Was einem alles einfällt, wenn man aus dem Schlafzimmerfenster einen morgenroten Himmel bewundert. Mir fiel dabei das folgende alte Volkslied ein, welches meine Mutter mir mit ihrer schönen Stimme einst vorsang. Mich machte der Text traurig, aber gleichzeitig war er auch unbewusst eine tiefe Erinnerung an meinen Großvater, der im I. Weltkrieg Soldat war und ihn überlebte. Eberhard mit dem Barte nannte man den honorigen Herrn, wegen seines gewaltigen Rauschebartes. Er war ein leidenschaftlicher Antifaschist und hasste das Naziregimes. Dessen schreckliches Ende blieb ihm zum Glück erspart. Zwei Söhne (meine Onkels) blieben in Russland. Der eine war vermisst und der andere Gefallen, wie man es damals nannte. Der dritte Sohn hatte sich in seiner Soldatenzeit eine Lungen-Tuberkulose zugezogen und starb ebenfalls noch vor Kriegsende. Vermutlich hatte ihm dieser familiäre „Aderlass“ das Herz so gebrochen, so dass er 1944 starb. Er selber hatte den I. Krieg überlebt und hätte alles gegeben, seinen Söhnen dessen Wiederholung zu ersparen. Das unselige Regime, dem er ebenso wie seine Kinder die Gefolgschaft (Parteimitgliedschaft) verweigert hatte, erledigte sich nur ein Jahr nach seinem Tod, Gott sei es gedankt, selber. Dieses Konglomerat der Erinnerungen veranlasste mich bereits am frühen Sonntagmorgen in die Tasten zu hauen. sig

Zur Erinnerung
Am 21. Januar 1957 werden erstmals Männer in der Bundesrepublik gemustert, nachdem 1956 die Wehrpflicht eingeführt wurde.
Reiters Morgenlied
Morgenrot, Morgenrot,
Leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen,
Dann muß ich mein Leben lassen,
Ich und mancher Kamerad,
Ich und mancher Kamerad!
Kaum gedacht, kaum gedacht,
War der Lust ein End gemacht!
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab,
Morgen in das kühle Grab!
Ach wie bald, ach wie bald,
Schwindet Schönheit und Gestalt!
Strahlst du gleich mit deinen Wangen,
Wie die Milch und Purpur prangen,
Ach, die Rosen welken all,
Ach, die Rosen welken all!
Darum still, darum still
Füg ich mich, wie Gott es will.
Nun, so will ich wacker streiten,
Und sollt ich den Tod erleiden,
Stirbt ein braver Reitersmann,
Stirbt ein braver Reitersmann!
Text: Wilhelm Hauff (1824)
Musik: schwäbisches Volkslied: „Ach wie bald ach wie bald „
Geschichte dieses Liedes: Ach wie bald ach wie bald
„Ach wie bald ach wie bald“ ist ein Volkslied, das erstmals um 1780 in Schwaben aufgezeichnet wurde. Es soll zurück gehen auf ein Abschiedslied von Johann Christian Günther, dass er einige Jahrzehnte zuvor gedichtet hatte. Auf die Melodie des um 1800 wohl sehr populären Liedes dichtete Wilhelm Hauff 1824 dann „Morgenrot Morgenrot“ über einen Soldaten, der in den Krieg ziehen und gemeinsam mit den anderen Soldaten sterben muss.
Wie gedacht (Abschied)
Abschied von seiner ungetreuen Liebsten
Wie gedacht,
Vor geliebt, jetzt ausgelacht
Gestern in die Schoos gerissen
Heute von der Brust geschmissen
Morgen in die Gruft gebracht
Wie gedacht,
Vor geliebt, jetzt ausgelacht
Dieses ist
Aller Jungfern Hinterlist
Viel versprechen, wenig halten
Sie entzünden und erkalten
Öfters, eh ein Tag verfließt
Dieses ist
Aller Jungfern Hinterlist.
Dein Betrug,
Falsche Seele, macht mich klug
Keine soll mich mehr umfaßen
Keine soll mich mehr verlaßen
Einmal ist vorwahr genug
Dein Betrug
Falsche Seele, macht mich klug.
Denke nur,
Ungetreue Kreatur,
Denke, sag ich, nur zurücke
Und betrachte deine Tücke
Und erwege deinen Schwur
Denke nur,
Ungetreue Kreatur!
Hastu nicht
Ein Gewissen, das dich sticht
Wenn die Treue meines Herzens
Wenn die Größe meines Schmerzens
Deinem Wechsel widerspricht?
Hastu nicht
Ein Gewissen, das dich sticht?
Bringt mein Kuss
dir so eilends Überdruß
Ey so geh und küsse diesen
Welcher dir sein Geld gewiesen
Das dich wahrlich blenden muß
Bringt mein Kuß
Dir so eilends Überdruß.
Bin ich arm
Dieses macht mir wenig Harm
Tugend steckt nicht in dem Beutel
Gold und Schmuck macht nur die Scheitel
Aber nicht die Liebe warm
Bin ich arm
Dieses macht mir wenig Harm
Und wie bald
Mißt die Schönheit die Gestalt!
Rühmstu gleich von deiner Farbe
Daß sie ihres gleichen darbe,
Auch die Rosen werden alt.
Und wie bald
Mißt die Schönheit die Gestalt!
Weg mit dir,
Falsches Herze, weg von mir!
Ich zerreiße deine Kette,
Denn die kluge Henriette
Stellet mir was Beßers für.
Weg mit dir,
Falsches Herze, weg von mir!
Text: Johann Christian Günther (1751)
Nach so viel Schwermut noch was Lustiges und gleichzeitig Nachdenkliches.
Bevor du stirbst
Bevor Du stirbst, und einziehst in die Fremde
Rasier dich noch und nimm ein reines Hemde
Mußt dir zuvor ne saubere Krawatte drechsl´n
Du kannst nachher die Wäsche nicht mehr wechsl´n
Leg dich bequem – befreit – von jedem Zwange
Du liegst in dieser Lage ziemlich lange
Nimm´n Kissen untern Kopf mit weißen Bündchen
Und mit der Aufschrift: Nur ein Viertelstündchen…“
Bevor Du stirbst, schau nach dem Wärmemesser
Stell die Heizung ab, für dich ist Kälte besser
Bestell den Milchmann ab, und auch den Bäcker
Zieh deine Uhr auf, aber nicht den Wecker
Und dann stirb pünktlich, die Frauen wollen zum Schneider
Sie können nicht trauern ohne Trauerkleider
Wenn du dann wartest mit dem Tode
Dann ist das Kleid schon wieder aus der Mode
Bevor du stirbst, das sollst du dir bedenken
Die dich geliebt, die sollst du reich beschenken
Doch es gibt Verwandte, die aufs Ende lauern
Wenn die nichts erben können die nicht trauern
Die gehen vom Grab direkt ins Weinlokale
Dort weint man nicht, man lacht beim Weinpokale
Sie trinken auf dein Wohl den Saft der Reben
Erst wenn du tot bist lassen sie dich leben
Drum – eh du stirbst – mußt du noch einmal lachen
Nicht denen – dir mußt du‘ ne Freude machen
Ruf diese Bande, kommen sie dann in Masse
Und können sie nicht traurig sein, zeig ihnen deine Kasse
Wenn sie die sehen, dann werden’s traurig sein
Und weinen dann ganz tüchtig,….?
Und wenn sie weinen zeig ihnen deine Lende
Und lach dich tot, das ist das schönste Ende
Text und Musik: Otto Reutter (*24. April 1870 † 3. März 1931)