Kurt Walter Ernst hat den II. Weltkrieg von Anfang bis Ende erlebt und war anschließend viele Jahre in russischer Gefangenschaft. Jetzt feiert der geistig topfitte Herborner im Kreis der Familie seinen 104. Geburtstag.
In Schackstedt in Sachsen-Anhalt wurde der Jubilar als einziges Kind einer landwirtschaftlich orientierten Familie geboren. Nach der allgemeinen Schulzeit arbeitete er bis zum 17. Lebensjahr im heimischen Betrieb und meldete sich 1938 freiwillig zur Wehrmacht. Dass der Mann, auf den er seinen Eid geschworen hatte, schon bald fast die ganze Welt in Brand steckte, ahnte er damals noch nicht.
Vom ersten Kriegstag an war er als Kradmelder auf fast allen Kriegsschauplätzen dabei. „Ich habe Glück gehabt und war nur einmal verwundet“, sagte der Mann, der das Trauma dieses schrecklichen Krieges bis heute nicht überwunden hat. Mit seiner Kompanie machte er schon sehr früh im heimischen Raum Station und war bei der Herborner Familie Adelmann im Quartier. Das Kriegsende 1945 erlebte er als russischer Gefangener in Rumänien. Von dort ginge es in Fußmärschen nach Rumänien. Irgendwann hatten die Sowjets ihn völlig unbegründet im Verdacht, ein Angehöriger der Division Brandenburg zu sein. Die deutsche Spezialeinheit des Amtes Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht, war bei der Roten Armee besonders verrufen. Er lernte viele russische Gefängnisse kennen, darunter auch die berüchtigte Lubjanka“ in Moskau, ein Synonym für massenhafte willkürliche Verhaftungen, Folterungen und Erschießungen. Man verurteilte ihn schließlich zu 25 Jahren Straflager in Workuta am Eismeer. Nach drei Jahren Haft unter unmenschlichen Bedingungen, ging es nach Stalingrad und er half bei Aufbau der total vernichteten Stadt an der Wolga. Nach langen Verhandlungen des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer mit dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow wurde Kurt Ernst mit dem letzten Kontigent Kriegsgefangener in die Heimat entlassen.
Lange Zeit wohnte er im Auffanglager Friedland, bis er auf die Idee kam die Schwester seines einstigen Quartiergebers als seine eigene auszugeben. Der Trick gelang, und so kam er nach Herborn.
Er bekam als ehemaliger Kriegsgefangener bevorzugt eine Stelle an der Bahn und wurde Zugführer. In dieser Zeit lernte er seine spätere Ehefrau Helene Adelmann kennen und schon bald fand die Hochzeit statt. Das Paar bekam eine Tochter Bettina, die den immer noch Alleinlebenden heute gemeinsam mit der guten Nachbarin Ingrid Fischer umsorgt. Essen auf Rädern und der tägliche Besuch der mobilen Pflege sind die Voraussetzungen für seine Selbständigkeit. Kurt Ernst erledigt seine anfallende Post wie Rechnungen bezahlen und mehr, immer noch alleine. Vor wenigen Tagen feiert er gemeinsam mit der ganzen Familie seinen Ehrentag mit einem Essen in einem Donsbacher Restaurant. sig/Foto: Gerdau