Von Siegfried Gerdau
Es ist Freitagmorgen. Die kleine Stadt an der Dill ist bereits erwacht. Der Wetterbericht verspricht einen sonnigen Tag, so wie man ihn Mitte August erwarten kann. Auf dem Kornmarkt, dem zentralem Platz in der Altstadt herrscht emsiges Treiben. Die ersten Händler bauen ihre Stände auf. Ein paar Frühaufsteher sind unterwegs und tauschen die neusten Nachrichten miteinander aus. Der Herborner Markt am Freitag gehört zur Stadt wie das majestätische Rathaus, die Hohe Schule oder das Schloss. Hoch über der Stadt steht das ehrwürdige Bauwerk und schaut dem Treiben mit stoischer Ruhe zu. Gerade hat der Mann mit der Gitarre und den Federn am Hut seinen Platz eingenommen. In den zahlreichen Cafés der Innenstadt rüstet man sich auf den zu erwartenden Ansturm.
In der Hauptstraße, gleich gegenüber der Figurengruppe mit dem kleinen Heinz, der Katzenmarie und dem Begründer des Herborner Trödelmarkt Ernst De la Motte, werden Blumenkübel geschleppt und die Transportwagen rattern mit lautem Getöse über das Kopfsteinpflaster. Der Blumenhändler aus dem Siegerland ist das Zugpferd des Marktes und sich seiner beherrschenden Stellung durchaus bewusst. Von weit her werden im Laufe des Tages die Menschen seinen Stand besuchen und so gut wie immer ein Schnäppchen machen. Auch der Standgebühreneintreiber, respektive der Stadtsäckel, kommt auf seine Kosten. Ungeachtet der Tatsache, dass durch die Ferienzeit auch der Umsatz bei den Marktleuten etwas zurückgeht. Die Gebühr ist in jedem Fall fällig. Die drei Eisdielen der Stadt haben ihre Behältnisse bis zum Rand gefüllt. Eis geht in dieser Jahreszeit immer. Zwar sind die Bällchen ein wenig teurer als früher, aber was ist nicht teurer geworden in dieser unsicheren Zeit.
Dieses und weitere Themen, wie das Schicksal des Wildgeheges und die Überlegung die gesamte Innenstadt autofrei zu machen, streifen die Besucher höchstens am Rande. Es ist der wöchentliche Herborner Feiertag und den will man sich nicht mit solch unliebsamen Gesprächen kaputtmachen. Schon bald werden die hungrigen Pausengänger bei Toni, der in Wirklichkeit Timo heißt, Schlange stehen, um seine legendäre Wurst zu kaufen. Auch das ist Kult und darauf sind die Herborner Stolz. Die altehrwürdigen Fachwerkhäuser sind für Touristen gern gesehene Fotomotive und wenn jeder Druck auf einen der Auslöser einen Splitter Holz entfernen würde, wäre die historische Altstadt platt. In den Restaurants der Stadt bereiten sich die Köche auf das Mittagessen vor. Die Bäcker hingegen haben ihr Geschäft mit den leckeren Herborner Brötchen schon gemacht. Während die zahlreichen Einzelhändler Tür und Tor ihrer Geschäfte öffnen und die Markisen herunterkurbeln, legen die Stadtpolizisten ihre Uniformen an. Ordnung muss sein und darauf achten sie. Ein paar Tauben picken lustlos in den Pflasterfugen. Noch sind Krümel Mangelware, aber das ändert sich bald.
Die Auto-Poser und Asphaltmachos ruhen sich noch von diversen Rennen der vergangenen Nacht auf Herborns Straßen aus. Ihre Boliden müssen erst am Montag zu den Autoverleihern zurück, da kann man noch einmal richtig aufdrehen. Wie gut, dass die Augen des Gesetzes zur Rasenszeit meist schon geschlossen sind.
Wie idyllisch ist es dagegen heute auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Lediglich die Parkplätze sind rarer als an anderen Tagen. Wer schlau ist kommt mit dem Bus oder wer im Tal wohnt, mit dem Fahrrad. Beim Blumenkauf könnte das jedoch ein Problem werden. Bei den günstigen Preisen kann man kaum widerstehen und so sieht man immer wieder Marktgänger mit Armen voll Blumen zu ihren fahrbaren Untersätzen eilen. Die angetrauten Ehefrauen machen den Weg frei und sorgen für die Übersicht.
In der Hauptstraße testen die Herren der Schöpfung die ausgestellten Strandkörbe. Die sind nicht nur schick, liegen im Trend und an Bequemlichkeit kaum zu überbieten. Die Damen, haben die Waren ihrer Begierde im Trockenen und zeigen sich deshalb großzügiger als sonst. Wenn sich das nicht wiederholt, sei‘s drum. Man muss den Männern ja auch mal was gönnen. Den Geschäftsabschluss verfolgen sie nicht mehr. Die Parfümerie duftet dermaßen verführerisch und bei der stolzen Summe für den Korb, wird doch sicherlich ein edles Parfümchen für sie drin sein.
Mittlerweile schweben die Düfte von Bratwürstchen und Co durch die Stadt. Auch den Stand mit den Fischbrötchen steuern viele Hungrige an- man soll ja mindestens einmal in der Woche Fisch essen. Aber Halt, der ist ja gar nicht da. Auch der Fischhändler vom Rhein hat scheinbar Urlaub. „Im Sommer geht der Fisch nicht ganz so gut“, sein Resümee und da liegt es auf der Hand einfach mal frei zu machen.
Auf dem Holzmarkt hat mittlerweile Deutschlands beste Anhängerfahrerin ihren Käsetruck gekonnt eingeparkt. Vielen Herren bleibt vor Staunen der Mund offen, angesichts dieser Fahrkünste. Der Bio-Obst-und Gemüsehändler gegenüber, glänzt ebenfalls durch Abwesenheit. Freitag ist auch in Theos Holzmarktküche Fischtag. Die Riesenportionen verlassen im Sekundentakt den kleinen Gourmettempel. Immer wieder halten die Markbesucher Ausschau nach Frieda der Gans und Aushängeschild des Wochenmarktes. Die Dame ist leider einem Fuchs im heimischen Stall zum Opfer gefallen und ihr Herrchen Wolfgang Schäfer hat auch den Dirigentenstab übergeben. Wenn man Glück hat, sieht am ihn höchstens mal aus Besucher in der Stadt. „Alles hat seine Zeit“, steht schon in der Bibel. Fotos: Gerdau
Hallo Siggi
Deinen Bericht habe ich gelesen. Hast Du gut geschrieben. Ich gehe immer etwa um 17.00 Uhr zum Markt. Liebe Grüße Marianne
Passt alles, schön geschrieben.
Sehr schön geschrieben, lieber Siggi. Genauso ist es, in unserem schönen Städtchen!
Schuster, bleib bei Deinen Leisten! Hier zeigst Du unterhaltsam, wie ein schön und ausgewogen geschriebener Artikel aussehen kann und auch noch informativ ist – Politik (wie an anderer Stelle) solltest Du besser nicht in den Vordergrund Deines Blogs stellen…
Andreas