Von Siegfried Gerdau
Mit einem wegweisenden Konzept machen derzeit die Gewerblichen Schulen Dillenburg (GSD) auf sich aufmerksam. Ein Pilotprojekt unter dem Namen „Mehr Ausbildung“ soll Schülerinnen und Schülern schon frühzeitig eine berufliche Orientierung geben. Studiendirektor Burkhard Meuser, Abteilungsleiter der GSD-Abteilung Technik, möchte gemeinsam mit heimischen Betrieben und Bildungseinrichtungen jungen Menschen den Blick für gewerbliche Tätigkeiten öffnen und gleichzeitig den Wert handwerklicher Arbeit vermitteln. Für die Eltern baut sich so eine echte Alternative zum gymnasialen Bildungsweg auf, ohne sich Chancen darauf zu verbauen.
Bei der Leiterin der Schönbacher Pestalozzi-Schule Esther Ringsdorf-Zörb, die in Personalunion Schulleiterin der heimischen Neuen Friedensschule in Merkenbach, Hörbach und Sinn ist, rannte Meuser sprichwörtlich offene Türen ein. Beide waren sich einig, dass durch den Wegfall des sogenannten Werkunterrichts an den Grundschulen den Kindern die Möglichkeit genommen wurde, mit handwerklichen und arbeitstechnischen Tätigkeiten in Berührung zu kommen und sich dabei „auszuprobieren“.
Dr. Matthias Fink vom staatlichen Schulamt Weilburg findet die Initiative sehr gewinnbringend und einen tollen Ansatz, der den Kindern einen Zugang zum handwerklichen Lernen zu verschafft. Der Einbau in den Lehrplan sei überhaupt kein Problem, findet auch Esther Ringsdorf-Zörb.
In Absprache mit dem Schulamt startete Burkhard Meuser gemeinsam mit dem Fachlehrer der GSD Dominic Helsper unter Einbindung heimischer Firmen und der Eltern das Projekt Leuchtsäule, die mittlerweile im Eingangsbereich der Pestalozzi-Schule voll funktionsfähig steht. Tanja Buchholz Klassenlehrerin der Klasse 4 (bei Projektbeginn noch 3) legte mit 15 Schülerinnen und Schülern los. Es galt eine Entwurfsplanung für die Gestaltung der Hülle mit Farben und Mustern zu erstellen. Die Junghandwerker waren mit Feuer und Flamme dabei und schon bald füllte sich der Klassenraum mit Modellen und Zeichnungen. Die Anfertigung der Drahtkonstruktion, sowie das Bekleben der Hülle füllte den gesamten 1. Projekttag aus. Natürlich wollte die Jung-Konstrukteure auch bei der Installation der Unterkonstruktion mit Hand anlegen, Baggerfahren und Betongießen inklusive. Beim gemeinsamen Besuch der Haigerer Firma Cloos, ging es um das Grundsatzwissen Schweißen. Das war erforderlich, um das Zusammenfügen der Eisenkonstruktion der Licht-Säule zu begreifen. So ganz nebenbei durften sich auch zwei Mädchen aktiv in der Schweißkunst üben. Die jungen Herren übten sich dagegen bei diesem heißen Thema in bescheidener Zurückhaltung.
Der Zusammenbau der Teile auf dem mittlerweile stabilen Sockel erfolgte unmittelbar nach dem Bemalen der Glasscheiben und dann ging es an die Montage der einzelnen Bauelemente. Der Sockel nahm eine Batterie auf, die von einem auf dem Säulendach installierten Solarpanel gespeist wird und die Leuchten im inneren mit Strom versorgt. Ganz zum Schluss wurden die bunten Glasscheiben montiert.
Im Rahmen einer gemeinsamen Auswertung und Beurteilung der Arbeiten mit Kindern und Eltern besprachen die Pestalozzi-Pädagoginnen sowie die Objekt-Manager der Gewerblichen Schule die beruflichen Orientierungen, die ja keinesfalls den Erwerb des Abiturs ausschließt. Ringsdorf-Zörb wies daraufhin, dass es viele Wege zum höheren Bildungsgrad und nachfolgendem Studium gäbe. Der Weg über eine berufliche Ausbildung sei ja nur einer davon. Auf die Frage an Burkhard Meuser, ob es denn nicht zu früh sei, die Kinder schon in der Grundschule mit dem möglichen späteren Berufsleben zu konfrontieren, beantworte er mit „keinesfalls“. Die Weichen, welchen Weg ihr Kind einmal beschreitet, würden seiner Meinung nach viel zu spät gestellt. Während zu früheren Zeiten die Väter oder Großväter in ihren heimischen Hobbyräumen und Werkstätten gewerkelt hätten, seien lange vorbei. Damals hätten die Kinder Gelegenheit gehabt zuzuschauen und auch schon sehr früh in Landwirtschaft oder heimischen Handwerk selber Hand angelegt. Heute wüssten die meisten von ihnen gar nicht, was es außer Schule und Studium noch für teils sehr lukrative und kreative Tätigkeiten und Berufe gäbe. Die hohe Zahl der Studienabbrecher an Universitäten läge bei 33 und an Fachschulen bei 23 Prozent. Alles Zahlen, die nicht froh machen, sagte Meuser.
Beim Besuch der Schönbacher Pestalozzi legt nun der 1,20 Meter hohe Leuchtstein als Leuchtturm für praktische Bildung Zeugnis ab, über die innovative Zusammenarbeit von Grundschule und Gewerblicher Schule. Nachhaltiger geht es kaum noch und außerdem hat es allen Beteiligten unendlich viel Spaß gemacht. Man darf auf die nächsten Schritte in Richtung Arbeitsgemeinschaften und Kooperationen mit heimischen Unternehmen gespannt sein. Fotos: Gerdau
Hallo Herr Gerdau,
Ein sehr gelungener Bericht! Vielen Dank.
Freundliche Grüße
Burkhard Meuser