Von Siegfried Gerdau
Warum erst lange Strecken mit Auto und Fahrrad am Heck fahren, wenn die schönsten Radwege praktisch direkt vor der Haustüre beginnen. Einen davon haben wir am Mittwoch wieder einmal unter die Pneus genommen und festgestellt, dass der R 8 bei weitem nicht so bekannt ist wie der Lahnradweg. Das ist sehr schade und deshalb möchte ich hier einmal Werbung für einen kleinen Ausflug mit dem Rad in den schönen hessischen Westerwald machen.
Der schon seit vielen Jahren ausgebaute Weg auf der ehemaligen Westerwald-Querbahn von Herborn über Driedorf nach Rennerod war das Objekt unserer pseudo-sportlichen Begierde. Pseudo-sportlich wegen der relativ geringen körperlichen Anforderung. Auch Anfänger, besonders wenn sie mit Pedelecs ausgestattet sind, haben hier keine Probleme. Dennoch verbraucht man auf der Strecke Kalorien und die Muskulatur wird zwar sanft aber dennoch gefordert. An Wochenenden kann man ab Herborn, Bischoffen oder Driedorf mit der Blauen-Buslinie fahren und jederzeit auf der Strecke zwischen Aartalsee und Driedorf zu-oder aussteigen. Das Bike fährt sicher auf dem Busanhänger mit. In der Woche heißt es entsprechend etwas anders zu planen.
Wir fuhren vom Herborner Schießberg durch die Stadt und dann nach Burg zum Kreisel. Um es gleich vorab zu sagen, die Durchfahrt durchs schöne Herborn ist eher ein Durchmarsch. Vom Obertor-Kreisel in Richtung Burger Kreisel ist die Fahrt auf den „Radwegen“ dann jedoch eine Zumutung. Die Radfahrer müssen sich Anfangs die Straße mit PKW und LKW teilen und anschließend zwischen den mehr oder weniger zahlreichen Fußgänger auf dem Bürger-Fahrradsteig Slalom fahren. Wenn das Burger Eck geschafft ist, bleibt nur noch die Fußgängerampel vor dem Burger Ortsausgang. Dann wird es romantisch. Gemäß der gut sichtbaren Ausschilderung geht es immer am Bach entlang, an dem ehemaligen Möbelgeschäft vorbei und am Ortsausgang Uckersdorf (Achtung gefährlich!) über die Straße auf den Radweg Richtung Schönbach.
Sehr entspannt erreicht man Amdorf und danach die Steinmühle rechts am Weg. In Schönbach wird es etwas anstrengender. Man muss ansteigend durch den Ort und auf Höhe Jungbecker geht’s am Friedhof vorbei wieder auf die alte Bahnstrecke. Warum die Strecke durch den Schönbacher Tunnel einst nicht ausgebaut wurde, bleibt ein Rätsel. Das wäre ein Highlight auf dem ansonsten wunderschönen Weg. Jetzt geht der Radweg fast unmerklich stetig bergan durch wunderschöne Laubwälder, entlang an grünen Wiesen und Weiden.
An einem der schönsten Übersichtspunkte auf halber Strecke zwischen Schönbach und Driedorf steht ein großes Kreuz. Dort lässt sich prächtig in die Ferne bis hin zur Angelburg, Sackpfeife und nach Herborn zu Reuterberg schauen.
Bänke laden zum Verweilen und zum Verzehr des Pausenbrotes ein. Vorbei an dem Sägewerk in Roth geht es rechts ab, ein Stück entlang des Bahnhofs und wieder auf die alte Bahnlinie.
Das Radverkehrsaufkommen hält sich in Grenzen und wenn die dynamischen „Radweltmeister“ nicht wären könnte man der scheinbar unberührten Natur noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Entlang der Strecke würde ein Fahrradklingelverkäufer steinreich werden. Fast kein Radfahrer scheint eine der preisgünstigen Warneinrichtungen zu besitzen. Das erinnert stark an die vielen defekten Blinkeinrichtungen an PKW.
Es geht an einem wunderschönen, idyllischen See vorbei, dem einst der triste Namen „Speicherbecken Heiligenborn verpasst wurde“. Im Herzen von Driedorf erreicht man das ehemalige Junkern-Schloss.
Wer jetzt noch mag, kann entlang der Talsperre Driedorf zur Krombachtalsperre weiterfahren und von dort aus über die Landesgrenze ins Rheinland-Pfälzische Rennerod. Wir zogen es vor, nach einem kleinen selbst mitgebrachten Imbiss am Junkernschloss, der Rückweg anzutreten und mit mehr als die Hälfte gefülltem Akku erschöpft aber glücklich in Herborn anzukommen. Wie gut, dass es in der Altstadt drei Eisdielen gibt.
Anmerkung zum Foto mit dem Text“ Fachwerkhaus in Schönbach“ könnte man noch ergänzen:
„Im Vordergrund ehemaliger Weinkeller aus dem Jahre 1832“