Von Hans-Dieter Wieden
Der Herborner Stadtanzeiger soll mit Wirkung zum 30. September 2020 ersatzlos eingestellt werden.
Ende August hat die Stadtverordnetenversammlung entschieden, die Hauptsatzung zu ändern. Ab 1. Oktober sollen amtliche Bekanntmachungen nur noch online auf der Homepage der Stadt Herborn erfolgen.
Dass damit auch die Einstellung der seit 2006 bestehenden Publikation verbunden ist, kann man nicht mal der „offiziellen Seite“ des Herborner Stadtanzeigers auf der städtischen Homepage https://www.herborn.de/nc/unsere-stadt/stadtanzeiger-herborn/ entnehmen.
Der Eindruck verfestigt sich, dass mal wieder entschieden wurde, ohne erkennbar die Alternativen zu prüfen oder gar die Bevölkerung zu fragen.
Es ist leider zutreffend, dass die finanzielle Situation nicht erst seit Corona die Stadt zwingt, zu sparen. Sparen gehörte noch nie zu den hervorstechenden Tugenden kommunaler Politik und ist sicher auch nicht leicht, da Einsparungen und die Minderung von Dienstleistungen Widerstand bei den Betroffenen erzeugt. An dieser Stelle Ende mit Mitleid mit den Entscheidungsträgern.
Wirtschaftlichkeit der Entscheidung
Der Veröffentlichung im Stadtanzeiger vom 12. September 2020, der das Aus in zwei Wochen verkündet, ist nicht zu entnehmen, wie viel denn die Stadt jetzt nun jährlich einspart. Es ist die Rede von einem „hohen Kostenblock“, ohne dies näher zu erläutern.
Für Kenner der Materie, man hatte sich damals entschieden, ein eigenes Amtsblatt (so hieß es damals noch) herauszugeben, war die Entscheidung Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Es war im Ergebnis wirtschaftlicher ein Anzeigen finanziertes Mitteilungsblatt herauszugeben, als weiter teure Anzeigen für die amtlichen Bekanntmachungen in den Zeitungen zu schalten. Das finanzielle Risiko für das für die Stadt und die Bevölkerung kostenlose Amtsblatt als Vorläufer des Stadtanzeigers trug der damalige Verlag, der viele vergleichbare Mitteilungsblätter in Hessen anbot.
Gut, die Zeiten haben sich geändert. Die Presselandschaft hat sich geändert.
Die Lesegewohnheiten ändern sich stetig, aber es gibt sie noch, die Menschen in unseren Reihen, denen es wichtig ist, Nachrichten Schwarz auf Weiß und auf Papier zu lesen und entweder das Internet meiden oder sich nur mit Mühe dort zurecht finden.
Die Kosten auch für Druckerzeugnisse sind gestiegen. Mir stellen sich für die Beurteilung der weitreichenden Entscheidung, den Herborner Stadtanzeiger einzustellen, folgende Fragen:
- Wie hoch ist das Volumen, dass die Stadt durch diese Entscheidung jährlich einspart
- Wie hoch sind die Kosten für eine Ausgabe des Herborner Stadtanzeigers
- Welche Alternativen wurden geprüft und wenn nicht, warum nicht?
- Der Stadtanzeiger erscheint vorübergehend nur noch alle vierzehn Tage
- Die Abgabe der Druckausgabe erfolgt gegen Entgelt oder im Abonnement
- Die Finanzierung erfolgt durch Werbung der örtlichen Gewerbetreibenden
Kosten-/Nutzenanalyse
Neben einer reinen Kostenbetrachtung beinhaltet eine Wirtschaftlichkeitsanalyse auch die Betrachtung des Nutzens. Ergebnis ist die Antwort auf die Frage:
„Überwiegt der Nutzen die Kosten.“
Seit der Erstausgabe unseres Herborner Stadtanzeigers hat sich viel auch inhaltlich getan. Das Layout ist heute modern gestaltet, aus dem Amtsblatt wurde ein Mitteilungsblatt und später ein Blatt, dass in seiner Aufmachung mit den Anzeigenblättern und mancher Zeitung mithalten kann.
Der Nutzen der wöchentlich erscheinenden Publikation mit lokalem Bezug liegt in der Information der Bevölkerung, die durch andere Presseorgane nicht möglich ist.
Im Stadtanzeiger erscheinen Nachrichten über und für Herborn, die für ein Verlagshaus mit Sitz in Mainz völlig uninteressant sind. Es gibt nicht mal mehr eine Lokalredaktion in Herborn und die Geschäftsstelle wurde auch schon vor Jahren geschlossen.
Pressemitteilungen über Veranstaltungen der Herborner Vereine erscheinen im Herborner Tageblatt gar nicht oder bis zur Unkenntlichkeit gekürzt. Das gilt gleichermaßen für Ankündigen wie Berichte über die Veranstaltung. In den durch Werbung finanzierten Anzeigenblättchen werden ohnehin nur Terminankündigungen veröffentlicht und in der Regel auch nur dann, wenn man die Online Plattform des Verlages nutzt.
Besserung ist nicht in Sicht.
Bürgerbindung und Transparenz
Der Herborner Stadtanzeiger hat über die vielen Jahre seit seinem Erscheinen, zur Bindung der Bevölkerung zu unserer schönen Heimatstadt Herborn beigetragen.
Allein die Vielfalt an Veranstaltungen der Stadt, des Stadtmarketings und des Werberings sowie der vielen aktiven Vereine in der Kernstadt und den Stadtteilen zeigte, wie lebendig Herborn ist. Darüber sollte auch zukünftig in einer städtischen Publikation berichtet werden.
Wer Transparenz von kommunalpolitischen Entscheidungen und Entscheidungen der Verwaltung will, kann auf eine eigene Publikation nicht verzichten, wenn er nicht Teile der Bevölkerung vom politischen Diskurs ausschließen will.
Fazit
Die Entscheidung der Stadtverordneten, den Herborner Stadtanzeiger einzustellen, war übereilt und sollte nochmals überlegt werden. Es gibt sicher Alternativen.
Die Wirtschaftlichkeit im Sinne der Abwägung von Kosten-/Nutzen und Alternativen sind vorrangig zu prüfen, bevor wir eine wichtige Informationsquelle gerade für die Digitalisierung ferne Bevölkerung einfach so opfern, ohne sinnvoll darüber nachzudenken.