Klimasünder Handy

Von Siegfried Gerdau

Die Klimasünde ist besonders in Deutschland mittlerweile ein gewaltiges Totschlagargument. Alleine das Dasein eines Menschen stelle für sich alleine schon eine Klimabelastung dar, so hört man. Das erinnert sehr stark an die Vorgehensweise christlicher Religionen. Dort heißt es: „Du kommst als Sünder auf die Welt, aber du kannst gerettet werden“.

Wenn man dies aufs Klima umsetzt, könnte es heißen: „Du bist grundsätzlich schuld, wenn die Erde am CO2-Ausstoß erstickt“, aber du kannst aufhören zu konsumieren. Vermutlich richtig und wissenschaftlich nachweisbar ist diese These sicherlich. Pauschales Vorgehen ist allerdings nie besonders hilfreich und so bin ich einmal ins Detail gegangen. Wie sieht es eigentlich mit dem Gebrauch von mobilen Funktelefonen, den sogenannten Handys aus. Belastet dieses moderne Kommunikationsverhalten auch die Umwelt und besonders das weltweite Klima? Wie begegne ich jemand, der mir mit dem Handy in der Hand oder in der Tasche vorwirft, ein Klimasünder zu sein?

Der Kauf und die Benutzung eines Smartphones ist alles andere als klimaneutral. Foto: Gerdau

Fakten als Argumentationshilfen

Die Produktion und der Betrieb von Smartphones sorgen in Europa für 14 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr.

Der Anteil, den die Smartphone-Produktion daran hat, ist um ein Vielfaches größer als jener anderer Elektronikprodukte wie PCs oder Laptops. Bei jährlich 1,4 Milliarden verkauften Smartphones weltweit ist das nicht verwunderlich.

Laut Greenpeace verschlingt die weltweite Smartphone-Produktion 968 Terawattstunden Strom.

Die Menge macht das Gift

Ein durchschnittliches Handy verursacht ohne Netzwerk- und Internetnutzung über seinem Lebenszyklus schon etwa 48 Kilogramm CO2-Äquivalent. Macht bei 30 Millionen verkauften Geräten in Deutschland: 1,44 Millionen Tonnen CO2, die diese Geräte von der Herstellung bis zur Entsorgung verursacht haben werden.

Der jährliche CO2-Ausstoß des weltweiten Internets ist inzwischen fast doppelt so groß, wie der des Flugverkehrs rund um den Globus.

Dass das Fliegen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln umweltschädlicher ist, ist bekannt. Eine Studie aus Großbritannien fand nun heraus: Etwas ganz Alltägliches wie das Internet oder Computer haben mindestens einen gleichgroßen oder sogar einen größeren CO2-Abdruck als der gesamte Flugverkehr weltweit.

Mein kleines Handy kann doch dem Klima nicht schaden

Das liegt vielmehr daran, dass vier Milliarden Menschen – mehr als 53 Prozent der Weltbevölkerung – das Internet nutzen. Es ist also die Summe der Internet-Nutzer, die für einen hohen CO2-Abdruck sorgt.

The Shift Project, ein französischer Think-Tank, der sich intensiv mit dem CO2-Ausstoß des Internets befasst, hat in einer Hochrechnung ermittelt, dass der Internet-Konsum für 3,7 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.

Eine Stunde ein Video streamen: 3,2 Kilogramm CO2e

Eine Google-Suchanfrage: 0,2 Gramm CO2e

Einfache E-Mail (ohne Anhang): 4 Gramm CO2e

E-Mail mit Fotoanhang: 30 Gramm CO2e

Spam-Mail: 0,3 Gramm CO2e

Ein Amazon-Paket (Direktzustellung): 500 bis 600 Gramm CO2e

Zum generellen Vergleich: Ein PKW verursacht im Schnitt 150 Gramm CO2-Emissionen pro Kilometer.

Dass nun Handys mit dem Bann belegt und jeder Klimaaktivist angewidert sein Apple oder Samsung recycelt, ist kaum anzunehmen. Dies zu fordern war auch nicht meine Absicht. Nur wer auf andere mit den Fingern zeigt, sollte wissen, dass mindestens drei auf ihn selber gerichtet sind.   

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