Stadtentwicklung mit Fingerspitzengefühl

Von Siegfried Gerdau

Nicht erst in jüngster Zeit stehen der Wohnungsbau und damit die Mietpreise in der Region Herborn und anderswo immer wieder zur Debatte. Dem Ruf „wir brauchen Wohnungen“, wird nicht zu Unrecht genauso oft dagegengehalten, „aber zu bezahlbaren Mietpreisen.“ Da mir vorgeworfen wurde, ich habe zu ungenau recherchiert, möchte ich mit nachfolgender Aufstellung den Beweis für die Richtigkeit meiner Aussagen in einem meiner vorherigen Artikel antreten.

Natürlich gibt es im Lahn-Dill- Kreis und explizit im Großraum Herborn sehr viele gutverdienende Menschen und nicht „nur“ Fabrikarbeiter. Es gibt Millionäre, einkommensstarke Geschäftsleute, Beamte und Politiker mit hohen Monatsgehältern, aber eben auch ein Heer von Arbeitern, Angestellten und Dienstleistungsmitarbeitern, die „den Karren“ in Bewegung halten.

Wer sehr genau überlegen muss, wo er am günstigsten einkauft, wie oft er sich ein Theaterstück oder eine Tasse Kaffee leisten kann und ob das Kind den Schulausflug mitmachen darf oder nicht, ist der Personenkreis, um den es mir geht.

Diese Leute können eine Wohnung nicht nach Ausstattung, Lage und Größe wählen, sondern in erster Linie nach der Miethöhe. Wer jetzt antwortet, „dann hätten die mal besser in der Schule aufgepasst und einen ordentlichen Beruf gelernt“, sollte jetzt aufhören weiter zu lesen.

Politiker die sich dem Wohle des Volkes verpflichtet fühlen (und das sollten alle) müssen Willens und in der Lage sein, die Dinge wahrzunehmen so wie sie sind und immer wieder an gerechten Lebensbedingungen für alle Menschen arbeiten. Zu Zeiten eines Ludwig Wilhelm Erhard (CDU), der auch gerne als Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und des als Soziale Marktwirtschaft bezeichneten Wirtschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet wurde, war es dennoch unstrittig, dass die Gesellschaft durch sozial-, wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen Grenzen ziehen oder Regeln setzen muss.6

Natürlich ist es wichtig, Investoren zu finden, die es ermöglichen die Infrastruktur einer Kommune (am besten positiv) zu verändern. Diese Menschen wollen Geld damit verdienen und auch das ist absolut verständlich. Genau hier kommt jedoch die Politik ins Spiel. Sie muss beide Interessen miteinander verbinden und auch das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren.

Alles so lassen wie es immer war, ist sicher eine schlechte Lösung. Stadtentwicklung verträgt dennoch keine Schnellschüsse. Foto: Gerdau

Fabrikarbeiter:

1. Gehalt

Für Fabrikarbeiter liegt das deutschlandweite Gehalt bei 2.552 € pro Monat. Diesen Wert ist auf Basis von 518 Datensätzen ermittelt worden. Hinsichtlich der Gehaltsspanne ist festzustellen, dass die unteren Monatsgehälter bei 1.959 € beginnen, Fabrikarbeiter in den oberen Regionen jedoch auch bis zu 3.370 € und mehr verdienen können.

Wie bei nahezu allen Berufen, hat neben vielen anderen Faktoren auch der Standort des Arbeitgebers individuellen Einfluss auf die Höhe des Gehalts. So beträgt das monatliche Durchschnittsgehalt im nördlichsten Bundesland der Republik ungefähr 2.748 €. Arbeitet man hingegen im Süden, so kann man beispielsweise in Baden-Württemberg mit einem durchschnittlichen Gehalt von 2.812 € rechnen. Insoweit ist anzumerken, dass die Analyse unserer Daten bundesweit regelmäßig zu dem Ergebnis führt, dass die Gehälter im Süden Deutschlands tendenziell über denen im Norden liegen. Jedoch ist dabei – wie auch beim Vergleich des Verdienstes in städtischen Gebieten mit denen auf dem Land – zu beachten, dass die Lebenshaltungskosten oft parallel zu den Gehältern steigen. Quelle: Gehaltsvergleich.com

Nach dem „Gehaltsrechner“ von Gehaltsvergleich.com liegt somit das Netto-Gehalt im Durchschnitt zwischen knapp unter 2 000 und 2300 Euro.

Aktueller Marktmietspiegel für

Herborn (Hessen)

7,48 €

pro m² Wohnfläche

5,50 € – 9,73 € (Preisspanne) Quelle: wohnpreis.de

9,00 € (Neubau) Das sind für eine 100 Quadratmeterwohnung 900 Euro Kaltmiete+ mindestens 200 Euro Nebenkosten. Ergibt eine Miete von 1 100 Euro monatlich.

Somit verbleiben einem Fabrikarbeiter mittleren Alters, verheiratet und einem Kind knapp 1000 Euro für Lebenshaltungskosten wie Lebensmittel. Abzahlungen für den Kauf eines PKW (demnächst E-Auto), Versicherungen und vieles mehr.

Bei den alles andere als gut bezahlten Angestellten in der Gastronomie, im Friseurhandwerk oder in der Lebensmittelbranche sehen diese Zahlen durchaus ein wenig anders aus.

Leser-Stellungnahme:

Ra-Mona schrieb heute folgendes zu meinem Artikel in Facebook und das fand ich so treffend, dass ich es meinen Blog-Freunden nicht vorenthalten möchte.

Nicht zu vergessen die mittlerweile Heerscharen an benötigten Kurier- und Postfahrern, die üblicherweise zwischen 1500 und 2000 Euro bekommen – brutto! Und die können sich mit Sicherheit nicht mal Mieten von 700 Euro leisten, ganz zu schweigen von PKW oder ständig neuem Handy oder Computer für die Kinder. Ganz schwer haben es auch die Langzeitarbeitslosen (oft sind sie ohne eigenes Verschulden davon betroffen, das sieht aber anscheinend eine Menge Leute leider anders). Die dürfen nur nach kleinen Wohnungen suchen und das noch zu Mieten, die je nach Anzahl der Familienmitglieder 300 bis 400 Euro i.d.R. nicht überschreiten dürfen. Wo sind die Wohnungen für diese Menschen?“

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