Jürgen Heckmann aus Driedorf-Münchhausen hat diesen Klasse-Beitrag geliefert, den ich gerne abdrucke.
„Urlaub zu Zeiten Coronas“ vom 21.05.2020
oder
„Was ist Hessen doch so schön“
Wenn man die Medien so verfolgt, dann scheint doch ein Thema, viele zu beherrschen.
„Wie wird der Sommer und wohin darf ich verreisen“. Das wäre ja alles ganz normal, wäre da nicht Corona.
Jetzt habe ich aktuell Urlaub und auch ich wollte was erleben! Angeregt durch vielerlei Sendungen des hessischen Rundfunks, schließlich hatte ich ja die letzten Wochen viel Zeit Zuhause verbracht, beschloss ich in Hessen zu bleiben.
Die Lockerungen kamen gerade recht, die ersten Unterkünfte haben wieder geöffnet. Ich entschied mich, den Edersee mit dem Rad zu umrunden und wenn ich schon mal da oben bin, wollte ich noch eine zweite Tour unternehmen. Hotel oder Pension, das war der erste Gedanke. Der zweite Gedanke war Aerosole können lange in der Luft stehen. Was anderes musste her. Meine Wahl ein Fass. In Affoldern, unweit meines Zieles steht ein Fassmotel. Mike der Eigentümer, ist ein super netter Typ, der mit viel Liebe, diese kleine aber super feine und picobello saubere Anlage geschaffen hat. Alles spielt sich draußen ab, wer spricht da noch von Aerosolen?
Montag Morgen 10 Uhr war ich da, die Katze hat mich begrüßt, sonst war keiner da. OK, das Fahrrad von der Anhängerkupplung, schon mal neugierig die Fässer begutachtet und ab aufs Rad. Bis zur Talsperre ist es nicht weit und ab da beginnt der Rundweg. Mir ist aufgefallen, dass noch
vieles geschlossen hat. Selbst das Touristenzentrum war noch „Aus aktuellem Anlass“ zu. Egal, ich wollte ja schließlich mit dem Rad fahren und das geht auch ohne Touristenzentrum. Einige Einzelfahrer und eine Handvoll Pärchen kamen mir entgegen, sonst hatte ich den Weg für mich.
Kein Wunder, dass noch vieles zu hat. Gegen Mittag, ich hatte langsam Hunger, war ich am gegenüberliegendem Ende des Sees. Dort hatte ein Imbiss auf, wählerisch konnte ich nicht sein. Ich konnte draußen sitzen, das war schon mal gut. Die Speisen, halt Imbiss, Schnitzel, Würstchen,
Pommes und Co. Von den 6 Tischen für Zwei, verteilt auf gefühlte 50 m², waren gerade einmal die Hälfte besetzt. Die Tische, wo eben noch Gäste saßen, waren nass von Desinfektionsmitteln. Hier kannst du bleiben, das überlebt kein Virus. Zum Bestellen musste ich nicht rein, passt dachte ich
mir. Die Wartezeit habe ich mit einem Gespräch zum Nachbartisch, über eine Distanz von drei Meter#, überbrückt. Die Leute haben Spaß am Quatschen, das merkte ich sofort. Zum Bezahlen musste ich dann doch rein. Also Mundschutz auf und Schnitzel mit Pommes und einem Getränk, bargeldlos bezahlt.
Weiter geht es am gegenüberliegendem Ufer bis zur Fischräucherei, hier war richtig was los. Das lag an der Krananlage für Boote. Auf sehr beengtem Raum, kam ein Segelboot nach dem anderen an. Cool, auch hier
konnte ich draußen sitzen. Mundschutz auf, rein in die Räucherei, Flammlachsbrötchen, Espresso und Wasser gekauft. Alles verlief sehr diszipliniert, Abstandhalten funktioniert. Ab nach draußen und die Show genießen.
Eine halbe Stunde später ging es weiter, der Edersee lebt auch von seiner Natur und den herrlichen Aussichten, das habe ich dann auch alles aufgesaugt. Am frühen Abend, stand ich dann wieder bei den Fässern. Mike, war zwischenzeitlich auch da und wir haben erst mal eine Runde gequatscht. Thema Corona, was sonst, es lässt ein halt nicht los. Mike erzählt mir von seine Schwierigkeiten und seinem Hygienekonzept. Das braucht aktuell jeder, sonst darf er nicht öffnen. Zugänge hat er
mit kleinen Ampelschildern geregelt. Grün = go und Rot, du darfst jetzt nicht rein, kennt jeder und
kann jeder! Überall Desinfektionsmittel und Einwegpapier zum Abtrocknen. Ganz wichtig, Name, Anschrift und Telefonnummer hinterlassen, für das Gesundheitsamt zur Nachverfolgung.
Formalien geklärt! Jetzt wichtig, die mitgebrachte Weinflasche in den Kühlschrank legen, bin ja schließlich im Kurzurlaub. Neben mir ist noch ein Pärchen anwesend, die waren ein wenig zurückhaltend, Corona sorgt für Distanz! Gegen Abend, kam noch ein Kumpel vom Mike, der Volker. Nach den mittlerweile obligatorischen Corona-Austausch, endlich mal Gesprächsthemen ohne Virus. Es gibt sie noch, die Welt ohne
Seuche. Gegen Mitternacht, meine Weinflasche war leer, ging es ins Fass. Ich habe saumäßig gut geschlafen.
Mike musste früh raus, aber das Frühstück war gerichtet. Mike fährt noch für ein Bauunternehmer im Schwerverkehr. Er will keine Kredite vom Staat und das ist sein Lösungsansatz, um durch die
Corona-Zeit zu kommen. Hut ab, wie der alles unter einen Hut packt!
Nach dem Frühstück, habe ich mein Fass geräumt und alles ins Auto verfrachtet, das darf noch bleiben ich will ja schließlich noch den Edersee – Bahnradweg fahren, nach Korbach. Den Einstieg hatte ich schnell gefunden und auf ging es. An der alten Bahnstrecke liegen viele kleine Orte, so auch
Netze. Das in Netze mal ein Kloster stand hat mir ein Schild verraten. Das hörte sich spannend an und ich beschloss die kleine Klosterkirche zu besuchen. Dort angekommen hat mir eine super nette Frau erst
mal die Tür zur Kirche aufgeschlossen. Ich war wohl seit Wochen der erste, der sich für die Kirche interessiert hat. Ich bekam eine Führung und durfte
sogar in den Glockenturm. Zum Schluss bekam ich noch einen Kaffee angeboten und wir saßen mit Abstand vor der Haustür der alten
Klosterverwaltung, was gleichzeitig auch das Wohnhaus der Frau ist. Kommunikation kann auch eine Droge sein, man spürt wie dieser Wirkstoff der Gesellschaft fehlt. Wie mir dieser Wirkstoff fehlt! Nach zwei Stunden fuhr ich erst weiter. Der Tag war schon mal erfolgreich. Korbach war wie
ausgestorben, seltsam für so eine schöne Stadt. So muss es wohl im Mittelalter gewesen sein, wenn die Pest durch ist, schoss es mir durch den Kopf. Auf dem Rückweg habe ich dann das Schloss Waldeck angesteuert mit Blick über den See. Hessen ist schön! Nachmittags war ich wieder am Auto und ich habe Hunger. Also das Rad auf die Anhängerkupplung. Mike war da, noch mal rein, „Danke sagen“ und ein Trinkgeld hinterlassen. Wer so ein guten Job macht, hat es verdient!
Jetzt zum Finale, in Bad Wildungen gibt es den „Worschtkopp“, da will ich hin. Der „Worschtkopp“,ist ein Imbiss, der aus nur regionalen Produkten mit einer herrlichen Portion Kreativität leckeres zu essen baut. Salate heißen da „Hessisches Rindvieh grast“ oder „Hannes Hahn grast“. Burger nennen sich „Hans Worscht“ oder „Peterchens Rindfahrt“. Es gibt aber auch
Pommes und Bratworscht, aber alles aus regionaler Produktion. Man kann im Imbiss einkaufen. Nudeln vom Bauer um die Ecke, Ahle Worscht, Öle, Liköre, Honig,…… und vieles mehr. Essen kann man draußen, bestellen und zahlen im Imbiss. Alles mit Mundschutz und Abstand halten! Zum Essen gibt es ein Formular. Name, Anschrift, Telefonnummer und ein Datenschutzhinweis zur Aufbewahrungsfrist. Organisation ist alles, Corona
funktioniert.
Zusammengefasst, ich hatte zwei schöne Tage und verstehe nicht, warum ich ins Ausland fahren sollte. Hessen, Deutschland ist schön und mein Geld ist hier gut angelegt. Ich will ja wieder kommen und es wäre schade, wenn Corona zum Schluss doch noch Opfer fordert. Es muss ja nicht gleich der Tod sein. Text und Fotos: Jürgen Heckmann