Notgeld aus der Not geboren

Von Siegfried Gerdau

Die meisten Menschen verbinden mit Inflation und Währungskrise den „schwarzen Freitag am 24. Oktober 1929. Dabei begann die Krise in Deutschland bereits mit dem Beginn des I. Weltkrieg 1914. Die umlaufende Geldmenge vermehrte sich und führte zu einer kontinuierlichen Geldwertverschlechterung. Die Folge: Die Kaufkraft sank.

Mit der militärischen Niederlage 1918 blähte sich die Geldmenge immer weiter auf. Nach der Bekanntgabe der 1921 festgesetzten Reparationsforderungen, beschleunigte sich die Inflation nochmals.

Im Jahr 1923 erreichte sie ihren Höhepunkt. Die Ersparnisse zahlloser Familien waren vernichtet. Vor allem die völlige Entwertung der sogenannten Kriegsanleihen führte zu einem immensen Vertrauensverlust und erwies sich als sehr schwere Hypothek für die Weimarer Republik.

Die Reichsregierung beschritt in der Kriegszeit den Weg zur Staatsfinanzierung durch vermehrten Geldscheindruck. Die umlaufende Geldmenge verfünffachte sich in den Jahren 1914 bis zum Kriegsende 1918.

Da das Warenangebot bestenfalls stagnierte und in vielen Bereichen sogar rückläufig war, kam es zu immer höheren Preissteigerungen. Der Außenwert der Mark schmolz zusehends und der Dollarkurs stieg an den Devisenmärkten.

Die ständig steigenden Kriegskosten wurden zu großen Teilen durch Anleihen und ähnlichen Schuldverschreibungen finanziert und führten zu einer kaum zu bewältigenden Staatverschuldung.

Um den Zahlungsverkehr am Laufen zu halten, gaben Städte, Gemeinden und Firmen eigenes Notgeld aus. Im Laufe des Krieges wurden Anfangs Silbermünzen und später Goldmünzen-„Gold gab ich für Eisen“,  von der Bevölkerung eingezogen. Papiernotgeld war der Ersatz.

Auch nach dem Krieg setzte sich die Geldentwertung fort. Soziale Leistungen sowie die Umstellung von Kriegs-auf Friedenswirtschaft, destabilisierte den Reichshaushalt in immer größerem Ausmaß.

Einnahmen aus Steuern, Zöllen und Abgaben konnten den Finanzbedarf auch nicht annähernd decken. Zur Deckung laufender Ausgaben mussten immer neue Kredite aufgenommen werden, obwohl der Schuldendienst bereits bei 126 Prozent der Staatseinnahmen lag.

Die Notenpressen mussten immer mehr Geld drucken. Bereits im November ließ die Reichsbank einen Geldschein über 100 Billionen Mark drucken. Schon bald waren die Notendruckereien nicht mehr in der Lage, den Wertverlust durch vermehrten Notendruck auszugleichen.

Mit fortschreitender Inflation verschlechterte sich die Notlage der Bevölkerung immer mehr. Dem Anstieg der Preise für Waren und Dienstleistungen konnten die Löhne und Gehälter nicht mehr folgen.

Weite Teile der Bevölkerung verarmte und die Vermögenswerte schmolzen dahin. Ersparnisse wurden völlig entwertet, Spargelder von Generationen vernichtet.

Durch Kaufkraftmangel verloren auch Immobilien ihren Wert und wurden bei Notveräußerungen geradezu verschleudert. Lohnzahlung erfolgte täglich und jedermann versuchte Bargeld sofort in Sachwerte zu tauschen.

In Restaurants konnte sich die Zeche während der Mahlzeit verdoppeln. Pfarrer hielten nach dem Gottesdienst für die Kollekte Wäschekörbe hin.

Immer mehr Verwaltungs-und Wirtschaftsbereiche gaben wertbeständiges Notgeld als Waren-und Sachwertgutscheine aus. Die Scheine lauteten auf Roggen, Weizen, Holz, Teer, Kohlen, Zucker, Speck Strom und Gas.

Schließlich kursierten mehr als 2 800 verschiedene wertbeständige Geldscheinsorten in Deutschland. Der Dollar erreichte einen neuen Höchstkurs von 40 Milliarden Mark. Rechtsgerichtete Wehrverbände forderten einen Marsch nach Berlin und es kam zu Straßenkämpfen zwischen Kommunisten und der Polizei. Es verbreitete sich die Bereitschaft zu einer Militärdiktatur und Hitler wollte 1923 die chaotische Lage durch einen Putschversuch ausnutzen.

Im Mai 1923 kostet in Berlin ein Kilo Brot 474 Mark. Zwei Monate später ist der Preis auf 2200 Mark gestiegen, Anfang Oktober sind es 14 Millionen. Weitere vier Wochen später kostet der Brotlaib 5,6 Milliarden Mark.

Am 15. November 1923 trat eine Währungsordnung in Kraft und beendete damit die Inflation schlagartig. Einige Notgeld-und Inflationsscheine liefen aber noch bis Mitte 1924. Im gleichen Jahr führte die Reichsbank die Reichsmark ein.

Die Inflation zwischen 1914 und 1923 war für Millionen Menschen eine Katastrophe. Dennoch gab es Profiteure. Viele Unternehmen konnten durch die fortschreitende Geldentwertung ihre Unternehmen erweitern. Kredite konnte sie mit entwertetem Geld zurückzahlen. Schulden lösten sich somit in nichts auf.

Am Ende der Inflation war der Papierwert der ersten Inflationsscheine größer als die Kaufkraft ihres Nennwertes.

Die gezeigten Geldscheine stellte mir mein Freund Winfried Rohrbeck aus seinem reichen Fundus freundlicherweise zum Abfotografieren zur Verfügung.

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