„Alter schützt vor Stipendium nicht“

Von Siegfried Gerdau

„Erst kommt das Handwerk, dann die Kunst“, philosophiert der Herborner Maler, Graphiker und Bildhauer Walter Josef Hermann und wenn man das Glück hat, ihm bei seiner Arbeit zuschauen zu dürfen, weiß man genau wovon er spricht. Seit Jahresende 2020 arbeitet er mit Hochdruck in seinem Herborn-Amdorfer Atelier an einem übermannsgroßen Projekt aus Styropor und Gips, der „Ikaros-Dädalos“ -Gruppe. Mit Hochdruck deshalb, weil der 72-Jährige aus dem Förderprogramm „Hessen kulturell neu eröffnen“, der Hessischen Kulturstiftung, ein Arbeitsstipendium erhalten hat.

Der Gips ist trocken, nun geht es an den Feinschliff.

Er hatte im November gerade mit seiner Arbeit an der Skulpturen-Gruppe angefangen, da stoppte Corona seine Schaffenskraft. Ihm waren die finanziellen Mittel ausgegangen. Nicht nur, dass Auftragsarbeiten wegbrachen, auch Ausstellungen und Atelierbesuche waren plötzlich nicht mehr möglich. Am schlimmsten traf ihn jedoch, dass sein Werkvertrag an der Lahn-Dill-Akademie (VHS) gekündigt wurde. Dort ist Josef Walter Hermann seit 30 Jahren Kursleiter. Als er von der Möglichkeit eines Arbeitsstipendium erfuhr, wandte er sich an Michael Benner, Leiter Stabsstelle Wirtschaftsförderung in der Herborner Stadtverwaltung. Der half ihm bei der Antragstellung. Als die Zusage des Stipendiums kam, konnte Hermann sein Glück kaum fassen. Den Auflagen des Landes, seine Arbeit in drei Monaten fertig zu stellen und umfangreich zu dokumentieren, stimmte er gerne zu. Mittlerweile hat er die Zeit etwas überschritten, aber Wiesbaden zeigt sich verständnisvoll.

Wie so viele Künstler war und ist auch Hermann schon viele Jahre lang von Ikarus und der Philosophie, um die mythische Figur, begeistert.

Diese Lithographie von Ikaros und Dädalos fertigte Hermann schon Jahre früher an.

So entstand schon vor Jahren unter seinen begnadeten Händen eine Lithografie, der er jetzt mit seiner Skulptur dreidimensionales Leben einhaucht.

Eine grobe Arbeitsskizze, der Rest ist im Kopf des Künstlers gespeichert.

Die Größe seines Modells-Ikaros alleine ist 2,20 Meter hoch- zwang Hermann, drei einzelne Module zu schaffen, die am Ende zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Sein Amdorfer Atelier hat nur begrenzt Platz.  Die fertige Gipsskulptur soll später als Grundlage für einen Bronzeguss dienen. So hofft es jedenfalls der Meister. Unendlich viele Stunden hat er damit verbracht, neben seiner Arbeit an der Staffelei im Herborner Bahnhof, seine Vorstellungen von Höhenflug und dessen Quintessenz in einer Skulptur darzustellen. Berge von Styroporplatten und Gips mussten in Form gebracht werden und dabei durfte er nie das Gesamtwerk aus den Augen verlieren. Sein Anfangs erwähnter Glaubenssatz, von dem Künstler, der unter allen Umständen erst ein guter Handwerker sein muss, bestätigt sich voll und ganz.

Ich bin grenzenlos von dem Kunstwerk des Herborner Ausnahmekünstlers begeistert. Damit bin ich ganz nahe bei Ikaros. Nur, ich bleibe auf dem Boden. Nämlich im Herborner Stadtpark. Dort, so kann ich mir ebenso wie der Schöpfer der Gruppe Josef Walter Hermann vorstellen, dass Ikaros und Dädalos in Bronze gegossen nahe der Dill stehen könnte. Das Sinnbild für menschliche Maßlosigkeit und Größenwahn macht nicht nur betroffen, sondern auch nachdenklich und so soll es sein.

Grundsätzlich spricht ja nichts dagegen, die Idee in die Tat umzusetzen. Es wird aber eine Stange Geld kosten und die ist nicht in Sicht. Dennoch könnte ich mir die Figurengruppe im Stadtpark schon vorstellen und aus der Hand eines Sohnes der Stadt wäre sie nochmal so wertvoll.

Der Mythos

Ikarus oder Ikaros ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Daidalos. Ikarus und Dädalus wurden – zur Strafe, weil Dädalus dem Theseus hilfreiche Hinweise zur Verwendung des Ariadnefadens gegeben hatte – von König Minos im Labyrinth des Minotauros auf Kreta gefangen gehalten. Da Minos die Seefahrt und das Land kontrollierte, erfand Dädalus Flügel für sich und seinen Sohn. Dazu befestigte er Federn mit Wachs an einem Gestänge. Vor dem Start schärfte er Ikarus ein, nicht zu hoch und nicht zu tief zu fliegen, da sonst die Hitze der Sonne beziehungsweise die Feuchte des Meeres zum Absturz führen würde.

Zuerst ging alles gut, aber nachdem sie Samos und Delos zur Linken und Lebinthos zur Rechten passiert hatten, wurde Ikarus übermütig und stieg so hoch hinauf, dass die Sonne das Wachs seiner Flügel schmolz, woraufhin sich die Federn lösten und er ins Meer stürzte.

Mit wem ich es zu tun habe, wurde mir erst so richtig bewusst, als ich mich in die Biografie von Hermann einlas. Die Bilder des Malers Josef Walter Hermann, allesamt Kunstwerke der Extraklasse, hatte ich bereits vor vielen Jahren bewundert. Der Bildhauer Josef Walter Hermann legt da noch mal eine Schippe drauf. Fotos: Gerdau

Handwerkskunst gepaart mit künstlerischer Begabung.

Die Biographie

Josef-Walter Hermann wird am 16. April 1948 in Nenderoth (Westerwald) geboren. Hier verbringt er seine ersten fünf Lebensjahre.

1953 Umzug der Familie nach Herborn (Dill-Kreis). Besuch der Volks- und Realschule, Beginn einer Lehre, erste künstlerische Arbeiten.

1966 Studium an der Werkkunstschule und Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

Bis 1971 bei Hans Schmincke, Kurt Steinel und Eberhard Behr, wohnt in Offenbach und Herborn.

1969 Einrichtung der ersten eigenen Lithographie-Werkstatt in Herborn.

1969/70 Ein Mäzen ermöglicht einen mehrtägigen Aufenthalt auf der ostfriesischen Insel Baltrum. Danach entsteht der fünfteilige Zyklus Baltrum .

1971 Beginn der freien künstlerischen Arbeit in Herborn als Maler und Graphiker. Erster Auftrag als freischaffender Künstler. Druck des Zyklus Lichte und dunkle Mächte, bestehend aus sieben Farblithographien.

1971/72 Erste Begegnung mit der Galeristin Hanna Bekker vom Rath im Frankfurter Kunstkabinett am Börsenplatz.

1996 Veröffentlichung des lithographischen Werkverzeichnisses.

1999 Gestaltung der Glasfenster in der ökumenischen Kapelle der Dill-Kliniken in Dillenburg

1974 Umzug und Einrichtung einer Lithographiewerkstatt in einem ehemaligen Holzbildhaueratelier in der Herborner Altstadt. Durch Vermittlung von Joachim Cüppers, dem Leiter des Frankfurter Kunstkabinetts Hanna Bekker vom Rath, entstehen die ersten Editionen für die Galerie E. Daberkow in Frankfurt am Main.

1975 Im Bildband der »Dokumente zur Zeitgenössischen Kunst, Neue deutsche Graphik« werden die Lithographien Engel (72) und Muttergestalt (74) reproduziert.

1976 Einrichtung einer Lithographie-Werkstatt in Herborn-Amdorf

1979 Durch Vermittlung von Gerda Sendke erscheinen die ersten Farbreproduktionen in »Grafik der Gegenwart«, den Jahreskalendern der Arbeiterwohlfahrt, Bonn.

1980 Das Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath vertritt das CEuvre Hermanns auf dem Kunstmarkt.

Die Farblithographie Für Hanna Bekker vom Rath wird in der Ausstellung »Expressionism and its Legacy – German Art from 1905 to the Present« gezeigt.

1984 Für die Farblithographie Zentrales von 1983 wird Hermann mit dem Internationalen Senefelder-Preis ausgezeichnet.

1986 Im Auftrag von Professor Wilhelm Weber entsteht die Farblithographie Maskentreiben (Fasnet I) für die Vereinigung Pfälzer Kunstfreunde. Henner Kätelhön, Wamel, druckt diese Auflage, es beginnt nun eine fruchtbare Zusammenarbeit.

Der großformatige fünfteilige Zyklus Mahnzeichen entsteht in Zusammenarbeit mit Kätelhön in Wamel.

1987 Der Künstler ist Mitglied der Jury zum Internationalen Senefelder-Preis 1987.

1989 Im Rahmen eines dreiwöchigen Arbeitsstipendiums von der WestHyp Bank, Dortmund, für die Werkstätten Kätelhön entstehen in enger Zusammenarbeit mit Henner Kätelhön vier großformatige Farb- und  Schwarz/Weiß-Lithographien.

Einrichtung eines Ateliers mit einer Druckwerkstätte für den Lahn-Dill-Kreis;

Tätigkeit als freier Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung an der Volkshochschule und Lahn-Dill-Akademie in Dillenburg.

1992 Die Stadt Herborn stellt Hermann in einem historischen Gebäude ein Atelier zur Verfügung, wo der Künstler seine eigene Lithographie-Werkstatt einrichten kann.

1997 Der Vorstand der Bezirkssparkasse Dillenburg erwirbt einen repräsentativen Querschnitt des lithographischen Gesamtwerkes von 1967 bis 1996.

Veröffentlichung des lithographischen Werkverzeichnisses.

1999 Gestaltung der Glasfenster in der ökumenischen Kapelle der Dill-Kliniken in Dillenburg.

Der Rotwein und die Kunst

Na denn zum Wohle.

Der Herborner Künstlers Josef-Walter Hermann hat sein Schaffenszentrum im Bahnhof. Zu seinen Ehren kreierte der Herborner Zahnarzt und Hobby-Winzer Alexander Betz in Zusammenarbeit mit dem Weingut Mainz in Weinolsheim einen roten Atelierwein. Dieser ist im Stadtmarketing-Büro im Herborner Bahnhof erhältlich. Foto: Stadtmarketing Herborn

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