Polen hin und zurück Teil II

Von Siegfried Gerdau

Nach dem Besuch in Gdańsk fuhren wir die rund 60 Kilometer nach Elbing (heute Elbląg). Die Stadt zwischen dem gleichnamigen Fluss Elbing (Elbląg) und des Frischen Haff hat in ihrer langen, wechselvollen Geschichte ebenfalls viele Kriege über sich ergehen lassen müssen. Im II. Weltkrieg wurde sie fast völlig zerstört. Von diesen Schäden ist so gut wie nichts mehr zu sehen.

Das Wahrzeichen von Elbląg. Die Nikolaikirche.

Der Wiederaufbau orientierte sich jedoch so gut wie möglich an der Architektur der Lübecker Kaufleute und Handwerker, die 1237 die Stadt gründeten. Nur ein Jahr später fand die Grundsteinlegung der 97 Meter hohen Nikolaikirche statt. Auch sie fiel den Kriegswirren zum Opfer und wurde nach 1945 originalgetreu wiederhergerichtet. Die 366 Treppenstufen bis zu deren Aussichtsplattform, von der man die 30 Kilometer entfernte Marienburg in Malbork sehen kann, ersparte ich mir. Wir fuhren lieber mit dem Wohnmobil dorthin. Es war für mich ein tolles Gefühl in der Geburtsstadt meines Vaters zu weilen.

Zuerst tranken wir jedoch gegenüber der imposanten Backsteinkirche im Brücken-Café über dem Fluss einen Kaffee. Bei dieser Gelegenheit lernten wir Gracina, eine Lehrerin aus Elbing kennen. Mit ihr verbindet uns seitdem immer noch eine tiefe Freundschaft. Nicht einmal vier Wochen später, besuchte sie uns in Herborn.

In diesem Zusammenhang muss ich noch die Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft der Menschen ansprechen, denen wir auf unserer fünfwöchigen Reise begegnet sind. Sie strafen alle noch so verworrene Vorurteile gegen sie Lügen. Besonders auffallend war jedoch der völlig unverkrampfte Umgang mit uns und der nicht immer einfachen jüngeren Geschichte. Ressentiments gegenüber Deutschland, Fehlanzeige. Dies bestätigte sich auch bei unseren Begegnungen mit polnischen Politikern und anderen Offiziellen.

Wir fanden einen sehr freundlichen Campingplatz direkt am Ufer des Elbląg und konnten uns mit einer Einladung bei unserer neuen Freundin für deren Festmenü am Vorabend bedanken. Den Oberländischen Kanal und seine einzigartige Konstruktion konnten wir uns nicht anschauen. Er wurde umfangreich restauriert.

Wir wollten unbedingt noch Frauenburg (Fromborg) am Ostufer des Frischen Haffs besuchen. Nikolaus Kopernikus wirkte dort den größten Teil seines Lebens. Hier beschreibt er 1543 ein heliozentrisches Weltbild, nach dem die Erde ein Planet sei, sich um ihre eigene Achse drehe und sich zudem wie die anderen Planeten um die Sonne bewege. Diese sogenannte „Kopernikanische Wende“ markierte den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Vom Frauenburger Dom mit Planetarium und einem faszinierenden Foucault’sches Pendel, kann man bei guter Sicht über das Frische Haff bis zur russischen Exklave Kaliningrad sehen.

Das sogenannte Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in der Nähe von Rastenburg in den Masuren ließen wir bewusst aus. Wir hatten keine Lust eine der ehemaligen Machtzentralen eines der größten Verbrecher der Weltgeschichte durch unseren Besuch aufzuwerten.

Marienburg (Malbork) mit der alten Ordensburg des Deutschen Ordens ist heute UNESCO-Weltkulturerbe und liegt an der Nogat einem Mündungsarm der Weichsel. Selbstverständlich gehörte die weiträumige Burganlage, der größte Backsteinbau Europas, auch in unseren Besichtigungsplan.

Wenn Herborner durch Polen reisen, gehört ein Besuch der Partnerstadt Ilawa (deutsch: Eylau) einfach dazu. Die 33 000 Einwohner-Stadt liegt am längsten See Polens, dem Geserichsee (Jeziorak-See) im westlichen Teil der masurischen Seenplatte.

Ilawa ist eine wunderschöne, moderne Stadt, die ganz auf Tourismus setzt. Die Vergangenheit ist weder für Bürger noch Würdenträger ein trennendes Thema. Wir hatten das Vergnügen vom Bürgermeister persönlich eingeladen zu sein und unterhielten uns lange über die unterschiedlichsten Themen.

Mit Bürgermeister (Mitte) Dolmetscherin und dem 1. Stadtrat plauderte ich über die Entwicklung der Herborner Partnerstadt.

Unser rollendes Domizil hatten wir direkt am Ufer des Geserichsee auf einem schönen, naturbelassenem Camping-Grund an einem Bauernhof geparkt.

Vielleicht noch ein Wort zu den Lebenshaltungskosten eines Campers in Polen. Lebensmittel und Getränke sind nicht billig, aber gegenüber unserem Preisniveau erschwinglich. Essen kann man in den Restaurants zu deutlich günstigeren Preisen als bei uns. Die polnische Küche ist absolut empfehlenswert. Ich wusste nicht auf wie viel leckere Arten man ganz profanes Sauerkraut zubereiten kann. Natürlich wird auch Wodka getrunken, aber auch sehr gepflegte Biere aus dem Land.

Das Risiko in Polen bestohlen oder gar beraubt zu werden, ist mit Sicherheit nicht höher als bei uns.

Unsere Rückfahrt über Bydgoszcz und Pila nach Stettin gestaltete sich relativ unspektakulär. Da wir noch ein paar Tage übrig hatten fuhren wir zur Sonneninsel Usedom und ließen zum Abschluss einer tollen Urlaubsreise die Seele baumeln. Fotos: Gerdau