Sittenverfall in der Medizin

Nicht erst durch diese Schlagseite in einer Boulevard-Zeitung sind viele Bundesbürger wach geworden. Eine schon fast unsittliche Form ärztlicher Abzocke breitet sich immer mehr in Deutschland aus.

So titelte heute eine große Boulevard-Zeitung

Wer einen Facharzt-Termin bekommen will muss oft so lange warten, dass manche Patienten daran verzweifeln. Wer allerdings mit Bargeld winkt, hat statt monatelanger Wartezeit innerhalb weniger Tage einen Termin.

Stimmt nicht? Stimmt doch. Ein Bespiel aus erster Quelle: Ein sehr guter Bekannter und Millionär ist, wie man vermuten darf, Privatpatient. Er brauchte einen MRT-Termin und rief in einer Nordrhein-Westfälischen Fachpraxis an um den zu erhalten. Völlig ohne Absicht, erwähnte er nicht, dass er privatversichert sei. „Keine Chance, höchstens in vier Monaten“, erfuhr er am Telefon, wenn er allerdings bereit sei 400 Euro zu bezahlen, könne er schon am nächsten Tag kommen.

Das ist ein Hammer und vermutlich kein Einzelfall. Einer Kassenpatientin diagnostiziert der Hausarzt den Verdacht auf das unter Umständen lebensbedrohliche Vorhofflimmern.

Mit dem Befund in der Hand suchte sie einen Kardiologen auf. Der nächste freie Termin für sie sei frühestens in drei Monaten. Auf ihren Einwand, dass es für sie doch sehr dringend sei, bekam sie zu hören, dass sie dann doch zur Notaufnahme ins nächstgelegene Krankenhaus gehen könne.

Eine andere Patientin leidet seit fast vier Monaten unter großen Schmerzen in den Extremitäten. Der Facharzt: „Ich muss erst ein MRT haben, sonst kann ich keine Diagnose erstellen.“ Sie bekam einen DIN A 4- Bogen mit möglichen Adressen, die sie abtelefonieren sollte. Alle neun angerufenen Praxen lehnten aus Mangel an Terminplätzen ab. In ihrer Not schaltete sie ihre Krankenkasse ein, die ihr in sechs Wochen einen Untersuchungstermin in Weilburg verschaffte. Alles gut. Die MRT-Untersuchung klappte zügig und routiniert, aber es war kein Arzt zur Stelle. Wieder in der Praxis ihres Facharztes beharrte der auf einem Befund und empfahl in Dillenburg, dem Co-Krankenhaus von Weilburg anzurufen. Gesagt getan. Nun bekam sie die Auskunft, dass es für beide Krankenhäuser nur einen Radiologen gäbe und daher könne es noch länger dauern, bis ein Befund erstellt werde.

Nun sind seit der ersten Kontaktaufnahme mit einem Arzt fast fünf Monate vergangen und die Schmerzen sind immer noch da. Ein Einzelfall? Mitnichten.

Wer mit offenen Ohren durchs Leben geht erfährt ständig von solchen Fällen und auch von den sogenannten IGeL, den sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen, zu denen die Patienten nicht selten förmlich genötigt werden.

Die Verbraucherzentrale NRW e.V. dazu: „Der IGeL-Markt wächst seit vielen Jahren kontinuierlich. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil angebotene und abgerechnete Selbstzahlerleistungen nicht systematisch erfasst werden. Als Gründe gibt der IGeL-Monitor beispielsweise an, dass IGeL keiner einheitlichen Definition unterliegen und dass Anbietern keine Grenzen gesetzt sind. Denn in der ärztlichen Praxis dürfen auch Verfahren praktiziert werden, bei denen eine Wirkung nicht nachgewiesen ist. Dies betrifft besonders die Alternativmedizin, da sie beliebige Behandlungen als Heilverfahren anbieten kann.

Wir haben das beste Gesundheitssystem, dass man sich nur denken kann, tönen regierungsunkritische Zeitgenossen. Das stimmt, aber nur für die Menschen, die bereit und in der Lage sind zu zahlen.

Der große Rest muss sehen wie er über die Runden kommt. Mediziner, die sich an kranken und hilflosen Menschen bereichern und sie in ihrer körperlichen- und seelischen Not hängen lassen, sollten sich schämen.

Möglicherweise gehen diese Mediziner aber auch nach dem Grundsatz vor, dass in Deutschland weder der Eid des Hippokrates noch das Genfer Gelöbnis nach der Approbation verpflichtend geleistet wird. Dieser werde lediglich in medizinethischen Diskussionen als ethische Richtlinie beziehungsweise als Ehrenkodex argumentativ angeführt.

Der Ärztliche Berufsverband Hippokratischer Eid e.V.: „Der freie Arztberuf ist in großer Gefahr, wie auch die Rechte von Patienten und Patientinnen.

Veränderungen und Verbesserungen im Gesundheitswesen sind dringend nötig, sonst nehmen die kommerziellen Interessen noch mehr überhand. Wir setzen uns ein für die ärztliche Therapiefreiheit wie auch für die Patientenrechte und eine freie Impfentscheidung.

Ein Lichtblick?: „Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz hat der Bundestag eine wichtige Verbesserung beim Abbau der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland beschlossen. Die SPD-Fraktion hat durchgesetzt, dass die Terminvergabe vereinfacht und beschleunigt wird und Ärztinnen und Ärzte ihre Sprechzeiten für gesetzliche Versicherte ausweiten müssen. Dafür werden sie besser vergütet. Auch für unterversorgte Gebiete auf dem Land wird es Verbesserungen geben. Das ist Politik für ein solidarisches Land. Das war 2019.

 Die CDU 2018: „“Um den Zugang zur medizinischen Versorgung für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern, setzen wir künftig auf drei entscheidende Faktoren: Die Mindestsprechstundenzeit wird von 20 auf 25 Stunden erhöht. Die Terminservicestellen, die bereits heute dabei helfen, Patienten einen Termin beim Arzt zu vermitteln, werden ausgebaut. Sie sind unter der einheitlichen Rufnummer 116117 künftig 24 Stunden täglich an 7 Tagen in der Woche erreichbar. Sie vermitteln künftig nicht nur Termine bei Fachärzten nach Überweisung, sondern auch Termine bei Haus- und Kinderärzten im Akutfall und unterstützen die Patienten auch bei der Suche nach einem Arzt/einer Ärztin die dauerhaft behandelt. Darüber hinaus müssen Arztgruppen, die grundversorgend tätig sind, (z.B. Hausärzte, Gynäkologen, konservativ tätige Augenärzte…) mindestens 5 Stunden in der Woche als offene Sprechstunde anbieten.“

Mittlerweile schreiben wir 2023. sig

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