Es gibt in vielen Bundesländern, bei nahezu jeder Kommunalwahl, immer wiederÄrger über einen schnöden Trick. Parteien setzen ihre bekannten Landräte oder hauptamtliche Kreisbeigeordnete auf die Kreistagswahllisten. Dies in dem Wissen, dass die Aufgeführten zwar kandidieren können, ihr Mandat aber nicht annehmen dürften. Es sei denn: Sie verzichten auf Ihr Hauptamt. In Niedersachsen sorgt nun ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts für neue Klarheit.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. September 2019 (AZ 10 LC 231/18) entschieden, dass der Oberbürgermeister der Stadt Goslar nicht zugleich Abgeordneter des Kreistages im Landkreis Goslar sein darf, um Interessenkollisionen zu vermeiden.
Diese Entscheidung ist für das Land Hessen relativ unbedeutend. Hier gilt nach § 27,1a HKO: Hauptamtliche Beamte sowie haupt- und nebenberufliche Angestellte a) des Landkreises,…….können kein Kreistagsmandat annehmen. Der Richterspruch ist jedoch mehr als deutlich und sollte letztlich Grund genug sein, einer gewissermaßen unredlichen Vorgehensweise endgültig den Garaus machen.
Neben diesen rein
rechtlichen Überlegungen ist anzumerken, dass derjenige, der für eine kommunale
Volksvertretung kandidiert, dieses Mandat im Falle einer erfolgreichen Wahl auch
tatsächlich will. Ansonsten hätte er sich wohl auch nicht zur Wahl gestellt.
Um was geht es: Am 14. März in diesem Jahr ist Kreistagswahl im Lahn-Dill-Kreis. Die Parteien haben ihre Listen bereits aufgestellt und diese kommen seit ein paar Tagen auch in den Briefkästen der Wähler an. Dort sind alle mit Foto und Namen aufgeführt, die Frau/Mann an besagtem Sonntag wählen kann. So weit so gut. Was aktuell aufmerksamen Zeitgenossen sofort ins Gesicht springt, ist der Mann auf Platz 1 im Flyer des SPD-Unterbezirks. Darf denn der Landrat Wolfgang Schuster (SPD) als Beamter überhaupt für den Kreistag kandidieren? Ja, er darf. Allerdings, wenn er gewählt wird und davon ist auszugehen, kann er das Ehrenamt eines Kreistagsabgeordneten nur annehmen, wenn er seinen Beamtenposten Landrat an den Nagel hängt. Das gilt Übrigens auch für seinen Stellvertreter, den hauptamtlichen 1. Kreisbeigeordneten mit Beamtenstatus. Wollen die wirklich alle im Falle einer Wahl ihre lukrativen Ämter für ein Ehrenamt tauschen. Das ist doch wohl kaum anzunehmen.
Bei Licht betrachtet ist das Wählertäuschung oder gar Betrug im moralischen Sinne. Haben ehemals große Volksparteien dies wirklich nötig und ist die Kiste mit fähigen Köpfen so leer, dass man dem Wahlvolk solche schrägen Kunstgebilde präsentieren muss? Sicher werden viele wahlberechtigte Zeitgenossen aufmerksam, wenn sie den Landrat auf der Liste oben auf Platz 1 erkennen. „Den kenne und schätze ich, der bekommt meine Stimme“, mag die entsprechende Reaktion sein. Wird sie auch sein und genau darauf setzen die Wahlstrategen. Dass die gewählten Spitzenleute nach der Wahl klamm und heimlich auf ihr entsprechendes Mandat verzichten, merkt so gut wie niemand. Lediglich die Mitbewerber-Partei spürt es an den fehlenden Stimmen, die der Landrat abgegriffen hat.
Hessische Gemeindeordnung (HGO)
§ 36 Zusammensetzung
(1) Der Kreisausschuss besteht aus dem Landrat als Vorsitzenden, dem Ersten und weiteren ehrenamtlichen Kreis-Beigeordneten. Die Hauptsatzung kann jedoch bestimmen, dass die Stellen von Kreisbeigeordneten hauptamtlich zu verwalten sind.
(2) Die Mitglieder des Kreisausschusses dürfen nicht gleichzeitig Kreistagsabgeordnete sein; das gilt nicht für Mitglieder des Kreisausschusses, die gemäß § 37a Abs. 3 die Amtsgeschäfte weiterführen.
§ 27 Hessische Landkreisordnung (HKO)
(2) Kreistagsabgeordnete sind ehrenamtlich Tätige im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1
mit der Maßgabe, dass die §§ 24 bis 27 der Hessischen Gemeindeordnung
entsprechend gelten. Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des
Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Aufsichtsbehörde.
Hinderungsgründe
1. hauptamtliche Beamte und haupt- und nebenberufliche Angestellte
a) des Landkreises,
b) einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, an
der der Landkreis maßgeblich beteiligt ist,
c) des Landes, die beim Landrat als Behörde der Landesverwaltung
beschäftigt sind oder unmittelbar Aufgaben der Staatsaufsicht
(Kommunal- und Fachaufsicht) über den Landkreis wahrnehmen,
2. leitende Angestellte einer Gesellschaft oder einer Stiftung des bürgerlichen
Rechts, an der der Landkreis maßgeblich beteiligt ist.
Also ich werde mein Kreuzchen bei denen machen, die ihr Amt auch wahrnehmen wollen und nicht schon vor der Wahl versucht haben, mir einen Bären aufzubinden. sig
Anmerkung: Bei meinen Recherchen ist es mir definitiv nicht gelungen, herauszufinden, ob ein hauptamtlicher Bürgermeister in Hessen für den Kreistag kandidieren darf. Was in der Praxis seit vielen Jahren quer durch die Parteienlandschaft hinweg Usus ist, muss nicht rechtens sein. Ich halte mich erstens an den Passus des HKO, nachdem es für Beamte nicht möglich ist und zweitens auch eine zumindest moralische Wählertäuschung darstellt. Diese Kandidaten werden wohl kaum ihr Amt zugunsten eines Ehrenamtes aufgeben.
Schön und gut, aber hier verzichtet niemand „klamm und heimlich auf [sein] entsprechendes Mandat“. Wolfgang Schuster kommuniziert seine Beweggründe offen in seinem Bewerbungsvideo:
https://www.facebook.com/339905446434/videos/130547715520190
Die Begründung des Landrates geht für meinen Geschmack etwas am Thema vorbei. Es gibt genügend Genossen, die das so wie ich sehen. Außerdem sollte er als Landrat auch die anderen Fraktionen in seine Regierungstätigkeit mit einbeziehen. Eine gewisse Überparteilichkeit steht dem Amt sicher gut zu Gesicht.