Stoppt den russischen Machthaber

Ein Kommentar von Siegfried Gerdau

Mir geht es gerade so wie diesem Buchenblatt. In der Theorie habe ich zwar drei Jahrzehnte meines Lebens alle bewaffneten Auseinandersetzungen durchgespielt, war aber davon überzeugt, dass all das Theorie bleiben würde. Jetzt nach vielen Jahrzehnten trügerischer Sicherheit, hat mich die brutale Realität menschlicher Unzulänglichkeit und Perversion auf den Boden der Tatsachen gebracht.

Foto: Siegfried Gerdau

Wie kann es sein, dass ein Mensch es schafft Millionen seiner Artgenossen zu beherrschen und sogar die Welt mit Angst und Schrecken zu überziehen. Das fragte mich dieser Tage eine Frau und ich antwortete ihr, dass mich diese Frage schon mein ganzes Leben lang beschäftigt. Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass ein deutscher Massenmörder bewiesen hat, dass es leicht möglich ist.

Warum so etwas immer wieder möglich ist und mit allen Mitteln bekämpft werden muss, kann man bei Gustave le Bon in „Psychologie der Massen“ nachlesen.

Eine Wiederholung solcher oder ähnlicher Ereignisse hielten wir Nachkriegsgenerationen für nahezu ausgeschlossen. Ungeachtet der Tatsache, dass seit damals Krieg in vielen Ländern der Erde stattfand und noch immer stattfindet, fühlten wir uns in Sicherheit und all das Elend, weit von uns entfernt, tangierte uns nicht einmal peripher.

Dieses, wie man jetzt weiß, trügerische Sicherheitsgefühl trieb einst zehntausende jährlich zu Ostern auf die Straßen. Die Demonstranten wollten alle Schwerter zu Pflugscharen machen und sogar die Bundeswehr abschaffen. Soldaten die sich in Uniform in der Öffentlichkeit sehen ließen, wurden als Mörder beschimpft. Petra Kelly und Klaus Bastian, er selber ein hochrangiger Offizier, gründeten eine Partei, die sich an die Spitze der Friedensfreunde setzten. Die Mächtigen der Sowjetunion sahen es mit Wohlwollen und förderten die „Umweltpartei“ aus Altkommunisten und Weltverbesserern.

Konservative Kräfte, die sich ungeachtet dieser Abrüstungsbestrebungen für eine wehrhafte Demokratie einsetzten, wurden im Parlament ausgebuht und als ewig gestrige Reaktionäre beschimpft und gebrandmarkt.

„Wir sind rundherum ausschließlich von Freunden umgeben. Wozu brauchen wir noch eine Bundeswehr, die nur Geld kostet“, tönte es erfolgreich aus den linken Lagern und die Armee wurde abgebaut. Wandel durch Handel war die Devise und die politischen Schwerpunkte verlagerten sich auf Klimaschutz, Genderismen und ein wenig Friedenspolitik in den Brennpunkten der Welt.

Die Bundeswehr wurde faktisch zur Berufsarmee umgebaut. Schon bald fehlte nicht nur das Reservoire an Wehrpflichtigen zum Nachfüllen der Zeit und Berufssoldaten-Kontingente, sondern auch die Reserven schmolzen wie Butter an der Sonne. Reservelazarette, bis dahin in zahlreichen Krankenhauskellern verstaut, verschwanden ebenso, wie Luftschutzbunker für die Bevölkerung. Man war ja ausschließlich von Freunden umgeben. Neubauten von Kasernenblöcken wurden ohne die einst obligatorischen Luftschutzkeller hochgezogen. Nur mit großer Mühe und oftmals ohne die nötigen Mittel, waren neue Waffensysteme zu installieren. Handtaschen und Regenschirme für die Damen in Uniform hingegen schon.

Auf einmal geriet das friedlich-fröhliche Leben der Bundesbürger ein wenig in Unruhe. Eine Pandemie verhinderte zeitweise die von Geburt an „verbrieften“ Ansprüche auf Wohlstand mit Erst-und Zweitwagen, Urlaubsreisen und allem was dazu gehört. Eine neue Regierung, zwar nur von wenigen direkt gewählt, erinnerte an die Grenzen des Wohlstandes mit all seinen Risiken. „Alles was zu viel Spaß macht schadet der Umwelt und damit der ganzen Welt. Völlerei in physisch- und psychischen Formaten ist eh der Gesundheit abträglich“, hieß es. Parallel zu diesen neuen Dogmen stiegen die Preise.

Dass in vielen deutschen Nachbarländern, wie zum Beispiel in der Ukraine, derartige Diskussionen, soweit dort bekannt, als Abstraktion empfunden werden, interessierte nur einen verschwindend kleinen Teil der Wohlstandsbürger. Den Menschen in diesem Land geht es bis auf einige Ausnahmen einfach nur schlecht. Wer das Elend in dem großen Land einmal erlebt hat, weiß wovon ich rede.

Mit einem Schlag, nämlich am 24. Februar 2022, änderte sich alles. Ein Mann, den die Welt bisher eher geschätzt als verachtet hatte, legt den Hebel in seinem Kopf um und will das Rad der Geschichte zurückdrehen. Die russische Armee greift mit Bomben, Raketen und Panzern das Bruderland Russlands an, um es niederzuringen. Vielleicht träumt der 69-jährige Wladimir Wladimirowitsch Putin von dem ehemaligen sowjetischen Imperium und möchte es noch vor seinem Ableben wieder herstellen. Das große Russland ist ihm zu klein geworden, aber die Welt wird seinen Expansionsplänen einen Riegel vorschieben. Hoffentlich?

Dass die Ukraine einst die Wiege Russlands war, ist ihm dabei ebenso egal, wie das Schicksal der heute 41 Millionen Menschen. Den meisten von ihnen ging es schon lange vor dem Einmarsch Russlands schlecht und jetzt droht ihnen auch noch der Verlust der wenigen Habe und sogar des Lebens.

Zurück nach Deutschland. Der Weckruf durch den Donner der russischen Waffen, hat die politischen Akteure unseres Landes gehörig aufgeschreckt. Die Falken im Land fühlen sich in ihrer Meinung bestätigt. Die wenigen Schwerter, die nicht zu Pflugscharen umgeschmiedet wurden, reichen hinten und vorne nicht. Der oberste Heeresgeneral Mais sagte es deutlich und „fühlt sich angefressen.“

Putin ist angefressen, aber dies eher in seinen Gehirnregionen. Er, der Mann, der die Annehmlichkeiten eines Oligarchen in vollen Zügen genießt, droht ungeniert mit der Atombombe. Das würde das Ende der Zivilisation bedeuten. Das ist Wahnsinn und kann nur pathologische Ursachen haben. Wer fällt diesem Mann in den Arm, bevor er die Knöpfe drückt.

Die Entscheidung unsere Bundeswehr massiv aufzurüsten ist sicher richtig, kommt aber zu spät. Als der bisher eher farblose Kanzler Scholz diese Entscheidung im Parlament verkündete, klatschten (fast )alle. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauk auf der Zuschauerbank nicht. Mit Beten und Kirchenglockenläuten wird sich Putin jedoch nicht abschrecken lassen und beten hilft den armen Menschen in der Ukraine ebenfalls wenig.

Hoffen wir alle, dass die Mächtigen der vernünftigen Länder der Welt die Nerven bewahren und das russische Volk sich gegen die Kriegstreiber im eigenen Land auflehnt. Lasst uns das ukrainische Volk wenigstens jetzt massiv unterstützen und öffnet den Menschen, die es geschafft haben sich aus ihrer Heimat in Sicherheit zu bringen, alle Türen.

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