Offener Brief an die Herborner Stadtverordneten
Ortsverband Herborn-Sinn-Driedorf-Mittenaar
Annette Jakobi
Amdorfstr.3,35745 Herborn den 20.08.2020
An die
Stadtverordneten der Stadt
35745 Herborn
Offener Brief an alle politisch Verantwortlichen der Stadt Herborn, an die Untere Naturschutzbehörde des Lahn-Dillkreises, an den BUND-Landesverband und an die Presse
Sehr geehrte Damen und Herren,Vor einigen Wochen wurden wir von Anwohnern des Gebiets Am Weinberg darüber in Kenntnis gesetzt, dass Herr Frank Gierlichs als Vertreter der Firma Streif-Haus dort ein ca. 5000 Quadratmeter großes Grundstück erworben hat, um dort bis zu 5 Wohnhäuser zu errichten.
Bei einem Ortstermin mit den Anwohnern in Anwesenheit von Bürgermeisterin Frau Gronau und Bauamtsleiter Herrn Brückner konnten sich am 9. Juli 2020 auch Mitglieder des BUND ein Bild von dem Grundstück machen und Details zum Sachstand erfahren.
Mittlerweile protestieren nicht nur die Anwohner gegen das Bauvorhaben. Die lokale Presse berichtete darüber und selbst RTL bekundete Interesse an einem Interview mit uns zu diesem Thema. Die- nach unserer Einschätzung überaus berechtigten- Einwände kritisieren vor allem das Missverhältnis des immensen Landschaftsverbrauchs in Relation zu neu geschaffenem Wohnraum durch den massiven Eingriff in eine wertvolle Flora und Fauna.
Wir haben am 18.08.20 bei einem Termin in der Unteren Naturschutzbehörde, die dem Bauvorhaben äußerst kritisch gegenübersteht, Akteneinsicht in die bisher dokumentierten Anfragen, Stellungnahmen etc. genommen und auch das ökologische Gutachten des Planungsbüro Koch vollständig gelesen. Darin wird vor allem der Fauna (seltene Fledermäuse, Rauchschwalben…) und mehrere Habitatbäume in diesem Gebiet eine wichtige biologische Funktion bescheinigt.
Es überrascht uns sehr, dass seitens der Stadtverwaltung und der Stadtpolitiker anscheinend noch niemand Einsicht in dieses Gutachten genommen hat. Und das, obwohl die Bauabsichten bereits seit über einem Jahr bekannt sind und nachweislich auch Vorgespräche zwischen Frau Gronau und Herr Gierlich stattfanden.
Ein äußerst wichtiger Aspekt wurde nach unserer Kenntnis bislang fast gar nicht beachtet und diskutiert: Der klimatische Wert eines naturerhaltenen Weinbergs für die Stadt. Die üppige Vegetation dort sorgt für Austausch von Luftmassen bis weit in die Stadt und mindert vor allem bei Westwindlagen, die bei uns meteorologisch am häufigsten vorkommen, massiv Lärm- und Staubemissionen von der sehr nahe gelegenen Autobahn A45.
Wir wurden darüber informiert, dass die Stadt Herborn die Möglichkeit hat, ein Klimagutachten zum Weinberg erstellen zu lassen, welches vom Land Hessen finanziert wird. Diese Information hat auch die Stadtverwaltung von der Unteren Naturschutzbehörde des LDK erhalten.
Es irritiert uns sehr, dass die SELBST ERNANNTE KLIMASTADT HERBORN auf dieses Angebot bisher nicht reagiert hat.Wir fordern daher, dies unverzüglich nachzuholen!
Auf diese Weise bekämen die politischen Gremien Fakten zur Hand, die Ihnen bei der Entscheidungsfindung , den Bebauungsplan zu ändern, helfen.
Laut Auskunft der UNB ist es immer noch möglich, ein solches Gutachten noch vor dem 1. Oktober zu bekommen. Dieser Termin ist so wichtig, weil ab diesem Tag der Grundstückseigner Rodungen auf seinem Grundstück veranlassen könnte, auch wenn noch keine Baugenehmigung vorliegt.Der BUND empfiehlt den Politikern parteiübergreifend dringend, einen möglichen Bebauungsplan Am Weinberg abzulehnen und diese Entscheidung Herrn Gierlichs mitzuteilen. Es ist für uns nicht hinnehmbar, wenn ein biologisch intaktes und wertvolles Gebiet von ca. 0,5 Hektar für 4 bis 5 Einfamilienhäuser unwiederbringlich zerstört würde.
Mehr denn je beobachten wir sorgenvoll den Stress, den Hitze und Trockenheit unseren Wäldern und Stadtbäumen zufügen. Wir haben dies in einem offenen Brief am 04.06.20 der Bürgermeisterin, Magistrat und Mitglieder der Ausschüsse und Fraktionen deutlich mitgeteilt und um einen Gesprächstermin gebeten, in dem wir auch unsere Möglichkeiten einer aktiven ehrenamtlichen Mitarbeit beim Bewässern von Grünanlagen und Stadtbäumen erörtern wollten.
Dass daran kein Interesse besteht, schließen wir aus der Tatsache, dass wir außer einer Empfangsbescheinigung und einer vagen Zusage zu einem Gesprächstermin bisher keine Antwort erhalten haben.Wir hoffen, mit diesem Brief die vorhandene naturnahe Grünfläche Am Weinberg als solche zu erhalten und zu schützen und Beeinträchtigungen der Natur und Klima durch dieses Bauvorhaben zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen für den gesamten Vorstand
Annette Jakobi
Vorsitzende des BUND-Ortsverbandes Herborn, Sinn, Driedorf, Mittenaar.