Von Siegfried Gerdau
Sie ist Beichtmutter, seelischer Mülleimer und vor allem eine sehr warmherzige, verschwiegene Gesprächspartnerin. Nein, Anja Hähner ist keine Sozialarbeiterin, sie betreibt seit fast genau 7 Jahren die Frittenbude Tweety’s in der Herborner Bahnhofstraße, genau gegenüber der Sparkasse. Currywurst mit Pommes in mehreren Ausführungen sind das Kerngeschäft der 54-jährigen Frohnhäuserin.
Ihr Sohn Andy ist der Namensgeber des schmucken Imbisses. Er sagte als kleiner Junge immer Tweety zu ihr. Woher er diesen Namen hatte, wusste keiner. Da Tweety jedoch geschützt ist, hängten die Hähners einfach noch ein s dran. Eigentlich wollte Anja ja eine Waffelbäckerei in der Innenstadt von Herborn aufmachen. Das zerschlug sich aber aus den unterschiedlichsten Gründen. Da sie schon immer mit Leib und Seele kochte und das ganz sicher nicht schlecht, wurde eine Imbissstube daraus. Um die etwas zurückgebliebene Frittenbude am Pertuisplatz musste sie hartnäckig werben. Schließlich hatte der Eigentümer ein Einsehen und richtete das Anwesen mit viel Engagement und Geld wieder her.
Anja Hähners Traum von der Selbstständigkeit verwirklichte sich. Schon lange hat sie ihre Stammkunden und die halten ihr nicht nur wegen der leckeren Würste die Treue. Gerade kommt eine junge Frau und möchte eine Portion Pommes mit Mayonnaise haben. Bezahlen will sie die mit einem Gewinnschein aus der letzten Weihnachtsverlosung. Auch das gibt es bei Anja. Jedes Jahr schon Anfang November beginnt der Losverkauf bei Tweety’s und der geht bis kurz vor Weihnachten. Jedes Los gewinnt, aber am meisten gewinnt zum Beispiel die Kinder-Krebsstation in Gießen, die den Gewinn aus der Aktion erhält. Wer Glück hat, zieht eines der süßen Tierchen, die Anja Hähner in ihrer ohnehin knappen Freizeit selber bastelt. Die kann man aber auch bei ihr an der Bude, direkt von dem Ausstellungs-Baum auf der Theke, für kleines Geld kaufen.
Immer mittwochs gibt es bei der zweifachen Mutter und jungen Großmutter leckeren, selbstgebackenen Kuchen. Wie sie dafür noch Zeit hat, weiß sie selber nicht. Sie liebt die Menschen und behandelt alle mit dem gleichen Respekt. Besonders ihre jungen Kunden, die oft „ihrer“ Anja nur ein wenig erzählen wollen, haben sie ins Herz geschlossen. Vielleicht ist das der Grund warum ihr Verkaufsstelle noch nie mit Graffiti beschmiert oder sonst irgendwie beschädigt wurde. Dirk Ronzheimer von der Herborner Stadtverwaltung antwortet ganz pragmatisch auf die Frage, warum er denn hier seinen Mittagsimbiss kauft: „Weil es immer gut schmeckt und die Chefin so nett ist“. Sehr Stolz ist Anja auf die Tatsache, dass sie gerade wieder einmal die Kontrolle der Lebensmittelüberwachung ohne jegliche Beanstandung hinter sich gebracht hat. Das ist für die fleißige Frau Ehrensache. „Sauberkeit steht für mich an erster Stelle“, stellt sie in aller Bescheidenheit fest.
Die Corona-Pandemie macht auch ihrem Geschäft zu schaffen. Obwohl ihr Stand mustergültig und entsprechend der Hygienevorschriften ausgerüstet ist, kommen gerade die Laufkunden seltener. Dann ist es oftmals eng. Unterstützung bekommt sie keine und sie muss sehen wie sie über die Runden kommt. Das betreffe sie aber nicht alleine, stellt sie mit einem feinen Lächeln fest und taucht den Korb mit Fritten in das sprudelnde Fett. Das Leben geht weiter und die Kunden haben Hunger auf das leckere Essen bei Tweety’s. Fotos: Gerdau