Und wieder war die Welt am Deutschen Wesen nicht genesen. Als sich Nachkriegsdeutschland mit amerikanischer Hilfe so langsam erholte, schielten nicht wenige wieder nach Waffen. Sie hatten wieder nichts gelernt und obwohl der erste Deutsche Nachkriegs-Bundeskanzler Konrad Adenauer betonte, „dass jedem Bürger die Hand abfallen sollte, wenn er wieder ein Gewehr in die Hand nähme“, wurde Deutschland wieder wehrfähig gemacht.

Der Kalte Krieg der Blöcke Sowjetunion gegen die westliche Nato, entbrannte schon bald mit voller Wucht. Der Unterschied zum I. und II. Weltkrieg: Es waren mittlerweile nukleare Massenvernichtungswaffen im Spiel. Deren Vernichtungskraft hatten die USA in Japan unter Beweis gestellt und die mittlerweile große Menge an Bomben und Rakete auf beiden Seiten bildeten ein weitgehend abstraktes Patt.

Der Größenwahn kam wieder zum Vorschein

Deutschland war zwar der Juniorpartner im Nato-System und der Deutsche Größenwahn noch nicht erkennbar. Das änderte sich schlagartig mit dem russischen Überfall auf ihr einstiges Partnerland Ukraine. Verbal hatte Deutschland dazu viel zu sagen. Die Kriegstüchtigkeit war dem Land in den vergangenen Jahrzehnten jedoch abhandengekommen. Die neue Regierung von Rot und Grün, deren Angehörige über viele Jahre die Friedensbewegung anführten, hatten ihre Meinung von Frieden auf Krieg gewechselt. Der Größenwahn kam wieder um die Ecke und der übermächtige Wunsch am Deutschen Wesen die Welt genesen zu lassen, wird wieder aktueller denn je. Die Deutsche Rüstungsindustrie vernahm es mit Freude und begann Panzer und Kanonen zu bauen. Den Menschen im Lande macht man klar, dass Russland nicht in der Ukraine Halt machen wird und Deutschland spätestens 2028 mit einem Überfall zu rechnen habe.

Die Gefahr, dass in einem künftigen Krieg mit Atomwaffen gefochten werde, ist für die Kriegsbefürworter kein Thema und wird mit Vehemenz in Abrede gestellt. Doch die im vergangenen Jahr (2024) geänderte russische Militärdoktrin hat offensichtlich noch niemand so richtig auf dem Schirm.   

Russische Militärdoktrin
Russland passt seine Doktrin zum Einsatz von Nuklearwaffen nach Worten von Kremlchef Wladimir Putin der gespannten internationalen Lage an. Moskaus Liste militärischer Bedrohungen, gegen die Atomwaffen zur Abschreckung verwendet werden könnten, sei erweitert worden, sagt Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats im Kreml. Mit der neuen Version der Doktrin erhöht sich insbesondere für westliche Atommächte die Gefahr, Ziel eines russischen Gegenschlags zu werden, sollten sie Kiew bei einer Aggression gegen Russland unterstützen. „Es wird vorgeschlagen, dass eine Aggression gegen Russland durch einen nicht-nuklearen Staat, aber mit der Beteiligung oder Unterstützung eines nuklearen Staates, als gemeinsamer Angriff gegen die Russische Föderation betrachtet wird“, ergänzt Putin. Russland behalte sich das Recht vor, Atomwaffen einzusetzen, wenn es oder sein Verbündeter Belarus angegriffen würden – auch mit konventionellen Waffen, sagt Putin.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Angesichts dieser Aussage müsste sich doch die Überlegung Bahn verschaffen, dass man es doch besser mit professioneller Diplomatie versuchen sollte. CO2-Reduzierung und Kampf gegen den Klimawandel oder nachhaltige Energieerzeugung könnte im Kriegsfall zu einer Farce werden. Ein Atomkrieg, auch wenn er auf kleinster Flamme geführt würde, setzt allem ein Ende. Wenn Diplomaten miteinander reden oder es zumindest versuchen, könnte am Deutschen Wesen vielleicht die Welt doch genesen. sig/Foto: Gerdau

Kein Ausgang aber viel Drill

Erinnerung an eine prägende Zeit.

Derzeitige Überlegungen die allgemeine Wehrpflicht wieder aufleben zu lassen, haben mich animiert einen nicht ganz unbedeutenden Lebensabschnitt, Bundeswehr, Revue passieren zu lassen. Ob die Einführung einer irgendwie neu gearteten Pflicht sich zum Kriegsdienst ausbilden zu lassen Sinn oder Unsinn ist, mögen andere Entscheiden. Fakt ist, dass diese Zwangsmaßnahme mit dem Risiko irgendwann sein Leben zu riskieren, ein gravierender Einschnitt in das Leben eines jeden Bürgers ob männlich oder weiblich bedeutet. Der heutige Wehrdienst wird mit Sicherheit anders als früher gehandhabt werden. Das Ziel ist jedoch das Gleiche. Menschen werden ausgebildet, um sich am Ende möglicherweise für Volk und Vaterland zu opfern.

Ich war jung und mein Interesse an der großen Politik hielt sich in Grenzen und als ich den Einberufungsbefehl in Händen hielt, nahm ich ihn eigentlich gar nicht so ernst. Erst nach der „voll tauglich“ Musterung, wusste ich, dass jetzt etwas völlig Neues auf mich zukam. Für meinen Vater Jahrgang 1908 war das alles selbstverständlich. Er hatte den Weltkrieg II überlebt und sprach jedoch so gut wie nie darüber. Für ihn, den überzeugten CDU-Mann, war der potentielle Gegner klar definiert. Meine Erziehung in dem erzkonservativen Elternhaus basierte auf Gehorsam und Pflichterfüllung. Als ich am 1. April 1967 „einrückte“ tat ich das wohl aus diesen genannten Gründen.

Schlank wie eine Tanne und noch im Besitz der zivilen Haarpracht

Die Marburger Tannenbergkaserne war für lange Zeit mein zweites Zuhause

18 Monate sind für einen jungen Mann eine lange Zeit. Genau 548 Tage hatte ich als „Koffer“ vor mir- so wurden damals die Neuen von ihren bereits länger dienenden Kameraden etwas abfällig bezeichnet. Aus dem Schilderhäuschen der Marburger Tannenbergkaserne trat ein Wachsoldat, der meinen Einberufungsbefehl genaustens unter die Lupe nahm. Er erschien mir wie ein Mensch aus einer anderen Welt. Stahlhelm, Dienstanzug mit Knobelbecher und ein blitzsauberes Gewehr. Ich bekam eine vage Vorstellung von dem, was mich erwartete.

 „Die Ausbildungskompanie 15/III liegt ganz am Ende Zauns“, erfuhr ich. Das schon fast historische Gebäude, in dem schon ganze Generationen von Soldaten ihrem Vaterland dienten, hatte natürlich auch ein Geschäftszimmer in dem zwei „Tagebären“ mit einem Balken auf dem Oberarm die Einstellungsprozedur erledigten. Die gleichaltrigen Zivilisten um mich herum hatten das gleiche Schicksal vor sich und schauten teils bedrückt oder zumindest verunsichert aus der Wäsche.

Ein offensichtlich befehlsgewohnter Soldat trieb den neuen Haufen Mensch anschließend vor dem Kasernenblock zusammen und bemühte sich eine gewisse Ordnung herzustellen. Antreten nannte er das und so traten wir an und harrten der Dinge. Die entwickelten sich schnell und es erschien ein weiterer Soldat mit einem Schiffchen auf dem Kopf und einer goldgelben Schnur an der Schulter. Das sei der Kompaniefeldwebel, der hinter vorgehaltener Hand auch als „Spieß“ bezeichnet wurde.

Was er uns erzählte war so viel Unbekanntes, dass die meisten von uns höchstens die Hälfte verstanden. Das wichtigste für uns war, dass wir am kommenden Wochenende keinen Ausgang hätten und bereits am nächsten Tag eingekleidet werden sollten. Wumms, das saß und die Gesichter der Neulinge wurden noch ein wenig länger.

Es war die Hochzeit des „Kalten Krieges“, der 68er und der Studentenunruhen. Von Bader /Meinhof bis zu den sowjetaffinen Sozialdemokraten. „Macht kaputt was euch kaputtmacht“, skandierten linke Gruppierungen und mittendrin als Steinewerfer ein späterer Bundes-Minister. Soldaten durften mit richterlichem Segen als Mörder bezeichnet werden und die neuen Rekruten wurden gleich zu Anfang gewarnt, sich nicht in Marburg als Soldat erkennen zu geben. Das war nicht ganz einfach, da da man uns mit unserem kurzen Haarschnitt ja zuordnen konnte. Ein paar Unbelehrbare erfuhren am eigenen Leib, dass sie als Menschen, die den Wehrdienst nicht verweigerten, von der Gesellschaft als der letzte Dreck eingestuft wurden. Zumindest empfanden wir das so.

Diese „wahren Demokraten“ kämpften gegen Aufrüstung und erst recht gegen die Nachrüstung. Blockierten Kasernentore- darunter auch das Unsrige- sowie die sofortige Abschaffung der Bundeswehr. Wir armen Tröpfe- die meisten von uns glaubten dem Ruf des Vaterlandes folgen zu müssen- wurden gleichzeitig kriegstüchtig gemacht. Ein guter Freund und überzeugter Soldat sagte mir angesichts der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in unserem Land viel später einmal: „Warum haben wir damals daran geglaubt den Frieden verteidigen zu müssen und sind nicht mit auf die Straße gegangen.“

Schliff und Drill von morgens bis abends

Viele von uns jungen Männern waren zum Teil aus dem Berufsleben oder Ausbildungsverhältnissen gerissen worden, um nun passend zurechtgeschliffen zu werden. Schon bald nach der Einberufung hatten nicht wenige der „Tagebären“ die Schnauze voll und erlebten nicht selten, wie gut es ihren alten Freunden in den unterschiedlichsten Zivildienststellen erging. Noch besser ging es denen, die aus den verschiedensten Gründen erst gar nicht eingezogen wurden. Der damalige „Freiheitssender 904“, der aus der damaligen DDR in den Westen ausgestrahlt wurde, verunsicherte uns, weil von dort ständig Meldungen verbreitet wurden, die uns betrafen.  

An die Einkleidung in der Marburger Jägerkaserne habe ich noch sehr schlechte Erinnerungen. In unseren schlotterigen Sportanzügen, die noch nicht einmal den letzten Avantgardisten begeistert hätten, wurden wir zum Gespött der gesamten Marburger Innenstadt. Mit eingezogenen Köpfen beeilten wir uns die 5 Tonner Pritschen zu erreichen, um schnell wieder der Öffentlichkeit entfliehen zu können. An den jungen Frauen in ihren ultrakurzen Miniröckchen konnten wir uns in den ersten Wochen nicht erfreuen. Es gab keinen Ausgang und um 22 Uhr musste alles in den Betten liegen. Das wurde vom Unteroffizier vom Dienst (UvD) kontrolliert. Einer aus der Acht-Mann-Stube musste für die Meldung in vollem Ornat aufbleiben. Der dienstliche Spruch, lautstark vorgetragen: „Stube 208 mit acht Mann belegt, sieben Mann in den Betten“, sorgte dafür, dass alle etwas davon mitbekamen. Auf den Stühlen lagen die Alarmpäckchen und wehe da war Unordnung drin.

Die gesamte Gruppe musste nach dem Leistungsmarsch geschlossen in die Kaserne zurückkehren. Wenn nur einer fehlte, wurde der Marsch am Wochenende wiederholt.

Glücklich waren die, die sich ein unterstes Bett gesichert hatten. Die im dritten Stock mussten ganz schön klettern lernen und der menschliche Duft war dort oben dafür umso intensiver. Um 5.30 Uhr ein Mordsgebrüll auf dem Flur: “Kompanie aufstehen“. Die Mutter daheim war da großzügiger. Hier wurde die sofortige Ausführung des Befehls überprüft und auch ob jeder mit freiem Oberkörper im Waschraum verschwand. Nur wenig später wieder ein Gebrüll „Raustreten im Sportanzug“. Die Kompanie versammelte äh… trat an zum gemeinsamen Waldlauf an. Zurück im Kasernenblock umziehen in den Arbeitsanzug, darüber die sogenannte Affenjacke (eine von den Gebirgsjägern ausgemusterte Jacke die nur bis zur Taille ging) und ab zum Frühstück. Wer ganz hinten in der Schlange stand, bekam höchsten noch den vagen Duft von Kaffee mit…. die viertel Stunde war um.

Kameradschaft auf Befehl

Wir waren jetzt Kameraden und der Drill oder „Dummfick“ wie wir es nannten schweißte erstaunlich zusammen. Ob bei der Formalausbildung im Dienstanzug mit Helm oder bei Auseinandernehmen und Zusammensetzung unserer Braut, dem G3. Immer musste alles schnell und fehlerfrei passieren und auch wenn damals schon Kollektivstrafen verboten waren, hatten alle darunter zu leiden, wenn einer Misst gemacht hatte. „Gewehr des Soldaten G. entladen, Patronenlager frei, Gewehr gesichert“, ein Satz, bestimmt fünfzigmal gehört und gesprochen, bleibt im Kopf. Wer bei Stabsunteroffizier A. im Zug war, konnte einem leidtun. Mit fast geiler Freude „bestrafte er die kleinen Sünden egal wo und wann auf der Stelle. Wir nannten ihn Nato-Zwerg und wenn er das gehört hätte, wäre er bestimmt nicht erfreut gewesen.

Ein anderer Soldat gleichen Dienstgrades hatte ein Glasauge und wer als Ordonnanz im Kompaniekeller eingesetzt war, konnte bei einem der vielen abendlichen Trinkgelage der Unterführer schon mal erleben, dass er es aus dem Kopf nahm, in sein Bierglas warf und anschließend weiter daraus trank. Es gab die Feldwebel K. und K. und beide waren zwar hart in ihren Forderungen aber gerecht. Der Spieß der Kompanie Hauptfeldwebel Freund genoss ebenso wie der Kompaniechef Hauptmann Hirschmann den Respekt von Mannschaften und Unteroffizieren.

In meinem ganzen Leben habe ich nicht so viel gesungen wie in meiner Grundwehrdienstzeit.  Ob es „der Adler über den großen Kieferwäldern des Brandenburger Land“ war oder das „Westerwaldlied“, ich kann sie immer noch ohne Fehl und Tadel singen. Gehasst habe ich und alle anderen den Formaldienst und besonders das „Deckung auf dem Kasernenhof“ nehmen in vollem Dienstanzug. „Auf die Stuben wegtreten“ hieß zehn Minuten später mit dem Befehl sofort in einem anderen Anzug antreten zu müssen. Die Spind-Ordnung danach, kann man sich gut vorstellen. Da war für nicht wenige der Wochenendurlaub gelaufen.

A pro po Spind-Ordnung und Bettenbau. Wer je einen Soldatenspind gesehen hat, wird sich mit Grauen an die Spind-Appelle erinnern. Nie konnte man es dem Kontrollierende recht machen. Immer war etwas auszusetzen und ganz rabiate Vorgesetze rissen die mühsam aufgebauten Klamotten mit einer Handbewegung auf den Boden. Lediglich das Wertfach musste nur wenn es der Chef befahl, geöffnet werden. Die Schuhkarton große und ganz private, unkontrollierbare Welt war alles was uns an Privatsphäre blieb. Ein weiters Problem war der Bettenbau. Der musste direkt nach dem Aufstehen perfekt sein und war oftmals ein Ziel übereifriger Unteroffiziere.

Natürlich wurde die Stube mit ihrem Parkettfußboden täglich gereinigt und gewachst. Der Revierdienst war den einzelnen Stuben zugeordnet und wenn am Wochenende die langen Flure mit den querverlaufenden Rillen geputzt werden mussten, trat schon mal einer der Unterführer gegen die Putzeimer und die ganze Brühe verteilte sich im Flur. Beschwerden gegenüber solchem Fehlverhalten wurden spätestens beim Kompaniefeldwebel abgeblockt und verliefen im Sand. Ein neuer Spieß, Hauptfeldwebel Schmitz, hatte den alten abgelöst und auch ein neuer Chef, Oberleutnant Münch, sorgte mit neuem Elan für frischen Wind in der 15/III.

Ordnung und Gehorsam waren die Schlüsselbegriffe

Mulmig wurde mir steht bei den Liegestützen mit dem damaligen „Theatermesser“ unter dem Bauch. Man wusste ja nie ob es im Heft feststand oder wieder lose hineinrutschte. Auch diese fragwürdige Ausbildungsart wurde unwidersprochen von allen hingenommen. In der Zentralen Dienstvorschrift hat davon sicher nichts gestanden. Mit „besonderer Freude“ fand einmal im Monat ein Kirchgang in die Kirche unterhalb des Tannebergs statt. Fast im Renntempo gings runter und fast ebenso schnell wieder hinauf. Für viele und natürlich auch mich war es die reinste Form der Selbstkasteiung.

Mindestens einmal wöchentlich war Geländeausbildung auf den nahegelegenen Standortübungsplatz angesagt. Besonders die mit Matsch und vielem anderen mehr gefüllten Pfützen und eine Abwasserröhre, die wir fast ständig durchkriechen mussten, sind mir in unangenehmer Erinnerung geblieben. Einer der Ausbilder, ein junger Feldwebel mit einem markanten (Panzer)-Kinn sorgte mit seinen bestiefelten Füßen dafür, dass keiner mit gespreizten Armen und Beinen die Pfützen überqueren konnte, um trocken zu bleiben. Wir sahen jedes Mal nach dem Marsch über den Hasenhügel buchstäblich wie Schweine aus. Trotzdem ging es mit Gesang in die Kaserne zurück.

Waffenreinigen war direkt danach angesagt und wehe die Ausbilder fanden noch ein Sandkorn oder ähnlich schreckliches an der Waffe. Dann erst waren der Anzug und die Stiefel dran. Alles musste in kaum zu schaffender Zeit picobello sauber sein und auch dies wurde direkt kontrolliert. Wenn man eines lernte, dann war es mit der knappen Zeit für alle Verrichtungen umzugehen.

Der Dienstgrad Gefreiter war eine Auszeichnung für jeden Soldaten nach mindestes einer Dienstzeit von sechs Monaten.

Die dreimonatige Grundausbildung war gelaufen und ich durfte als Hilfsausbilder in der Kompanie bleiben und fortan hinter Gruppenführer in der 15/III agieren.

Eingewöhnt und Angepasst

Ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber den Neuen des dritten Quartals stellte sich zu meiner Verwunderung recht bald ein und als ich dann nach sechs Monaten zum Gefreiten avancierte, war ich der King. Alle Rekruten unserer Kompanie mussten mich Grüßen und ich stellte erst viel später fest, wie leicht es ist, einem Menschen das Gefühl von Macht über andere zu verleihen.

Teil II in Kürze. sig/Fotos: Gerdau und privat

Bauwagen offen für Begegnung und Gespräche.

Das Team der Evangelischen Beratungsstelle nutzt AWO-Bauwagen am Herborner Hintersand

Ein bunter Bauwagen steht derzeit auf dem Herborner Hintersand-Parkplatz. Es ist ein Begegnungsort, das Projekt hat die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Lahn-Dill mit der Stadt Herborn ins Leben gerufen. Der Bauwagen ist offen für verschiedene Gruppen und Angebote.



Am Montag, 21. Juli 2025 nutzt das Team der Evangelischen Beratungsstelle Herborn erneut den AWO-Bauwagen und bietet Beratung an. In direkter Nähe zum Hexenturm bietet Annette Isheim (Foto) und ihr Team „Offene Sprechstunden“ an. Wer Stress erlebt, ein Problem hat oder eine Krise durchlebt – und mal mit jemanden reden möchte, ist hier willkommen. Die Beraterinnen hören gerne zu und wollen weiterhelfen. Die Beratung ist kostenlos und natürlich völlig vertraulich. Auch wer einfach nur neugierig ist, darf gerne mal vorbei schauen.

Das Team der Evangelischen Beratungsstelle freut sich über jeden Besuch. Jeden dritten Montag im Monat steht eine Mitarbeiterin von 13.30 Uhr bis 15 Uhr am Bauwagen und ist offen für Gespräche und Begegnungen.  Die Termine lauten: 21. Juli, 18. August und 15. September 2025.

Das Bauwagen-Projekt der AWO Lahn-Dill ist ein Angebot an alle Herborner Vereine, Verbände, Gruppen und Organisationen, sich im Herzen der Stadt einem interessierten Publikum vorzustellen. Infos zum Bauwagen-Projekt gibt Anna Schaub, Telefon 0 27 72 / 95 96 14. 

Weitere Informationen zur Evangelischen Beratungsstelle Herborn gibt es unter Telefon 0 27 72 / 58 34 – 300.

FOTO: BECKER-VON WOLFF

Holger J. Becker-von Wolff

Dem Hitzekollaps entronnen

Kommentar

Wochenlang haben die Qualitätsmedien auf ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer eingedroschen, um auch dem letzten Ungläubigen klarzumachen, dass er unmittelbar vor dem Hitzetod steht. Möglichst im Haus bleiben und sich auf keinen Fall der Gluthitze, die Deutschland bisher noch nicht erlebt hat, auszusetzen. Die Experten, allen voran Oberwarner Lauterbach, prognostizierten Temperaturen mit bis zu 50 Grad im Schatten. Die Bürger müssten sich unbedingt vor den sengenden Strahlen der Sonne in acht nehmen.

Deutschland muss Hitzetüchtig werden.

Eine Zeitung sprach von zehntausenden Hitze-Toten, die in Deutschland zu erwarten seien. Der Klimawandel, an dem wir doch ausnahmslos alle Schuld sind, soll in unserem Land mit allen Mitteln bekämpft werden. Da reichen die paar Cent CO2-Steuern keinesfalls. Die Kraftstoffsteuer soll daher ebenfalls dringend und drastisch erhöht werden, war aus dem Kanzleramt zu vernehmen. Wenn wir Deutschen es schaffen den Temperaturanstieg im Land zu stoppen, wird das beispielgebend auch auf andere Länder sein.

Wir sind schließlich die Schrittmacher für die Welt und Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Die Regierung verordnet den Bürgern hochmoderne Heizungsanlagen in Form von Wärmepumpen, die im Sommer als Klimaanlagen die Häuser kühlen. Die Energie dafür wird von Kohlekraft- oder und Gaskraftwerken erzeugt. Im Idealfall ausschließlich von WKA und Solaranlagen, die nachhaltig und umweltfreundlich gefertigt und auf abgeholzten Waldflächen oder landwirtschaftlichen Gebieten eingesetzt werden. Kostengünstig ist das alles…..für die Betreiber und ein wenig Steuer bleibt auch für die notleidende Staatskasse übrig.

Der Bürger hat es ja in der Hand zu sparen und etwas weniger zu kühlen oder im Winter statt die Heizung aufzudrehen Mäntel anzuziehen. Wir müssen eben alle etwas kürzer treten, schließlich hat Vater Staat Verpflichtungen, die er mit Vorrang bedienen muss.

Zurück zur Sache: Heute Abend bin ich mit dem Roller auf den Westerwald gefahren (er ist sehr nachhaltig weil er wenig Benzin braucht). Eingedenk der mahnenden Worte bezüglich des Hitzetodes besonders bei Senioren, war ich nur dünn bekleidet. Sehr verwundert musste ich schon bald feststellen, dass es mich leicht fröstelte. Mit der Gluthitze war es wohl doch nicht so weit her. Ein Blick auf das hochmoderne und nachhaltig arbeitende Haus- Thermometer musste ich feststellen, dass 13,7 Grad doch etwas unter den prognostizierten Werten lag. Auch mit der Dürre klappt das offenbar nicht so wie man stündlich aus Radio und TV hört. Es regnete und schon bald konnte ich nicht mehr durch meine Brille sehen. Was würden wir ohne die Experten und deren medialen Sprachrohre nur tun. Ich will ja nicht meckern, weil ich entgegen aller Prognosen vom angedrohtem Senioren-Hitze-Tod noch lebe. sig/Foto: Gerdau

Mila Herok ein fußballerisches Ausnahmetalent

Von Artur Schmidt

Die Herbornerin Mila Magdalena Herok wird im September vierzehn Jahre alt und lebt seit vier Jahren für ihren großen Traum, eines Tages in der Frauen Bundesliga dem runden Leder nachlaufen zu dürfen.

Die Schülerin des Herborner Johanneum Gymnasiums (Kl. 7) Mila Magdalena Herok (Bildmitte) weiß, dass der Weg dorthin noch ein sehr weiter ist.

Alleine die Zeit von den ersten Anfängen als Spielerin in der Schülermannschaft der TSG Sinn/Hörbach bis heute im U 15 Trikot der Eintracht Frankfurt, war für sie und die gesamte Familie nicht leicht.

Nachdem sie von einem Scout der Eintracht im Jahr 2021 zu einem Probetraining in die Mainmetropole eingeladen und dort als geeignet für die Leistungsklasse der U 13 gesichtet wurde, musste mit ihren Eltern die Entscheidung getroffen werden, ob das Herborner Fußballtalent diesen Weg in die Nachwuchsmannschaft des Bundesligisten beschreiten sollte.

Unterstützt von ihrem Vater Martin und Mutter Katharina , die in ihr die Leidenschaft zusammen mit ihrem um sechs Jahre älteren Bruder Noel geweckt hatten, wagte sie das Abenteuer Eintracht Frankfurt.

Bis zu viermal fährt sie seitdem zusammen mit ihrem Vater/Mutter zum Training und zu Spielen nach Frankfurt.

Schule, Training und Wettkampfspiele im Frankfurter Raum über das ganze Jahr verteilt stehten auf ihrem täglichen Ablaufplan. Darüber hinaus hat Mila noch ein zweites Spielrecht in der D Jugend der JFV FC Aar bei dem sie gefordert ist. Da bleibt wenig Freizeit, um diese mit gleichaltrigen Mitschülerinnen verbringen zu können.

„ Ich vermisse das eigentlich nicht. Ich freue mich auf (fast ) jede Trainingseinheit und habe schon viele schöne Stunden mit meinen Spielerkameradinnen der Eintracht erlebt. Reisen zu Turnieren außerhalb von Hessen, bringen viel Spaß und Abwechslung“, so Mila, der man anmerkt, dass sie die Mühen mit Freude in ihr Leben integriert hat.

„ In unserem Leben spielt Fußball eine sehr große Rolle. Als städtischer Mitarbeiter habe ich die Möglichkeit meine Tochter nach der Arbeit nach Frankfurt zu fahren. Ohne dies wäre es nicht möglich. Ich war selbst Fußballer. Ich hatte nicht das Talent meiner Tochter. So will ich ihr die Möglichkeit geben, sie bei ihren fußballerischen Träumen zu unterstützen,“ sagt Vater Martin. Er ist sich täglich bewusst, welche Anforderungen an seine Tochter und seine Familie gestellt werden.

So befasste er sich schon seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, Schule und Fußball an einem Ort zu bündeln. Mittlerweile hat jeder Bundesligaverein und viele Fußballverbände für junge talentierte Mädchen und Jungs die Möglichkeit eines Sportinternats mit integrierter fußballerischer Ausbildung installiert. Diese Möglichkeit wäre in Frankfurt mit dem dortigen Carl-von Weinberg Gymnasium mit Kooperation der Eintracht grundsätzlich gegeben.

Leider kam der heimische Bundesligaverein für die Herbornerin noch nicht in frage, da in der Weinberg Schule nur Fußballerinnen ab dem 15. Lebensjahr aufgenommen werden.

Auf der Suche nach einer Alternativen entschied man sich letztendlich für den Niedersächsischen Fußballverband, der in im ostfriesischen Aurich mit dem Gymnasium Ulricianum und der SpVG Aurich eine deutschlandweit anerkannte Ausbildungsstätte für junge weibliche Fußballerinnen betreibt.

Nach der Sommerpause wird Mila nach reiflicher Überlegung ihren Wohnsitz an die Nordseeküste verlegen. Das bedeutet für sie, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, verbunden mit allen Vor- und Nachteilen einer solchen Entscheidung.

Wohl bedacht wurde der neue Weg gewählt.

„Der Abschied von der Eintracht fällt mir nicht leicht. Ich habe dort viele Freundinnen gewonnen und mich Dank der guten Trainer fußballerisch weiter entwickelt. Ich hoffe, mich in Aurich mich weiter entwickeln zu können. Eine Freundin aus dem Eintracht Team wird mit mir nach Ostfriesland gehen. Somit habe ich eine Vertraute an meiner Seite“, hofft Mila.

In Frankfurt wurde die Verteidigerin, sowohl auf rechts als auch auf links eingesetzt. Sehr schnell wurde sie in die Hessenauswahl berufen und nahm dort an großen Turnieren deutschlandweit teil. Als bisherigen Höhepunkt bezeichnete sie ein Auswahlspiel in Polen (Warschau), dem Geburtsland ihres Vaters. Auch die dortigen Scouts haben bereits ein Auge auf Mila geworfen. So kam Tage danach vom polnischen Fußballverband die Anfrage, ob die Herbornerin auch international für Polen spielen könnte. Grundsätzlich wäre sie dazu bereit.

Der Wechsel von Hessen nach Niedersachsen hätte natürlich viele positive Aspekte.

In der Vergangenheit war es für die gute Schülerin immer noch möglich, die geforderten Aufgaben in der Schule und im Sport unter einen Hut zu bekommen. Mit dem Alter werden sich diese Belastungen noch steigern. Für viele jungen Athleten dann oftmals ein Grund, den Sport nicht mehr in der erforderlichen Intensität ausüben zu können, um ganz nach oben zu kommen.
Teilweise erledigte Mila die Hausaufgaben noch in der Schule und auf der Fahrt nach Frankfurt, was man nicht als ideal bezeichnen kann. Das Training in Frankfurt nahm an drei Tagen in der Woche bis zu fünf Stunden in Anspruch. In der Regel war hiermit der Tag so gut wie „gelaufen“.

Die notwendige Regeneration der jungen Athletin kann nicht stattfinden, was grundsätzlich und gerade bei einer sehr jungen Sportlerin unabdinglich ist. Schule, Trainingsort und Wohnort an einem Ort erleichtert die alltägliche Situation für die jungen Sportler erheblich. In der heutigen Zeit ist es gerade in Mannschaftsportarten nahezu unumgänglich, diesen Weg zu wählen, um große Ziele im Leistungssport erreichen zu können.

Ob sich der gewünschte Erfolg dann auch lohnt, kann nicht vorausgesagt werden.

„Wer nichts wagt, der nichts gewinnt“, so die Einstellung der ehrgeizigen Schülerin, die diesen Weg mit voller Überzeugung aus eigenen Stücken Ende Juli antreten wird.

Im Mai dieses Jahres trat sie nun letztmalig mit dem Jungendteam der D Jugend des JFV Aar in Steinbach zum Finale im Kreispokal an. Hier zeigte sie als einzige Mädchen eine überzeugende Leistung. Fünf Spiele hat sie in dieser Saison mit den Jungs bestritten. Ihr Trainer Frank Dallwik lobt ihre Stärken im Zweikampfverhalten. Auf Grund ihrer starken Physis und ihrer guten Koordinationsfähigkeit, gepaart mit großem Ehrgeiz, sieht er in ihr großes Potential. Steffen Ziegler, der die Schulmannschaft des Johanneums betreut, bezeichnet sie ebenfalls als sehr talentiert, Zweikampf- und willensstark. Tags darauf ging es mit dem U 15 girls Team der Eintracht nach Kitzbühl (Tirol) zu einem international besetzten Schüler Cup.

Ihren vorerst letzten Auftritt im „Adlertrikot“ wird sie am kommenden Sonntag, mit dem Hessenpokal Finale in der U 15 mit der „Eintracht“ in Bad Hersfeld haben. Vater Martin ab Juli mehr Freizeit für sich und seine Ehefrau, muss er doch nicht mehr fast täglich seine Tochter nach Frankfurt zum Training fahren. Fotos: privat

Mit Kronenkreuz geehrt: Karl Müßener – das „Gesicht der Diakonie“ – hat das Steuerrad der Diakonie übergeben.

Steuermann, Netzwerker und das Gesicht der Diakonie vor Ort: Karl Müßener, der langjährige Leiter der Regionalen Diakonie an der Dill, ist am Mittwoch (2. Juli 2025) in der Herborner Stadtkirche feierlich in den Ruhestand verabschiedet worden.

Karl Müßener dankte Bereichsleiterin Sabine Gombert-Lang und überreichte ihr eine Sitzungsglocke, die er vor Jahren von der Glockengießerei Rincker erhalten hatte.

Präses Dr. Wolfgang Wörner würdigte das Miteinander von Dekanat und Diakonie an der Dill. Er begrüßte zu Beginn des Gottesdienstes den Sozialdezernenten des Lahn-Dill-Kreises Stephan Aurand und für die Liga der freien Wohlfahrtspflege Mathias Rau und Hendrik Clöer sowie Wilfried Kehr, Leiter der Regionalen Diakonie Westerwald. Kirche und Diakonie werden durch den gleichen Geist getrieben und haben das gleiche Ziel, weil sich Kirche und Diakonie in der Nachfolge Jesu Christi sehen, sagte Wörner und ergänzte: „Wir wollen nah bei den Menschen sein, und uns all denen zuzuwenden, die unserer Hilfe bedürfen“.

In vielen Grußworten und Gratulationen wurde Karl Müßener für sein vielfältiges soziales Engagement geehrt. „Sie sind mit ihren 25 Berufsjahren der Dienstälteste in der Leitungsfunktion der regionalen Diakonie“, sagte Stefan Aurand. Der scheidende hauptamtliche Kreisbeigeordneter war von 1991 bis 1998 als stellvertretender Leiter beim Diakonischen Werk Dillenburg-Herborn tätig.

„Die Regionale Diakonie hat unter Ihrer Leitung zahlreiche neue Tätigkeitsfelder aufgebaut, neue Herausforderungen gemeistert und entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt“, würdigten Volker Knöll und Tobias Lauer, die Geschäftsführer der Regionalen Diakonie in Hessen und Nassau. Sie ehrten Karl Müßener mit einer Dankes-Urkunde und dem Goldenen Kronenkreuz für 40 Jahre Mitarbeit in der Diakonie. Die Auszeichnung wird an haupt- oder ehrenamtlich Mitarbeitende der Diakonie nach 25-jähriger Tätigkeit oder beim Wechsel in den Ruhestand nach 15-jähriger Tätigkeit verliehen. In seiner Entpflichtungsrede sagte Volker Knöll: „In Ihrer Führungsverantwortung haben Sie zahleiche neue Konzepte unterstützt, wichtige Veränderungsprozesse mitgetragen und dafür gesorgt, das Soziale und das Menschliche niemals aus den Augen zu verlieren.“


Dekan Andree Best würdigte Karl Müßener in seiner Predigt zu 1. Korinther 13, Verse 10 bis 13 als „Diakoniker“, als das „Gesicht der Diakonie“, als einen „Menschenfreund“ und einen Akteur im Sinne der Nächstenliebe. „Es gibt kaum einen besseren biblischen Satz, um das zu beschreiben, wofür Karl Müßener gestanden hat, was ihn getragen und motiviert hat, als diesen aus dem Korintherbrief: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen“, sagte der Dekan. Best erinnerte an unterschiedliche Lebensstationen, die Karl Müßener „mit Leidenschaft und Liebe“ ausgefüllt habe: Der gebürtige Siegener habe zunächst den Beruf des Technischen Zeichners erlernt, ehe er Sozialarbeiter wurde und unterschiedliche Aufgaben in der Sozialen Arbeit in Siegen,Offenbach, Frankfurt und Gießen wahrgenommen habe.


Dekan Andree Best dankte auch der Familie, die ihn sehr oft entbehren musste. „Du darfst dich jetzt voll und ganz deiner Familie widmen. Deiner Frau, deinen Kindern und deinen Enkelkindern. Und da nutze ich die Gelegenheit mich auch bei deiner Familie zu bedanken, die oft genug auf dich verzichten musste. Jetzt habt ihr ihn wieder ganz für euch!“, sagte Best. Etliche Gottesdienstbesucher und viele Weggefährten gratulierten Karl Müßener und überreichten ihm und seiner Frau Geschenke zum Abschied.

Seit Juli hat ein Team seine Nachfolge angetreten. Die Diakonie an der Dill wird zum 1. Januar 2026 mit der Diakonie Limburg-Weilburg zur Diakonie Dillenburg-Limburg fusionieren.

Sabine Gombert-Lang wird als Bereichsleiterin zusammen mit Carsten Höhler, dem Leiter der Regionalen Diakonie Dillenburg-Limburg, die Standortleitung in Dillenburg übernehmen. Die kaufmännische Leitung hat zukünftig Thomas Reyle. Carsten Höhler und Thomas Reyle wurden im Gottesdienst begrüßt und eingeführt.

Dem Gottesdienst schloss sich ein Begegnungsfest auf dem Kirchplatz vor der Stadtkirche an: An verschiedenen Ständen und Buden gab es kalte Getränke, Cocktails, Kaffee und herzhaftes als Imbiss.

Text und Foto: Holger J. Becker-von Wolff

Vier Finalisten zum „Dollsten Dorf 2025“ stehen fest

Hachborn (Marburg-Biedenkopf), Züschen (Schwalm-Eder-Kreis), Bebra-Solz (Hersfeld-Rothenburg) und Dodenhausen (Waldeck-Frankenberg) sind die vier Finalisten, die am 7. September um den Titel „Das dollste Dorf 2025“ kämpfen werden. sind die vier Finalisten, die am 7. September um den Titel „Das dollste Dorf 2025“ kämpfen werden.

Sie wurden am Donnerstagabend live in der „Hessenschau“ von Jens Kölker gezogen. In der Lostrommel befanden sich die zehn Dörfer, die in den letzten zwei Wochen via Zuschauervoting die meisten Stimmen bekamen.

Der Hessische Rundfunk hatte im Vorfeld der Aktion alle 50 teilnahmeberechtigten Dörfer des vergangenen Jahres aus der Reihe „Dolles Dorf“ der „Hessenschau“ gefragt, ob sie am Finale teilnehmen wollen. 25 haben sofort ja gesagt und 18 haben die gestellte Aufgabe gelöst, mit dem Handy ein 30-sekündiges Dorfporträt zu drehen. Die kleinen Kunstwerke stellten sich bis zum 3. Juli auf www.dollesdorf.de dem Voting der hr-Zuschauerinnen und Zuschauer. Außerdem konnte man telefonisch via TED (Tele-Dialog) für sein Lieblingsdorf stimmen.

Das Finale findet in diesem Jahr nach den Sommerferien statt, konkret am Sonntag, 7.September, um 20.15 Uhr. Die Sendung kommt vom Gelände des Hessischen Rundfunks am Funkhaus am Dornbusch und wird live im hr-fernsehen übertragen. Moderiert wird das „Dollste Dorf“ wieder von Kate Menzyk und Jens Kölker.
© hr/Ben Knabe-
Bild: Jens Kölker und Kate Menzyk.

Der Wolf-geliebt und gehasst

Nur wenige haben ihn- außer vielleicht in Tierparks- je gesehen und trotzdem verbreitet der Wolf Angst und Schrecken in breiten Bevölkerungsschichten. Besonders Tierhalter aller Couleur haben unter ihm zu leiden. Bei den Befürworter der Wolfsansiedlung und Verbreitung in den heimischen Wäldern vermischt sich märchenhafte Sozialromantik aus dem „Wolf und die sieben Geißlein“ mit Glorifizierung und einer Symbolik aus Stärke und Schönheit.

Auf der Gegenseite stehen die Rationalisten, die dem Wolf das Recht absprechen sich in den heimischen Wäldern aufzuhalten. „Sie sagen: Diese „Invasivlinge“ gehören nicht hierher und müssen daher mit allen Mittel bekämpft werden.“ Die Begründung für diese Einstellung basiert auf Angst und ebenso auf Tierschützer als auch wirtschaftlichen Interessen. Die Wahrheit wird wie meistens, irgendwo dazwischen liegen.

Aktuelle Facebook-Kommentare zum Thema
Gundy W.
Verdammt, lasst die Wölfe leben. Niemand hat das Recht ihnen das Leben zu nehmen. Das sind Gottes Geschöpfe, so wie wir. Niemand von den Menschen darf diese Tiere töten. Das wäre überheblich. Es kann sein, daß der Wolf dann uns jagen und ausrotten wird.
Erwin D.
Gundy W. Nicht alle TASSEN IM SCHRANK.
Albert G.
Gundy W. Idiotin !
Johannes M.
Gundy W. Heute Abend eine Herde Schafe bewachen die von Wölfen besucht wird, vielleicht reden wir morgen weiter.
Karl W.
Gundy W. die Wölfe sind keine Gottes Geschöpfe die sind vom Teufel 😈

 

Wer hat Recht und wie kann man allen gerecht werden?

Kaum jemand ist in diesem komplexen Thema fachlich so versiert wie der Driedorfer Tierarzt Sven Pfeiffer. Bereits seit vielen Jahren hat der Veterinär mit eigener Praxis sich nicht nur beruflich mit Canis lupus, so der lateinische Name des Wolfes, beschäftigt. Er legt allerdings großen Wert darauf völlig neutral zwischen den „Fronten“ zu stehen. „Wenn man mir einen verletzten Wolf bringt, behandele ich den genauso wie jedes andere Tier.“ Allerdings und das ist der gravierende Unterschied, dass er ihn nach der Behandlung nicht einfach wieder laufen lasse, sondern Sorge dafür trägt, dass der Zielort zumindest ein Tier- oder größeres Naturschutzgebiet ist.

„Ich mag weder Wolfshasser noch Menschen, die bedingungslos einen Wolf glorifizieren. Ich wünsche mir eine sachlich und fachlich begründete Auseinandersetzung mit dem Thema Wolf“, stellt Pfeiffer ganz pragmatisch fest. Er ist sich sicher, dass sich Deutschland in eine Situation manövriert hat, aus der es nur schwer wieder herauskommt. Er räumt jedoch auch ein, dass ihn das Sozialverhalten und die Fähigkeiten des Wolfes faszinieren. Er bewundere ganz besonders die Problemlösungsstrategien, die diese Tiere hinbekommen. Das liege auch mit daran, dass ein Wolf wesentlich intelligenter sei als ein Hund. Das müsse man einfach wissen, sagt der Veterinär. Der Wolf schaffe es in kürzester Zeit Situationen zu erkennen, zu bewerten und für sich zu nutzen.

Wie schmeckt ein Mensch

Die letzten Wölfe seien bei uns vor 150 Jahren völlig ausgerottet worden, erklärte Pfeiffer, weil der Mensch festgestellt habe, dass diese Raub-Tiere in der menschlichen Umgebung nicht gut sind. Jetzt gilt wieder: „Wenn man den Wolf sich weiter entwickeln lässt, so wie es die derzeitigen Naturschutzgesetze es vorgeben, dann werden wir sehr starke Probleme bekommen.“ In Nachbarländer wie den Niederlanden und in Italien habe es bereits Übergriffe auf Menschen gegeben. Durch seine kognitiven Fähigkeiten wird der Wolf irgendwann überprüfen wie der Mensch sich verhält und wie ein „Mensch schmeckt“. Diese Gefahr sei sehr realistisch, sagte der Fachmann.

In Deutschland werde eher halbherzig versucht einen „günstigen Erhaltungszustand“ für die Wolfspopulation herauszufinden, das heißt wieviel Wölfe unser Land ertragen könne. Er halte die Anwesenheit von Wölfen in Naturschutzgebieten wie zum Beispiel auf Truppenübungsplätzen für die Natur, Tierwelt und Menschen völlig in Ordnung. In der Nähe von Altenheimen, Fußgängerzonen oder sogar Kindergärten hingegen sollten sie auf keinen Fall sein. Er bezweifle auch ob sich diese Tiere dort wohlfühlten. Ein Wolf benötigt rund 6 Kilogramm Fleisch pro Tag. Das würde bei einem Wolfs-Rudel 12 Tonnen Fleisch pro Jahr ausmachen. Der Wolf ist gezwungen immer wieder neu zu töten. Dazu betreibt er ein „Überschusstöten“. Aufgrund seiner Jagdweise ist er quasi gezwungen ein flüchtendes Tier zu reißen.

Das bedeute auch für den „flüchtenden“ Menschen wie Jogger und Radfahrer Gefahr besteht, wenn der Wolf irgendwann seine Scheu vor den Menschen verloren hat. Man kann sich dann durchaus vorstellen, dass der Mensch dann als einfache Beute in sein Schema passen wird.

Ein Berufsjäger aus der Lüneburger Heide habe ihm glaubhaft berichtet, dass sich die Wölfe die Herdenschutzhunde von der anderen Seite des Zaunes genau anschauen würden. Man habe fast den Eindruck als wenn sie sich Notizen machen würden. In einem konkreten Fall, so erzählte der Jäger, habe ein Schafshalter seine Hunde immer zur gleichen Zeit in seinen Wagen geholt und gefüttert. Genau in diesem Moment sind die Wölfe in die Herde gestürmt und haben Schafe gerissen. Pfeiffer versicherte glaubhaft, dass diese Geschichte alles andere als nur Jägerlatein sei. Solche Problemlösungsstrategien seien durchaus nicht ungewöhnlich und davor sollten wir uns in acht nehmen.

Bei der als gesichert angesehenen Anzahl von 3 bis 4000 Wölfen in deutschen Wäldern, haben wir ein großes Problem.

Der „günstigste Erhaltungszustand“ in Schweden beträgt 250 Tiere, in Frankreich sind es 400. Deutschland hingegen ist offensichtlich nicht daran interessiert, den idealen Erhaltungszustand zu bestimmen, weil Deutschland noch viel mehr Wölfe möchte, so seine Einschätzung. Der Wolf sei ein großer Spendenträger. Es gäbe kein Tier, was in der Akzeptanz und der Spenden- Gewichtung so erfolgreich sei. Der Wolf werde immer mehr kommerzialisiert und glorifiziert und dadurch gäbe es ungeahnte Möglichkeiten Spendengelder zu akquirieren. Er bringt einfach sehr viel Geld.

Warum man in Deutschland scheinbar so unbefangen und großzügig mit der Wolfspopulation umgehe, habe bei Sven Pfeiffer die Einsicht geweckt, dass man auf diese Weise die Weidetierhaltung beenden möchte. Der Tierhalter/Landwirt, der durch Wolfsriss Schafe, Pferde oder andere Tiere verloren hat, hört möglicherweise entnervt auf. Auch eine Veränderung der Tierhaltung sei möglich. „Wofür wir jahrelang kämpften-Tiere raus aus den Ställen- wird wieder rückgängig gemacht.“ Ganzjährige Weidehaltung werde so wieder in ganzjährige Stallhaltung umgewandelt. Das sei für ihn eine Katastrophe schlechthin. Wegen einer einzigen Tierart werden ganze Herden wieder in die Ställe verfrachtet.

Einen wirksamen Herdenschutz gibt es einfach nicht, so der Tiermediziner

„Wir werden es nicht schaffen eine Herde effektiv vor dem Wolf zu schützen“, glaubt Pfeiffer. Auch Elektrozäune sind wirkungslos, selbst wenn sie mittlerweile vom Gesetzgeber auf 1, 6 Meter angehoben wurden. In Tierparks seien die Wolfsgehege von 2,50 Meter hohen Elektrozäunen umgeben und auch da käme er noch raus. Es gibt Wölfe die in ihrem Rudel gelernt haben zu springen und andere nicht. Sogar klettern könne einige oder untergraben. Es komme darauf an wie die Eltern ihre Jungen unterrichtet hätten. Es gäbe in Thüringen ein Wolfsrudel, das sich auf Pferdefohlen spezialisiert habe. „Diese Wölfe laufen quer durch eine Schafherde ohne links und rechts zu gucken und haben nur die Fohlen in der Pferdeherde im Visier.“

Pfeiffer berichtet von einer Wölfin, die die nicht-stromführenden Teile eines Schafzaunes durchbeißt, einen Impuls abwartet und sich durch die so entstandene Lücke im Zaun zwängt um ein Schaf zu reißen. Den möglichen Stromschlag kalkuliert sie in ihren Berechnungen mit ein. Wölfe haben jetzt Junge und da braucht die Wolfsmutter Unmengen von Futter und deshalb ist ihr jedes Opfer in der Nähe recht. Bei dieser Problemlösungsstrategie laufe es ihm eiskalt über den Rücken, weil er nicht wisse, was dieser Jäger sonst noch so drauf habe. Apropos jagen. Der Wolf sei von Hause aus faul und seine Jagddistanz nicht über 150 Meter, weiß der Fachmann. Wenn er es auf dieser Strecke nicht schafft, ein Tier zu fassen, gibt er auf. Daher ist die Annahme falsch, dass er sich das bei Holzwirtschaftlern so ungeliebte Rotwild holen könne. Gesundes Rehwild ist für den Wolf einfach zu schnell und daher ist ihm die Jagd darauf zu anstrengend.

Ein Thema, über dass besonders Pferdehalter nur mit Grauen berichten, sind Wolfsrisse an Pferden. Entweder werden diese großen Tiere 5 bis 7 Minuten lang zu Tode gewürgt oder regelrecht angefressen, so dass sie möglicherweise tage-beziehungsweise nächtelang immer weiter angefressen werden, bis sie schließlich qualvoll sterben. „Wenn man den Wolf hier in unseren Breiten haben will, dann muss man damit rechnen, dass solche Bilder kommen“, sagt Pfeiffer mit Nachdruck in der Stimme.

Gibt es eine Lösung um aus dem Dilemma herauszukommen ?

Wenn man es mit Wolfsrudeln zu tun hat, die im Wald Tiere jagen die in etwa ihrer Größe entsprechen, kann man gut damit leben. Es gibt Lösungen um dies zu erreichen. Der Veterinär empfiehlt den Verantwortlichen sich dringend in den Nachbarländern umzuschauen wie diese damit umgehen. In Slowenien beispielsweise manage man sehr erfolgreich den Umgang mit dem Wolf. Dort lasse man die Wölfe, die sich „natürlich“ verhalten völlig in Ruhe. Wenn jedoch ein Rudel auftaucht, welches an Weidetiere geht wird es komplett eliminiert. Dies ist auch dann der Fall, wenn Wölfe in dem Rudel sind, die springen. Es sei darüber hinaus völlig sinnlos nur einzelne Tiere aus dem Rudel zu entnehmen. Die gesamte Gruppe hat das gleiche Verhalten gelernt und die Brüder und Schwestern machen einfach weiter.

Wölfe sind faul und bevorzugen den einfachen, gefahrlosen Weg, um an ihre Beute zu kommen.

Grundsätzlich könne man davon ausgehen, dass es schwieriger für den Wolf ist ein Reh zu erbeuten, als ein Schaf aus einer Herde zu reißen. Da er sehr wirtschaftlich unterwegs sei, wird der Beutejäger versuchen die Sache abzuwägen. Wichtig für ihn ist, dass es gefahrlos und einfach ist. Er bevorzugt ganz einfach die kurzen Wege. Wenn er lediglich 3 Meter bis zur Beute zurücklegen muss, statt über eine Distanz von 150 Meter vielleicht erfolglos zu jagen, ist für ihn die Entscheidung klar. Wenn er bei diesem Vorgehen durch eine Kugel gestoppt wird, lernt er diese Bereiche als für ihn gefährlich einzustufen und sein Wissen auch an das Rudel weitergeben. Das Repertoire der Wolfssprache ist relativ umfangreich und durch die entsprechende Vokalisation effektiv. Dazu gehöre auch Mimik und Gestik wie zum Beispiel die Rute zwischen die Beine zu nehmen. Alle Rudelmitglieder haben ein Interesse daran, dass jedes Mitglied und besonders der Nachwuchs überlebt. Die Entnahme von Wölfen in der Kulturlandschaft hält Sven Pfeiffer absolut für den richtigen Weg. Ganz sicher gäbe es aber auch Rudel, von denen man überhaupt nichts merke und die könne man getrost in Ruhe lassen.

DNA-Tests schaffen Klarheit

Mittels DNA-Tests lässt der Mediziner feststellen welches Tier, dessen Anzahl und das Geschlecht ein Pferd, Schaf oder andere Nutztiere gerissen hat. Dazu bedient er sich eines Equipments, welches durchaus ausreichen könnte, einen Vaterschaftstests durchzuführen. Er entnimmt Speichelproben an der Bissstelle und schickt diese in ein unabhängiges Labor. Dabei kommt es auf absolute Sterilität an, um das Ergebnis nicht zu verwässern. Eine Frau meldete sich in der Praxis, „mein Pferd lag heute Morgen tot in der Koppel, können sie sich das einmal anschauen.“ Sven Pfeiffer legt los. Er untersucht das Tier auf Bissspuren und ob es möglicherweis bei einem Wolfsangriff erdrosselt wurde. Es war eine Sisyphusarbeit, bis endlich deutlich wurde, dass sich die Pferdehaare wieder über die Wunden gelegt hatten. Das Ergebnis: Es waren tatsächlich Drosselspuren an der Kehle des Pferdes zu sehen.

Sven Pfeiffer

Auf die Frage, warum er derartige Untersuchungen nicht Hessen-Forst überlasse sagte Pfeiffer, er habe das Gefühl, dass die nicht so sorgfältig bei der Untersuchung vorgehen würden und genau das halte er für gewollt. Die Ergebnisse würden die öffentliche Meinung „ungut“ beeinflussen , wenn vermehrt positive Wolfsrisse bekannt würden. Die Untersuchungsstelle wohin die Hessen-Forst-Abstriche gebracht würden sei eine NGO und deren Untersuchungs-Ergebnisse wären oft ohne positiven Befund. Ganz pragmatisch stellt er fest, dass er und seine Mitarbeiter etwas besser geschult seien und die Spurensicherung daher gewissenhafter erfolgten. „Aber, wer keine Spuren finden will, kann sorgloser mit der ganzen Sache umgehen.“ Die Praxis Pfeiffer schickt die Proben zu einem unabhängigen Institut nach Hamburg und deren DNA-Ergebnisse entsprächen dem neuesten Stand der Medizin-Technik.

Fazit: Tierarzt Sven Pfeiffer will schon alleine im Interesse der Tierhalter und damit seiner Kundschaft wissen, wohin die Reise mit der Wolfspopulation geht. Zahlen die ihn erschrecken sind nicht von der Hand zu weisen auch wenn man bedenke, dass sich diese innerhalb von zwei Jahren verdoppeln können, also von geschätzten 3 bis 4 000 auf nahezu 8 000. Er glaubt, dass es höchste Zeit sei aktiv zu werden. Seine ganz persönliche Empfehlung: Den Wolf nicht ausrotten sondern gezielt in vernünftige Bahnen leiten. Unsere Nachbarländer machen es vor wie es geht. Man braucht sich einfach nur mal zu informieren. Weitere Informationen bei Sven Pfeiffer, mobil: 0177 270 6656. sig/Fotos: Gerdau+KI

„Ein Schrei ins Offene – Gedanken an der Schwelle des Seins“

Von Christian Heun

Kapitel 1: Der erste Schrei. Eine Geburt ins Ungewisse

1.1 Das Paradox des Menschseins

Es ist ein Widerspruch, der uns begleitet, seit wir denken können: Wie kann es die Erfüllung des Menschen sein, zu lieben – und doch zu hassen? Zu leben – und zugleich zu töten? In uns koexistieren Kräfte, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Licht und Schatten, Hingabe und Zerstörung, Hoffnung und Angst. Kein philosophisches System, keine Religion hat dieses Paradoxon je vollständig auflösen können. Vielleicht, weil es nicht auflösbar ist. Vielleicht, weil das Menschsein genau hier beginnt – im Spannungsfeld zwischen dem, was wir sein möchten, und dem, was wir zu sein gezwungen scheinen. C. Heun

1.2 Ein Schrei in die Welt

Mit einem Schrei beginnt das Leben. Ein Schrei, der nichts artikuliert – und doch alles sagt. Er ist Ausdruck des Unverstandenen, des ersten Kontakts mit einer Realität, die uns fremd ist. Wer sind wir in diesem Moment? Ein Wesen im Übergang – vom Nichtsein ins Dasein, vom Dunkel ins Licht.
Und schon beginnt sie: die Zeit. Eine begrenzte, unwiederholbare Zeit. Eingespannt in ein unendliches Universum, dessen Weite uns mit der immer gleichen, unbeantworteten Frage konfrontiert:
Was ist der Sinn meines Daseins?

Ich spüre: Da ist mehr. Doch was ist dieses „Mehr“?

1.3 Die Abwesenheit Gottes

Ich meine nicht Gott – nicht im religiösen Sinn. Ich habe ihn gesucht, in Ritualen, Dogmen, Geschichten. Doch überall fand ich nur das: Geschichten. Konstruktionen, geschaffen, um das Unerklärbare zu zähmen. Ich bezweifle nicht die Bedeutung von Glauben – wohl aber seine Herkunft. Religion ist, so scheint es mir, weniger eine Offenbarung als eine menschliche Antwort auf die Angst vor dem Nichts.
Doch das „Mehr“, das ich meine, ist kein personifizierter Gott. Es ist still. Formlos. Vielleicht Bewusstsein. Vielleicht Resonanz. Vielleicht bloß ein Gedanke, den man nie zu Ende denken kann.

1.4 Der Verlust des Ursprünglichen

Kaum können wir gehen, sollen wir stillstehen. Kaum können wir sprechen, sollen wir schweigen. Das Leben beginnt mit einem Drang nach Ausdruck – und endet oft in einem Leben der Anpassung. Was wir im Spiel finden, verlieren wir im Ernst. Die Energie der Kindheit wird gezähmt durch Regeln, Erwartungen, Normen.
Und mit jeder Anpassung entfernen wir uns ein Stück mehr von dem, was wir einst waren: frei, laut, lebendig.
Wo beginnt also die Verfremdung?
Vielleicht genau da, wo das Leben beginnt – in jenem Moment, in dem wir uns zum ersten Mal anpassen, um dazuzugehören.

1.5 Die Zeit, die rinnt

Die Zeit ist ein Fluss, der still und erbarmungslos zugleich fließt.
Eben noch der erste Kuss.
Dann das erste graue Haar.
Ein Enkelsohn, der unsere Hände hält – so wie wir einst gehalten wurden.
Und plötzlich beginnt die Vergangenheit lauter zu rufen als die Zukunft.

Was früher ewig dauerte – ein Sommer, ein Schultag, eine Wartezeit – vergeht nun im Flug. Die Jahre rinnen dahin. Und mit ihnen die Illusion, man hätte unendlich Zeit.
In dieser Beschleunigung entsteht ein Gefühl der Leere – aber auch eine neue Dringlichkeit. Jetzt zu leben. Jetzt zu fragen. Jetzt zu erinnern.

1.6 Die Rückkehr zur Frage

Was bleibt, wenn man das Leben rückwärts betrachtet?
Was bleibt, wenn man alles erreicht hat, was die Welt als Erfolg bezeichnet – und doch spürt, dass das Wesentliche immer noch ungesagt ist?

Ich kehre zurück zur Frage meines ersten Atemzugs.
Ich wiederhole sie mit dem Bewusstsein eines Erwachsenen, der die Welt gesehen hat – und sie dennoch nicht versteht:
Was ist dieses Leben?
Und warum fühlt es sich an, als gäbe es mehr – und doch ist es nirgends greifbar?

Ich weiß keine Antwort. Doch ich fühle, dass sie sich in der Tiefe verbirgt, im Schweigen zwischen den Worten, im Staunen über das Selbstverständliche

Kapitel 2: Sekunde für Sekunde – Die stille Flucht der Gegenwart

Die Zeit flieht nicht.
Sie schreit nicht.
Sie tut nichts weiter, als zu vergehen. Und dennoch hinterlässt sie überall Spuren – auf der Haut, in den Gedanken, in unseren Erinnerungen. Ihre Bewegung ist leise. Fast unsichtbar. Und doch ist sie alles, was unser Leben strukturiert, begrenzt, auflädt.
Wir leben in ihr.
Aber verstehen wir sie?

2.1 Die Zeit als Taktgeber und Zerstörerin

Jede Uhr misst dasselbe.
Aber kein Mensch erlebt Zeit gleich.
Ein Moment voller Angst zieht sich wie ein endloser Tunnel.
Ein Moment der Liebe vergeht wie ein Lidschlag.

Was sagt uns das? Dass Zeit nicht objektiv ist – nicht für uns. Sie ist mehr als nur ein Maß. Sie ist eine Empfindung. Eine Beziehung.
Und manchmal auch eine Last.
Denn sie geht – und nimmt alles mit.

Wann beginnt der Moment, in dem wir bemerken, dass uns etwas entgleitet?

Vielleicht beginnt er genau dann, wenn wir innehalten. Wenn wir zum ersten Mal wirklich verstehen, dass nichts bleibt. Dass jeder Augenblick bereits Vergangenheit ist, noch bevor wir ihn vollständig erfassen können. 2.2 Die Trägheit der Kindheit – und das rasende Jetzt

Als Kind war ein Tag ein Universum.
Die Wartezeit auf Weihnachten – eine Ewigkeit.
Der Schulvormittag – ein Gefängnis aus endlosen Minuten.
Doch heute rauschen Wochen an mir vorbei, als hätte jemand die Geschwindigkeit meines Lebens verdoppelt. Die Jahre fliegen – nicht, weil die Welt sich schneller dreht, sondern weil meine Wahrnehmung sich verändert hat.

Warum?
Ist es die Gewohnheit? Die Wiederholung?
Oder ist es die Abwesenheit von Staunen?

Kinder staunen.
Erwachsene funktionieren.

Vielleicht liegt die Wahrheit darin: Die Zeit wird nicht schneller – aber wir werden stumpfer. Weniger gegenwärtig. Mehr abwesend im Jetzt.
Und damit beginnt die stille Flucht der Gegenwart.

2.3 Was ist ein Moment wirklich?

Philosophen haben es versucht.
Physiker ebenfalls.
Und doch bleibt der „Moment“ ein Rätsel.

Wo beginnt er?
Wo endet er?

Er ist da – und schon vorbei.
Ein kurzer Aufleuchten zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Und wir – als Menschen – leben fast nie in ihm. Wir bereuen Vergangenes oder planen Zukünftiges. Aber das Jetzt? Das übersehen wir oft.

Ist das vielleicht die tiefste Tragik des Menschen – dass er fast nie da ist, wo sein Leben gerade stattfindet?

2.4 Die Gegenwart wieder spüren

Ich glaube, es gibt einen Weg zurück – zurück in das Jetzt.
Aber er ist schmal.
Er verlangt Verlangsamung. Wachheit. Den Mut, sich nicht ständig zu betäuben.

Denn die Welt ist laut. Und Geschwindigkeit gilt als Tugend. Wer langsam lebt, lebt scheinbar falsch. Wer innehält, wirkt verdächtig.
Aber genau dort, in der Stille, liegt der Moment.

Ich versuche, ihn zu finden:
Im Spiel mit meinem Enkelsohn.
Im Licht, das abends durch das Fenster fällt.
Im leisen Geräusch meines Atems, wenn alles andere schweigt.

Es sind nur Sekunden.
Aber vielleicht sind sie das eigentliche Leben.

Kapitel 3: Kindheit in der Ferne – Wenn das Licht langsam blasser wird

Es gibt Erinnerungen, die nicht laut sind.
Sie kommen nicht mit Bildern, sondern mit Gefühlen.
Eine bestimmte Lichtstimmung.
Ein Geruch.
Ein Windhauch im Gesicht – und plötzlich ist sie da, die Kindheit.
Nicht greifbar, aber spürbar.
Ein inneres Echo.
Vertraut und doch unerreichbar fern.

3.1 Das verlorene Maß der Unschuld

Kindheit war kein Zustand, sondern ein Empfinden.
Nicht durch Sicherheit definiert, sondern durch Staunen.
Wir wussten nicht viel – und mussten auch nichts wissen.
Wir lebten im Moment, weil wir nichts anderes kannten.

Und heute?
Heute suchen wir das verlorene Maß dieser Unschuld – in Meditationen, in Retreats, in der Natur.
Aber was wir suchen, ist kein Ort. Es ist eine verlorene Perspektive.

Warum geht sie verloren? Und kann sie je zurückkehren?

Vielleicht verlieren wir sie nicht freiwillig.
Vielleicht nimmt sie uns das Leben Stück für Stück.
Mit jedem „Du musst“, mit jeder Erwartung, mit jedem Schritt in eine Welt, die misst und bewertet.

3.2 Die Mechanik des Erwachsenwerdens

Erwachsenwerden heißt oft: funktionieren lernen.
Pflichten erkennen, Regeln einhalten, Erwartungen erfüllen.
Aber irgendwo auf diesem Weg verlernen wir das Spielen.
Nicht das Spielen mit Spielzeug – das Spielen mit Möglichkeiten.
Die Leichtigkeit.
Die Offenheit.

Ist das Erwachsenwerden ein unausweichlicher Verrat an der eigenen Kindheit?

Ich erinnere mich an Momente, in denen ich einfach „war“.
Nicht „jemand“. Nicht „etwas“. Nur ich – in diesem Moment.
Diese Momente werden seltener. Und kostbarer.

3.3 Die Rückkehr zur Wurzel – Eine innere Archäologie

Es gibt eine stille Bewegung in uns, die rückwärts schaut.
Nicht aus Nostalgie – sondern aus Sehnsucht.
Die Kindheit ist nicht vorbei, weil die Zeit vergangen ist.
Sie ist nur verschüttet.
Unter Arbeit, Verantwortung, Selbstbild.

Manchmal braucht es nur einen Satz eines Kindes.
Ein gemeinsames Lachen.
Oder das Geräusch eines alten Liedes – und wir graben etwas aus:
Ein Gefühl, das nicht tot ist, nur vergessen.

Vielleicht liegt in der Rückkehr zur Kindheit nicht die Flucht, sondern die Erinnerung an den ursprünglichen Impuls des Lebendigen.
Dort, wo wir zum ersten Mal staunten.
Wo Zeit keine Rolle spielte.
Wo das Leben kein Ziel hatte, sondern einfach nur war.

3.4 Die Aufgabe: Kindheit nicht zurückholen – sondern verwandeln

Ich glaube nicht, dass wir unsere Kindheit zurückholen können.
Aber wir können sie verwandeln.
Sie als inneren Maßstab nehmen, an dem wir prüfen:
Ist mein heutiges Leben noch lebendig? Oder nur organisiert?
Würde mein kindliches Ich mich erkennen – oder vor mir davonlaufen?

Diese Fragen sind unbequem.
Aber sie führen uns zurück zu einer Wahrheit, die nicht laut ist – aber echt

Widmung

Für meinen Enkel Adriano Julian Thomas,
damit er eines Tages begreift,
wie tief das Leben wirklich ist.
Und für alle,
die nicht aufhören zu fragen. Worte die mich lange begleiten haben inklusive der tiefen Gedanken des Inhaltlichen.

Über den Autor:
Christian Heun, geboren am 20. März 1975, lebt im mittelhessischen Driedorf. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Frage nach dem Wesen des Menschen, der Zeit und der Erinnerung. In seinem Leben als Vater, Großvater und Technologe vereint er das Konkrete mit dem Geistigen. „Schrei ins offene“ ist sein erstes philosophisches Werk. Weitere Fragmente könnten folgen.

Copyright: Christian Heun 21/06/2025