Von Siegfried Gerdau
Seit Beginn der Corona-Pandemie entstand, nicht nur in Deutschland, eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“. Die einen sehen in der Impfung in Kombination mit Abstand halten, Kontakte beschränken und Maske tragen eine sinnvolle Maßnahme, um Ansteckung mit dem lebensgefährlichen Virus zu vermeiden. Auf der Gegenseite massiert sich Protest und eine knallharte Verweigerungshaltung, die man so bisher noch nicht erlebt hat. Der kleine Piecks spaltet die Gesellschaft und sie driftet immer mehr auseinander. Das geht bis hinunter in die Familien. Nicht nur die Generation, der mit dem Messerchen Pockenschutz-Geimpften, steht diesem Treiben fassungslos gegenüber. Einher mit der Verweigerungshaltung geistern wilde Verschwörungstheorien durchs Land.
Schnell sind die Schuldigen ausgemacht. „Es sind die Rechten, die Nazis, die AfD“, schreien und hetzen die Linken. Doch so einfach ist es nicht. Wie immer richtig festgestellt, führt auch hier Schwarz/Weiß-Denken kein Stück weiter. Ein Riss zieht quer durch die Gesellschaft und jeder meint für sich die Wahrheit gepachtet zu haben.
Die Realität hingegen spricht eine ganz andere und deutlichere Sprache. Es gibt Corona und das ist nicht wegzuleugnen. Die Ärzte und das Pflegepersonal erleben stündlich ein Szenario, wie man es bisher lediglich von kriegerischen Auseinandersetzungen kannte.
Jeder der das negiert oder kleinredet ist-entschuldigung-entweder einfach strukturiert oder glaubt mit seiner Haltung den kleinen Andreas Hofer spielen zu müssen. Leider ist keine Zeit mehr, für diese Spielchen. Der Gegner, das Milliardenheer von Kleinstlebewesen Covid-19 genannt, hat schon lange mehrfach seine Strategie gewechselt und mutiert in immer kürzeren Abständen. Die Forscher hecheln hinterher und versuchen die passenden Abwehrwaffen zu entwickeln. Natürlich wollen und müssen die Pharmaunternehmen Geld verdienen, aber auch wir wollen und müssen die passenden Medikamente haben und das möglichst sofort.
Die Impfgegnerinnen, ja auch die gibt es Zuhauf, und ihre männlichen Pendants glauben, das sei alles Panikmache, Geldmache und Politik. Das geht so lange, bis sie selber im Krankenhaus und auf der Intensivstation liegen. Ich wundere mich immer, dass sie sich überhaupt einweisen lassen, wo es doch alles nicht wahr ist. Wer Nein sagt, sollte auch Nein sagen, wenn sich andere für ihn den A…aufreißen wollen und müssen. Solidarität gegenüber den Mitmenschen ist auch von Andersdenkenden einzufordern. Um die Ansteckung einzudämmen muss diese ebenfalls von Glaubens- Gemeinschaften aller Couleur gefordert werden, wenn es um die vorbeugende Impfung geht. Was ist das für eine Denkweise, die nicht nur Menschen gefährdet-„liebet eure Mitmenschen wie euch selber“-, sondern unser gesamtes Staatsystem ins Wanken bringt. Nachfolgend ein Interview, welches sehr nachdenklich stimmen sollte.
Ein deutsches Spital in der vierten Corona-Welle: «In der ersten Corona-Welle hatten wir 25 Intensivbetten zur Verfügung, weil wir genug Personal hatten, jetzt können wir nur noch 14 unterhalten.»
Die Intensivstationen geraten an ihre Grenzen, Ärzte müssen priorisieren. Was das für die Mitarbeiter der bayerischen Rottal-Inn-Kliniken bedeutet, erzählen der Leitende Arzt und Intensivmediziner Thomas Riedel, der Klinikvorstand Gerhard Schlegl und der ärztliche Direktor Klaus Kienle.
Judith Blage, führte ein Interview, das heute (04.12.2021, 05.30 Uhr) in der Neue Züricher Zeitung erschien.
Herr Riedel, Sie sind leitender Arzt der Intensivstation im Rottal-Inn-Klinikum. Die Inzidenzen in Ihrem Landkreis gehörten in den vergangenen zwei Wochen zu den höchsten in ganz Deutschland. Wie macht sich das auf der Intensivstation bemerkbar?
Thomas Riedel: Wir merken das natürlich an den stark steigenden Patientenzahlen. Damit wächst auch die Zahl derjenigen Patienten, die intensivmedizinische Betreuung brauchen und beatmet werden müssen. Wir haben 14 Intensivbetten, davon sind heute 13 belegt. Auf 9 von unseren 10 Beatmungsplätzen liegen Covid-19-Patienten. Einen normalen Alltag gibt es schon lange nicht mehr.
Was tun Sie, wenn nun zwei weitere Patienten eingeliefert werden, die gleichermaßen dringend einen Beatmungsplatz brauchen?
Thomas Riedel: In diesem Fall würden wir Teams bilden, die sich um jeden Patienten auch zum Beispiel im Schockraum oder woanders kümmern, so dass wir Zeit überbrücken können, bis der nächste Beatmungsplatz frei wird. Grundsätzlich setzen wir alle Hebel in Bewegung, um unsere Ressourcen klug zu verteilen und alle Patienten gleichermassen behandeln zu können. Dafür nutzen wir verschiedene Strategien, die wir aus den ersten Corona-Wellen gelernt haben.
Thomas Riedel: Anders als früher machen wir Intensivmediziner regelmässig gemeinsame Visiten auf der Corona-Station, um im Bilde zu sein, wer vielleicht bald auf die Intensivstation muss. Koordinatoren in ganz Bayern haben die Behandlungskapazitäten im Blick und verteilen Patienten. Jetzt im Moment wird einer unserer Corona-Patienten nach Norddeutschland geflogen.
Wir versuchen alles herauszuholen, um eine Beatmung zu vermeiden: Wir legen die Patienten, so oft es geht, auf den Bauch, wenden Medikamente an. Die OP-Schwestern und die Chirurgen arbeiten eigentlich nicht mehr in ihrem angestammten Gebiet, sie sind abgezogen für die Covid-Stationen. Wegen dieser Strategien und weiterer Anpassungen konnten wir eine Triage bis jetzt zum Glück vermeiden.
Triage bedeutet, dass der Tod eines Patienten zugunsten eines anderen bewusst in Kauf genommen wird, um wenigstens einen Patienten mit den wenigen Ressourcen gut behandeln zu können. Erwarten Sie, dass Sie in Kürze Triage anwenden müssen?
Gerhard Schlegl: Nein, das erwarten wir nicht. Wir sind trotz allem noch Optimisten und hoffen inständig, dass wir die Triage vermeiden können – und ich glaube auch, dass das funktionieren wird. Aber klar ist natürlich, dass wir priorisieren müssen.
Was bedeutet das konkret im Klinikalltag?
Thomas Riedel: Wir schauen intensiver als früher auf den Patientenwillen. Ob eine Behandlung gute Erfolgsaussichten hat und ab wann nicht mehr, ist eine Frage, die man im Therapieverlauf beantworten muss. Wir haben außerdem, das Personal, die Aufmerksamkeit und die Ressourcen auf die Bewältigung der Corona-Pandemie gebündelt. Das ist natürlich zu Ungunsten der Patienten mit anderen Erkrankungen. Drei Viertel aller planbaren Operationen haben wir verschoben. Das sind zum Beispiel Hüftoperationen und Ähnliches. Für schnell nötige Operationen haben wir eine Dringlichkeitsliste, und die arbeiten wir trotz allem zeitnah ab.
Was ist die größte Schwierigkeit für die Ärzte und das Pflegepersonal?
Thomas Riedel: Es ist einfach kein Ende in Sicht. Es sieht nicht danach aus, dass die Pandemie bald abflaut. Und selbst wenn sie endet, wartet auf uns dann ein Riesenberg anderer Krankheiten, deren Behandlung auf später verschoben wurde. Hinzu kommen dann jene Patienten, die aus Angst vor Corona nicht zum Arzt gegangen sind und später mit weit fortgeschrittenen Erkrankungen kommen.
Woran fehlt es besonders?
Thomas Riedel: An Personal, an Personal, an Personal. Wir stehen jetzt deutlich schlechter da als in der ersten Welle, weil in der Zwischenzeit sehr viele Mitarbeiter die Segel gestrichen haben. Zum Vergleich: In der ersten Corona-Welle hatten wir 25 Intensivbetten zur Verfügung, weil wir genug Personal hatten, jetzt können wir nur noch 14 unterhalten. Die Mitarbeiter sind ausgelaugt, und das ist verständlich. Corona-Patienten zu betreuen, ist Schwerstarbeit und äußerst belastend. Die Kranken haben sehr schwere und langwierige Verläufe, häufig schwanken sie zwischen Verbesserung und Verschlechterung hin und her. Die Patienten müssen laufend bewegt werden, damit sie keine Schäden davontragen. Es ist richtig hart, ständig in der Vollmontur, also einem Ganzkörperschutz, zu arbeiten.
Macht es für Ihre innere Haltung zu einem Corona-Patienten einen Unterschied, ob er geimpft oder ungeimpft ist – gerade bei diesem Stresspegel?
Thomas Riedel: Grundsätzlich nein. Doch ich würde sagen, etwa die Hälfte der Mitarbeiter im Pflegebereich ist sehr frustriert darüber, dass diese extrem schweren Erkrankungen hätten vermieden werden können.
Wie viele Geimpfte liegen jetzt gerade auf der Intensivstation und müssen beatmet werden?
Gerard Schlegl: Nur zwei sehr betagte Patienten. Ich sehe mir regelmäßig unsere Zahlen und den Impfstatus der Patienten an. Wissenschaftlich belegt ist, dass die Impfung zu 95 Prozent einen ganz schweren Verlauf verhindert. Nach unserer Erfahrung ist es so, dass die Impfdurchbrüche, die wir in der Klinik behandeln, auf der Normalstation bleiben können und nicht beatmet werden müssen. Dagegen ist die jüngste ungeimpfte Patientin 21 Jahre alt, sie liegt schon seit drei Wochen am Beatmungsgerät.
Thomas Riedel: Hinzu kommt die fehlende juristische Absicherung. Zwar gibt es eine Leitlinie und Empfehlungen von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Doch ich muss rechtliche Konsequenzen befürchten, wenn ich mich im Rahmen der Triage für das Leben des einen und gegen das Leben eines anderen Patienten entschieden habe.
Einfach nur traurig….ich warte auf einen Termin für eine Bypass Operation……keine chance, die Intensiv Betten werden für Corona Leugner gebraucht 😢