Von Siegfried Gerdau
Ein recht ungewöhnliches Treffen von ebenso außergewöhnlichen kleinen Autos fand am Samstag auf dem Herborner Marktplatz statt. Initiator Axel Schwehn aus Eschenburg, selber Eigner eines Messerschmidt Kabinenrollers, hatte zahlreiche Besitzer von Kleinschnittger-Kleinstwagen um sich geschart und sie der Öffentlichkeit präsentiert. Mit dabei waren nicht nur Messerschmidt Kabinenroller, sondern auch BMW-Isettas, die damals gerne Himmelfahrtsautos genannt wurden.
Acht Kleinschnittger F 125 beherrschten jedoch die Szene und wurden von den zahlreichen Besuchern ausgiebig unter die Lupe genommen. Die putzigen Autochen waren einfach zu schön anzuschauen und ihren Besitzer stand die Leidenschaft für ihr schönes Hobby förmlich auf der Stirn geschrieben.
Uwe Beier aus Herten lud kurzentschlossen die frische Braut Theresa Kulozikt aus Beilstein ein, mit ihm in seinem schicken Kleinschnittger-Cabrio eine Runde zu drehen. Auch Claudia Heinz aus Haiger-Flammersbach ließ es sich nicht nehmen in den roten Kabinenroller von Robert Philipp aus Einhausen einzusteigen. Sieglinde und Eckhart hatten es sich nicht nehmen lassen mit ihrem supergepflegten F 125 per PKW und Autotransporter aus Donzdorf in Baden-Württemberg anzureisen. Eckhart hatte ihn als junger Student für gerade einmal 90 DM erworben und ihn dann „verkommen“ lassen. Als er in Pension ging, nahm er sich seiner wieder an und restaurierte den Kleinschnittger weit über ein Jahr lang zu seiner heutigen Schönheit.
„Volkswagen aus dem Sauerland“ wurde der Kleinschnittger F 125 einst genannt. Für seinen Erfinder Paul Kleinschnittger, ein gelernter Modellbautischler, war es der zweite Anlauf ein bezahlbares Fahrzeug, für die vom Weltkrieg gebeutelten Bevölkerung herzustellen. Bis 1950, dem Geburtsjahr des schnuckeligen Kleinstwagens, waren die Menschen höchstens auf zwei Rädern unterwegs und sehnten sich nach einem Fortbewegungsmittel mit einem Dach und auf vier Rädern. Diesem Wunsch kam der geniale Konstrukteur mit seinem „Kleinschnittger“ entgegen. Er war war ein preisgünstiges Fahrzeug. Zu Beginn der Produktion kostete er 1995 DM, das entspricht heute etwa einem Preis von 6 200 Euro. Mit diesem Angebot sprach er insbesondere die Zweiradfahrer an. So stand auch in der Bedienungsanleitung: „Betrachten Sie bitte dieses Fahrzeug als Roller oder Motorrad in den unteren Klassen, jedoch auf 4 Rädern.“ Die Karosserie bestand nicht mehr aus Stahlblech, sondern aus Aluminium. Der kleine Einzylinder-Zweitaktmotor mit 122 cm³ Hubraum war vorne eingebaut. Man startete ihn so ähnlich wie ein Rasenmäher, mit einem Seilzug. Er wurde bei ILO, dem damals größten Zweitaktmotoren-Hersteller in Pinneberg, gebaut. Mit seinen 6 PS und einem Verbrauch von 3 Litern auf 100 Kilometern erreichte das Wägelchen eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Dank seiner Leichtbauweise wog der F 125 gerade einmal 150 Kilogramm, bei einer Nutzlast von 170 Kilo. Mit einem Dreiganggetriebe und einer sogenannten Ratschen-Lenkradschaltung ausgestattet, fehlte ihm jedoch ein Rückwärtsgang, so dass sein Fahrer den Wagen zum Wechsel der Fahrtrichtung hinten anheben und herumdrehen musste. Fahrer und Beifahrer hatten „genügend“ Platz, aber auf Türen mussten sie verzichten.
Pro Monat produzierte Kleinschnittger mit seinen 50 Mitarbeitern etwa 50 Exemplare in dem Arnsberger Unternehmen. Bis 1957 entstanden so zwischen 2000 und 3000 Kleinschnittger F 125. Die sich sehr schnell weiter entwickelnde Nachkriegsgesellschaft verlangte nach größeren Fahrzeugen und das Unternehmen versuchte dem mit mehreren 250 Kubikzentimeter-Prototypen nachzukommen. Obwohl das Modell mittlerweile einen Rückwärtsgang hatte, blieb der Erfolg aus. Gerade einmal 26 Fahrzeuge wurden bis zum Unternehmenskonkurs 1957 produziert.
Was blieb ist die blechgewordene Erinnerung auf vier Rädern an die Gründerjahre der Bundesrepublik. Ein besonders schönes und seltenes Exemplar steht auch im Nationalen Automuseum in Ewersbach. Beim Sammlerwert kann man heute je nach Zustand von mindestens 5.000 Euro und weit mehr ausgehen. Fotos: Gerdau
Hallo Herr Gerdau,
Erstmal Vielen Dank für die liebe- und verständnisvolle Berichterstattung.
Zwei Dinge noch zur Ergänzung: Für 5000.-€ wird man nichts fahrbereites bekommen, die liegen schon deutlich im 5 stelligen Bereich. Eine Bekannte konnte 1985 einen gut restaurierten F125 für 19500DM erstehen. (!) 6PS haben die letztgebauten die ersten hatten nur 5 gar 4,5 PS
Im übrigen habe ich natürlich auch einen solchen Wagen – nur nicht in dem Zustand diese Tour gefahrlos mitzufahren.
Mit freudigem Gruß
Axel Schwehn