Reisen bildet, sagt man und wer reist lernt Menschen kennen. Diese alte Weisheit hatte nicht nur zu Zeiten Goethes ihre Berechtigung. Gleichzeitig den Leuten auf Maul zu schauen, wie es Luther in der Deftigkeit seiner Sprache sagte, eröffnet Horizonte und einen Weitblick, der weit über den eigenen Kirchturm hinweg geht.
Gerade während meines letzten, mehrwöchigen Aufenthalts in Nordfriesland, hatte ich immer wieder Gelegenheit mit den unterschiedlichsten Angehörigen vieler Gesellschaftsschichten und Herkunft zu sprechen. Auffällig war, dass immer wieder und bereits schon nach kurzer Zeit die Rede auf Deutschland kam. Es waren keine Schwurbler, Querdenker oder Mitglieder extremer Gruppen mit denen ich ins Gespräch kam, sondern ganz normale Bürger aus der Mitte unserer Gesellschaft.
Der fast einhellige Tenor war, dass Deutschland ein schönes, auch Reisens-Wertes Land sei, aber die Rahmenbedingungen sich im täglichen Leben negativ verändert hätten. Nicht wenige unter ihnen wurden sehr konkret und kamen auf die Punkte, die ihnen zu schaffen machen. An erster Stelle standen immer wieder die weltweit höchsten Strompreise. Gerade in einer Region, in der Windrad an Windrad steht, sei es nicht nachvollziehbar, dass elektrischer Strom immer teurer würde, während gleichzeitig die Elektrizitätsunternehmen exorbitante Gewinne einführen.
Die immer stärker steigenden Lebensmittelpreise in Verbindung mit ständigen Miterhöhungen, sind für viele Menschen nahezu existenzbedrohend. Diese unguten Entwicklungen würden von Regierungsparteien, die von den wenigsten Wählern gewollt waren, völlig ignoriert. „Wer kann sich denn mal eben ein E-Auto für 60 000 Euro kaufen“, hört man ein ums andere Mal. Die Erhöhung des Mindestlohns um wenige Cent, empfinden die Betroffenen als reinen Populismus und nicht selten als „Verarschung“ der arbeitenden Bevölkerung. Ebenso drastisch äußern sich Gesprächspartner über die geplanten Heizungsgesetze und CO 2- Steuern. Deutschland sei das Land mit den höchsten Abgaben und die Regierung, die von Ideologen geführt werde, überlege ständig, was man aus dem immer kleiner werdenden Anteil seiner steuerzahlenden Einwohner noch herauspressen könne.
Auch die Rente ein Dauer-Gesprächsthema. Mit lockerer Hand treibe man das Renteneintrittsalter immer höher und den Rentensatz durch Steuern immer mehr nach unten. Es habe in Deutschland mal eine Partei gegeben, die sich um den arbeitenden Teil der Bevölkerung bemüht habe, um gemeinsam mit den Gewerkschaften deren Los zu verbessern. Heute gehe es der, gemeinsam mit den Grünen, im Schwerpunkt um die Verbesserung des Weltklimas.
Ebenfalls hört man: „Deutschland hat seine Vorreiterrolle bei der Industrialisierung abgegeben. In der Bildungspolitik hinkt das Land erheblich hinter her.“ Da ist sehr viel Wahres dran. Laut der letzten PISA-Studie (22.11.2022) belegt Deutschland mit einer Quote von 23,8 Prozent Platz 30 – hinter Großbritannien (19,0 Prozent), Schweden (19,2 Prozent), den Niederlanden (19,4 Prozent), Frankreich (22,2 Prozent), Portugal (22,7 Prozent) und Russland (23,7), gleichauf mit Spanien, vor den USA (24,7 Prozent) und der Türkei (34,2 Prozent). Sicher kein Ruhmesblatt für das einstige Land der Dichter und Denker.
Während im Land große Bauprojekte wie der Flughafen Schöneberg völlig in die Hose gehen, findet man in Berlin geradezu ein Beispiel politischer Gigantomanie. Obwohl sich Deutschland in der größten Energiekrise seit Jahrzehnten befindet, lässt es sich die politische Führung in Berlin nicht nehmen, für eine monströse Summe von mindestens 777 Millionen Euro einen neuen Prachtbau ins Berliner Regierungsviertel zu stellen. Olaf Scholz (SPD) verteidigt den Bau wie folgt: „Es handelt sich um ein antifaschistisches Symbol.“ Mit dem geplanten „Burg-Graben“ vor dem größten Parlament der Welt, sollen dann die Parlamentarier vor Angriffen aus ihrem Volk geschützt werden.
Beschwichtigungen seien völlig fehl am Platze, höre ich ebenfalls öfter. Die Menschen die ich erlebt habe sind verärgert, fühlen sich ausgenutzt und alleine gelassen. Wen wundert das noch. Auch die oppositionelle CDU mit Friedrich Merz an der Spitze bekommt ihr Fett ab. „Warum lassen die diesen Irrsinn eigentlich zu?“, fragt mich ein Ehepaar. Die Beiden erwarten eine schärfere Herangehensweise. Die Frau hat außerdem große Sorgen, dass sich Deutschland blauäugig in einen III. Weltkrieg hineinziehen lasse, der dann im Zentrum Europas ausgetragen werde. Diese Befürchtung habe ich wiederholt gehört und mir meist eine Antwort verkniffen. Ein Gesprächsteilnehmer forderte hingegen den Einsatz von Atomsprengkörpern gegen Russland. Dazu fiel mir dann überhaupt nichts ein.
Was ich aus den vielen Gesprächen mitnahm, indem ich den „Menschen aufs Maul schaute“, ist die Tatsache, dass die meisten Bürger durchaus einen Riecher dafür haben, was nicht besonders gut läuft. Schlafschafe, wie gerne behauptet wird, sind sicher die Wenigsten. Eines wird sehr deutlich, „die da unten“ wollen keine Politiker, die lediglich ihre eigenen Interessen und Ideologien verfolgen. Der bei den Inthronisationen geschworene Eid: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widme, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfülle und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“, sollte oberste Maxime sein.
Politiker die demnach handeln, brauchen keine Angst vor extremen Parteien zu haben. Das Volk, ihr Volk wird dies mit Treue und ihrer Wiederwahl honorieren. sig