Kommentar
von Siegfried Gerdau
Es gibt Städte mittlerer Größe, die sind in aller Munde. Spontan denkt man dabei an Rothenburg ob der Tauber oder Melsungen und viele andere. Andererseits fristen manche Kleinstädte ein freudloses, weil unspektakuläres Dasein. Der Beispiele gibt es viele und ein jeder weiß darüber einiges zu erzählen.
Die Gründe, warum eine Stadt fast ohne ihr Zutun weit vorne im Fokus seiner Bürger und vieler Auswärtiger steht und andere nicht, ist fast eine Wissenschaft für sich. Es gibt jedoch offensichtlich viel mehr als nur gefühlte Parameter, die zu beleuchten im wahrsten Sinne des Wortes gewinnbringend sein können.
Was macht eine lebendige Stadt denn aus. Sind es die unterschiedlichsten Einkaufsmöglichkeiten auch mit Lebensmittelgeschäften in der Stadtmitte, eine gute, medizinische Versorgung, Schulen und Kindergärten, kulturelle Angebote, eine ansprechende Gastronomie und ein ansprechendes Ambiente? Die Antwort kann einfach sein, aber sie ist es nicht. Muss eine Stadt einen Wochenmarkt haben und braucht sie eine genügende Menge an Arbeitsplätzen? Das Eine kann, das Andere muss. Das Geschäftsleben muss vielfältig sein und sich nicht in Spielsalons, Billigläden oder anderen einschlägigen Etablissements erschöpfen. Gewerbetreibende müssen sich angenommen fühlen. Ihren Wünschen und Bedürfnissen soll so weit als möglich entsprochen werden.
Begegnungen sind wichtig
Menschen müssen sich begegnen, sich beim Plausch miteinander austauschen, im Kontakt mit der „Obrigkeit“ ohne Terminabsprachen und Nummer-Marken ihre Sorgen und Nöte loswerden können.
Die Ausgewogenheit ist das Geheimnis und darüber müssen die Verantwortlichen verantwortungsvoll ständig wachen. Reine Wohnstädte sind ebenso ein Graus, wie wenig lebenswerte, große Industrieansammlungen. Beim Thema Wohnen gilt es die Interessen der Inverstoren ebenso im Auge zu haben, wie die Menschen, die mit ihrem Einkommen Mieten oder Kaufpreise bezahlen müssen. Entsteht hier ein Ungleichgewicht, kommt es zu Abwanderungen und gleichzeitig zu einer ungewollt homogenen Einwohnerschaft.
Will eine Stadt offen sein für Besucher, Gäste oder gar Urlauber, muss sie die entsprechenden Voraussetzungen schaffen und die vorhandenen pflegen. Ein rigoroses Vorgehen, um die Ideologien einzelner Gruppen zu befriedigen, ist da absolut fehl am Platze. Es gibt viele Kommunen im Lande, die sehr geschickt das Ganze im Blick haben. Eine „friedliche Koexistenz“ von Fußgängern, Rad-und Autofahrern ist kein Verbrechen, sondern schafft Ruhe und fördert die Gemeinsamkeit.
Stille Örtchen müssen vorhanden sein und gepflegt werden
Wer die Attraktivität seiner Stadt erhöhen will und im Interesse einer gesunden Wirtschaftlichkeit auch muss, kommt nicht umhin auch gewisse Örtlichkeiten vorzuhalten und entsprechend zu pflegen. Wie man das finanziell stemmen kann, lässt sich an zahlreichen Beispielen anderer Städte leicht in Erfahrung bringen.
Radwege sind sicher sehr richtig. Es müssen aber die Voraussetzungen von Gefahrlosigkeit vorhanden und unter Abwägung aller Aspekte geprüft sein. Nur einem Trend folgend, ohne dass man überhaupt erkannt hat, ob der Bedarf über das gesamte Jahr besteht, ist nicht besonders weitsichtig. Städte wie Münster in Westfalen gleichzusetzen mit denen in Mittelgebirgslandschaften, ist keine gute Sache und führt nicht zu dem angedachten Ergebnis.
Das gilt auch für stadtnahe Parkmöglichkeiten. Selbst wenn alle Fahrzeuge elektrisch angetrieben würden, brauchen sie geeignete Abstellplätze. Das ausschließliche Präferieren des öffentlichen Nahverkehrs verlangt gleichzeitig dessen ständige und zeitliche Verfügbarkeit. Hier sind größere Städte klar im Vorteil und deren Lösungsmodelle nicht unbedingt übertragbar.
Rechtzeitige Informationen sind wichtig
Ein Gemeinwesen welches Willens ist, die Bürger in allen Belangen zu informieren und bei Entscheidungen, die sie betreffen auch mitzunehmen, braucht geeignete Kommunikationswege. Sich hierbei auf Tageszeitungen und oder Internetforen zu beschränken, geht an der Realität vorbei. Uninformiertheit erzeugt Unwillen und das Gefühl von Ausgeschlossenheit. Dem gilt es mit geeigneten und langjährig erprobten Möglichkeiten zu begegnen.
Wer Besucher in seiner Stadt begrüßen möchte, muss auch eine entsprechende, darauf zugeschnittene Gastronomie anbieten können. Hier kommt es auf Ausgewogenheit an. Einseitige Angebote können genauso ins Auge gehen, wie zu geringe. Den Betreibern, Wirten oder Gastronomen, die das Geld in die Stadtkasse bringen, müssen vielfältige Hilfen und jegliche Unterstützungen gewährt werden. Nichts kommt von alleine und Selbständige, die von den unterschiedlichsten Auflagen förmlich stranguliert werden, werfen vielleicht früher das Handtuch als ihre Kollegen in anderen Städten.
Geschichtlich wertvolle Kleinodien müssen gepflegt und für Besucher zugänglich bleiben. Rationales Denken ist sicher dabei der falsche Ansatz. Auswärtige Gäste schätzen besonders Objekte, die dem historischen Hintergrund einer Stadt ein Gesicht geben.
Der erste Eindruck zählt
Eine Stadt, die einladend sein soll, muss bereits an ihrer „Haustüre“ dafür sorgen, dass die Gäste sich auch hineintrauen. Unsauberkeit und unliebsames Treiben, welches ständige Polizeipräsenz erfordert, verängstigt genauso, wie empfundene Ablehnung. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen und die Autos bleiben, egal mit welchen Antrieben, in einem normalen Stadtbild präsent. Mit radikaler Androhung von Bußgeldern leitet man Besucher um die Stadt herum und sie weichen zu Einkaufsmöglichkeiten auf der grünen Wiese aus. Natürlich braucht eine attraktive Stadt ordnende Hände, egal in welcher Form und Weise. Das muss allerdings mit Vernunft und Feingefühl stattfinden.
Die Attraktivität einer Stadt wird letztendlich von vorausschauenden Kommunalpolitikern gefördert. Diese bilden die demokratische Basis aus Regierenden und einer nennenswerten Opposition. In gesunder Diskussionskultur, die die kompromissfähigen Zusammenführungen unterschiedlicher Interessen und Ansichten zum Ziel hat, werden die Weichen für ein gedeihliches Zusammenleben gestellt.
Politik ist wichtig aber sie darf nicht zum Selbstzweck werden.
Gleichgeschaltete und dauerhaft einhellige politische Meinungen bedeuten Stillstand und wirken sich bis in die administrativen Bereiche aus. Respekt vor Andersdenkenden und deren Ansichten sind ebenfalls unbedingte, demokratische Spielregeln, die für eine Kommune fördernder sind als Grabenkämpfe oder politisches Desinteresse. Die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt spüren mit sicherem Instinkt, wenn Politik und Verwaltung im besten Sinne um die Geschicke ihrer Kommune ringen.