Von Siegfried Gerdau
Die Herborner Bürgermeisterin Katja Gronau (parteilos) lud mich am vorletzten Julitag (Freitag) 2021 zu einem Rundgang durch „ihre Stadt“ ein, um mit den Gastronomen über deren Situation in dieser nicht ganz einfachen Zeit zu reden. Dass man nicht alle an einem Tag erreichen würde, war klar und deshalb soll diesem „Spaziergang“ schon bald der nächste folgen. Auch die Herborner Geschäftsleute werden in der Kernstadt, wie auch in den Stadtteilen, dann die Möglichkeit haben, sich mit ihrem Stadtoberhaupt vor Ort austauschen zu können.
Die Stadt war so belebt wie an jedem Freitag vor Corona und die Wirtsleute, Caféhausbesitzer und Restaurantbetreiber hatten alle Hände voll zu tun. Fast alle waren jedoch sehr froh, dass ihre Bürgermeisterin sich Zeit genommen hatte- „dafür opfere ich gerne einen meiner Urlaubstage“-, um sie zu besuchen.
Wir wollten uns um 11 Uhr im neuen Bistro von Anja Reuter am Leonardsturm in der Herborner Bahnhofstraße treffen. Sie machte den Fehler zu dicht an ihrem Arbeitsplatz Rathaus vorbei zu gehen und schwupps hatte man sie für einen kurzen Verwaltungsakt einkassiert. Aber nur kurz und wir konnten in Anjas Bistro den ersten Espresso schlürfen.
Anja Reuter: „Mein Konzept baut sich immer mehr auf und soll schon bald schlüssig werden. Gerne möchte ich meine Freiluftangebot noch ein wenig erweitern.“ Katja Gronau: „Wir geben unseren Gastronomen in der Stadt viele Möglichkeiten sich zu entfalten, da sollten hier auch noch drei Tische hinpassen. Die letzte Entscheidung hat darüber aber die Leiterin des Ordnungsamtes Kathrin Daum.“
Im Hotel „Zum Löwen“ mit Restaurant 1577 in der Herborner Turmstraße bedankt sich Betreiber Achim Betz bei der Bürgermeisterin für die Umwidmung der beiden Parkplätze vor dem Hotel. Dort dürfen ab sofort nur noch Kurzzeit-Parker zum Be-und Entladen ihre Fahrzeuge abstellen. Das ist auf dem entsprechenden Verkehrsschild erkennbar und bekanntlich schützt Unwissenheit oder ein „Übersehen-Haben“ nicht vor einem Bußgeld.
Lindita Brahimi mit seinem Eiscafé „De Luca“ am Herborner Obertorkreisel, bedauert, dass in Herborn wegen der Corona-Auflagen derzeit keine Feste stattfinden können. Die hätten immer viel Menschen in die Stadt gebracht. Er wolle aber nicht klagen und mache mit seinem Team das Beste daraus.
Ein Paar, Gerda Lewandowsky und Peter Roth aus Oberkirch in Baden- Württemberg, nur 22 Kilometer von Straßburg entfernt, verbrachte seinen Urlaub in Herborn. Gerda Lewandowsky: „Wir finden die Stadt mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern richtig toll und wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.“
Auch bei Markus Pöpperl Besitzer des „Franz Ferdinand“ in der Oberen Hauptstraße, läuft es fast wieder so, wie vor Corona. Er freut sich, dass er die „Außenterrasse“ vom ehemaligen Café Köppe noch mitbenutzen darf. „Dieser Antrag war die unbürokratischste Sache, die ich jemals erlebt habe.“ Die Stadt habe nur gesagt: „Wenn sie sich mit Köppe einig werden, können sie das gerne machen.“
Guido Schmidt, „La Momenta“, gleich gegenüber dem Rathaus in der Bahnhofstraße, hatte sich zwei Knöllchen gefangen. Kein ernsthaftes Problem, berichtete er der Bürgermeisterin. Er könne sich eigentlich nicht beschweren. Alles ist ein Geben und Nehmen und er versuche mit jedem gut auszukommen. „Wenn man mit dieser Devise durchs Leben geht, kommt man immer weiter.“ Katja Gronau ergänzt: „Redet mit euren Nachbarn und erklärt dem Ordnungsamt, was ihr vorhabt. Wir werden dann immer einen Weg finden.“
„Holz- Kretz“ am Rande des Herborner Markplatzes. Maximilian Kretz, Sohn der Inhaber: „Wir sind ja noch nicht so lange hier, fühlen uns aber schon sehr wohl in der Stadt. Wir hoffen, dass wir noch ein paar Ideen verwirklichen können. Wenn wir einmal wünschen dürften, sähen wir es gerne, wenn alle Geschäfte in der Stadt samstags bis 16 Uhr geöffnet hätten. Sehr viele Kunden sagen oft, „es ist doch so schön hier, warum haben denn die meisten Geschäfte zu.“ Gronau antwortet: „Ja, ich könnte mir das auch gut vorstellen.“
Michael Mehl von der Bitburger-Braugruppe: „Die Gastronomie läuft schleppend wieder an. Wenn ich hier in Herborn über den Marktplatz gehe und sehe wie er wieder gefüllt ist, freue ich mich sehr. Das Flair der Stadt ist ja auch Super. Dennoch, die Wirte haben schwer zu kämpfen. Das Hauptproblem ist der Personalmangel. Auch die Fest-Veranstalter leiden darunter, weil die Mitarbeiter nicht mehr zurückkommen. Sie wissen nicht wie die Zukunft in ihrem Gewerbe wird. Über die amtliche Unterstützung können die Gastronomen gerade in Herborn nicht klagen. Hier wurden die Außensitzflächen großzügig und sehr unbürokratisch erweitert. Das unterscheidet die Stadt von anderen Kommunen.“
Bürgerin Erika Nickel hat ganz andere Sorgen und ärgert sich über manch wenig rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer: „Viele Radfahrer ignorieren einfach die Fußgängerzone mitten in der Stadt und brettern oft mit viel Speed mitten durch die Pulks von Kindern, Senioren oder einkaufenden Bürger. Ich verstehe nicht, dass diese Radfahrer nicht lesen können. Auf den Schildern steht deutlich, dass es verboten ist.“ Die Bürgermeisterin gibt ihr unumwunden Recht. „Die Fußgängerzone ist für Fußgänger da. Radfahrer müssen absteigen und schieben. Kinder bis acht Jahre müssen den Gehweg benutzen, bis zehn Jahre dürfen sie es. Die Herborner Fußgängerzone hat aber keine Bürgersteige, somit ist diese Einschränkung unwirksam. Besonders mit den E-Bikern verschärft sich das Thema. Wir versuchen es aber mit dem Ordnungsamt in den Griff zu bekommen. So ganz nebenbei sind bei Zuwiderhandlung zwischen 15 und 30 Euro fällig.“
Der Chef vom Herborner Markcafé Marco Schmidt: „Froh macht mich nach wie vor, dass Herborn eine sehr lebendige Stadt ist. Das sucht seinesgleichen. Es kommt aber nicht von ungefähr, sondern liegt an der Zusammenarbeit von Gewerbetreibenden und natürlich auch uns Gastronomen mit der Stadt. Mich begeistert die tolle und enge Zusammenarbeit mit dem Herborner Ordnungsamt. Das sind kurze Wege, die meinen Job erleichtern.“ Einen Verbesserungsvorschlag habe ich aber dennoch, fügt er hinzu. „Zum Beispiel das Weinfest. Das ist immer eine tolle Geschichte für Herborn, weil es einfach eine Besonderheit für die Stadt darstellt. Mein Wunsch ist jedoch, uns Gastronomen damit einzubeziehen. Beispielsweise hätten wir das diesjährige Fest sehr schön Woche für Woche an jeweils anderen Plätzen durchführen können. Dabei hätte man die jeweils anliegenden Gastbetriebe mit einbinden können. Wenn wir dies hinbekommen würden, hätten wir eine Win-Win-Situation geschaffen, die jeden zufriedenstellen würde.“
Inge Lauel von der gleichnamigen Kaffeerösterei am Herborner Kornmarkt: „Ich finde es toll, wenn ich so über den Platz schaue, dass Herborn auch in Corona-Zeiten sehr beliebt und vor allem ein touristischer Magnet ist. Gut fände ich, wenn man mal was gegen die vielen Tauben unternehmen würde. Wenn die Leute draußen sitzen und es fällt etwas von oben herunter, ist das nicht so prickelnd.“ Gronau: „Das sehe ich ähnlich und wir müssen nach mehr Lösungen suchen. Die vielen Zacken überall reichen offensichtlich nicht aus. Viele Menschen füttern auch die Tauben und das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch verboten.“
Das Speiselokal „Gusto e Fantasia“ auf dem Herborner Kornmarkt von Maria und Giancarlo Pino: Wir müssen jeden Donnerstag unsere Tische und Stühle vor dem Lokal umstellen, damit die Marktbetreiber ihre Stellplätze am Freitag einnehmen können. Das ist sehr aufwändig, aber wir sind mit der Stadt und den Marktleuten im Gespräch, so dass wir eine, für alle Seiten zufriedenstellende, Lösung finden werden. Gronau: „Die müssen jedes Mal alles in die Schulstraße räumen und es ist derzeit noch gut, dass die gesperrt ist. Wir werden aber sicher den Wochenmarkt noch einmal neu aufbauen müssen und dessen Struktur völlig neu durchdenken. Dabei dürfen wir auch Sicherheitsaspekte nicht aus den Augen verlieren.
Das Dillenburger Ehepaar Christel und Norbert Trapp besucht schon seit Jahren jeden Freitag den Herborner Wochenmarkt. Christel: „Die wunderschöne Altstadt, der schöne Platz, das muntere Treiben darauf und das leckere italienische Essen bei Maria, machen mich immer wieder glücklich.“
Den Besitzer des Eiscafé Rialto Herborn Hauptstraße 52-54 freut es, dass die Stadt so wunderschön mit Blumen geschmückt ist. Auch die große Kompromissfähigkeit der Stadtverwaltung, besonders bei der Möglichkeit die Außenbestuhlung vor den Lokalen zu erweitern, findet bei ihm besonderen Anklang. Mit seinem Nachbarn, dem Modegeschäft „wünschdirwas“, habe er diesbezüglich eine Vereinbarung getroffen und ist der Besitzerin Cornelia Theiss unendlich dankbar für ihr Entgegenkommen. Katja Gronau: „Diese gegenseitige Rücksichtnahme ist genau im Interesse der Stadt und findet auch meine Unterstützung.“
Niko Mylonakis vom Café am Kornmarkt: „Die Stadt Herborn kommt ihren gastronomischen Unternehmen in einer geradezu vorbildlichen Form entgegen. Ich kann die anderen Anwohner des Kornmarktes gut verstehen, wenn sie ihre Einkäufe und anderes an den Wochenenden weiter als sonst schleppen müssen. Da ich ja fast immer da bin, macht es mir auch nichts aus, die Barrieren mal zur Seite zu räumen, jemand rein fahren zu lassen und anschließend, wenn er wieder wegfährt, die Absperrung zu schließen. Es ist doch immer ein Geben und Nehmen. Gronau: „Die Sperrung des Kornmarktes an den Wochenenden ist ja erst einmal ein Test. Wenn das bleiben soll, braucht man einen politischen Beschluss. Da kommen dann alle mit an den Tisch, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Alles steht und fällt natürlich mit den sich ständig ändernden Corona-Regeln. Aber darauf hat die Stadt wenig Einfluss. Eine temporäre, also zeitlich begrenzte Absperrung für bestimmte Aktionen, lässt sich aber sicherlich dennoch einbauen.“ Fotos: Gerdau
Anm.: Alle Beteiligten sind zweimal geimpft, nahmen die Maske jeweils für das Foto ab und verringerten wenn notwendig den Abstand zueinander immer nur wenige Sekunden für das Foto.