Von Siegfried Gerdau
Hatice Kücük (31) ist Chief Executive Officer (CEO) in einem britischen Unternehmen und berät in dieser Eigenschaft weltweit Politiker und Großunternehmen. So ganz nebenbei gründet sie schon in den nächsten Tagen ihr eigenes Familienunternehmen. Sie heiratet den Australier Eren Beton im Herborner Standesamt.
In den vergangenen fünf Jahren hat ihr britisches Politik-Beratungsunternehmen das Ressort Gesundheit und Infektion aufgebaut. Sie als CEO berät mit ihren Mitarbeitern zum Beispiel die G 20-Länder. Die G 20 setzt jedes Jahr eine neue Schwerpunkt-Agenda. Ihr Unternehmen ist im Bereich Gesundheit die Aktive. „Wir vertreten zurzeit die Interessen von 25 globalen Gesundheitsorganisationen, aber dies nicht ausschließlich“, betont Kücük. Mit diesen zusammen eruieren sie „was sind die gemeinsamen Probleme im Bereich Gesundheit.“ Die Ergebnisse sollen dann in die G20-Agenden einfließen.
Das Pandemie-Management sei bereits 2017 durch Deutschland, auf dem damaligen G20- Gipfel sehr stark in den Vordergrund gerückt worden. Damals gab es die Ebola-Krise und Deutschland hatte eine Krisensimulation in den Gipfel eingebracht, erinnert sich Hatice. Das alles interessierte damals bei uns kaum jemand, weil es ja „lediglich“ in Afrika ein Problem war. „Seit 2017 unterstützen wir die Gesundheitsthemen in der G20 und legen den Staaten immer die Themen und Gefahrenbereiche vor, auf die sie sich fokussieren können.“
Antibiotika-Resistente bedrohen die Weltgesundheit
„Wenn man bis spätestens 2030 beziehungsweise 2050 keine Vorkehrungen trifft, werden viel mehr Menschen an Antibiotika-Resistenten sterben als durch Krebserkrankungen“, warnt die Wissenschaftlerin. Dies sei vielen Menschen überhaupt noch nicht bewusst. Diese Pandemien könne man durchaus als Schleichende und Unsichtbare bezeichnen. Die WHO habe bereits 2012 vor der aktuellen Pandemie gewarnt und prognostiziert, dass diese die Weltwirtschaft viel mehr attackieren werde, als die Weltwirtschaftskrise 2008. Genau dies sei nun eingetreten. Die Welt-Wirtschaft werde bis 2020 mit 22 Billionen Euro belastet. Bereits schon jetzt haben die Länder 11 Billionen in die Bekämpfung gesteckt.
Gesundheit sei bis 2017 immer das Ressort der Gesundheitsminister gewesen. Den Finanzministern sei es salopp gesagt egal. Unser Unternehmen hat seitdem immer wieder den Finanzministern der einzelnen Staaten versucht klarzumachen, dass Gesundheit eine Investition ist. Die Türen seinen ihnen damals noch zugeschlagen worden, weil es ja nicht ihr Ressort sei. Als dann die Pandemie kam, änderte sich alles. Dieser „Weckruf“ habe alle erreicht, sagte Hatice Kücük. Jetzt ging es plötzlich ums Geld, dass nicht in ausreichender Menge bereitgestellt wurde oder einfach nicht verfügbar war. Wo die Gelder vorhanden waren, verursachte oft das Management, das Problem.
Pathogene bedrohen die gesamte Welt
Genau das ist jetzt ihr Themenbereich. Sie will und muss nach ihrem Verständnis die Finanzminister erreichen, damit die deutlich besser kooperieren. Auf meine Frage, warum die grassierenden Pandemien plötzlich und gerade jetzt so massiv ausbrechen, meinte sie: „Diese Pathogene betreffen uns jetzt global und treten nicht mehr „nur“ in Afrika und Asien auf. „Das ist auch auf die Globalisierung zurückzuführen.“ Wenn wir aus dieser Corona-Pandemie vielleicht im kommenden Jahr herauskommen, haben die Menschen sie schon wieder vergessen. Es sei wichtig, dass die Politiker sie nicht vergessen, fügt sie hinzu. Wenn man jetzt nicht vorsorge, werde es beim nächsten Mal noch viel schlimmer.
Die Regierungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden
Die WHO will zusammen mit den G20-Ländern einen Rat gründen, und von dort aus soll jährlich die Finanzsituation der einzelnen Staaten betrachtet werden. Genauer: Es soll ein Budget- Überblick erstellt werden, wieviel die Länder jedes Jahr in Pandemievorsorge investiert haben. Der Effekt: „Nur die Gelder in einen Pott zu werfen und nicht zu schauen wo es dann hingeht, kann die Lösung nicht sein“, glaubt Kücük. Es sei also eine Form von Return-on-Investment (ROI) nötig. Die Parlamentarier sollen dadurch die Möglichkeiten haben, ihre Regierungen jährlich zur Rechenschaft ziehen zu können. In der aktuellen Pandemie wurden auch in unserem Land von der Regierung die Gelder bereitgestellt, aber es war meist nicht erkennbar, wo diese tatsächlich hingingen. Sie frage sich schon geraume Zeit, warum der Gesundheitsminister nicht ebenso wie die Verteidigungsministerin dem Parlament regelmäßig einen Rechenschaftsbericht vorlegen müsse. Das gäbe den Politikern die Möglichkeit rechtzeitig agieren und nicht nur reagieren zu können. Genau dieses Thema möchte ihr Unternehmen in den G20 Teilnehmer-Ländern durchpuschen. Die Menschen sollen einfach wissen was jetzt wirklich passiert.
Eine Denkfabrik vertritt globale Interessen
Frau Kücük machte noch einmal deutlich, dass ihre politische Beratungsfirma, für viele spezifische Zielgruppen durchaus gewinnorientiert arbeitet. Davon abgetrennt ist die eigentliche Denkfabrik der sie vorsteht. Hier werden ausschließlich globale Interessen vertreten. Deren Vertreter werden von ihrem Unternehmen in einem Vakuum zusammengeführt und man schaut, wie man die unterschiedlichen Interessen miteinander verbinden kann. „Diese „Non-Profit-Organisation“ innerhalb unseres Unternehmens hat nichts mit ihrer täglichen Arbeit zu tun.“
„Die WHO war in der Krise immer der Prügelknabe und hatte keine Chancen sich dagegen zur Wehr zu setzen. Somit fiel uns die Rolle der Mediatoren zu“, machte die Politikberaterin deutlich.