Mit dem Adler zu den Seehunden
„Achtung, wir nähern uns den Sandbänken. Wenn wir Glück haben sehen wir ein Seehund-Baby oder eine ihrer Mütter. Noch aber führt die Eider hohes Wasser und bis zur Ebbe ist es noch ein wenig hin“, ruft der smarte Kapitän des Adler durch die Lautsprecheranlage. Wir haben eine Ausflugsfahrt auf der Eider mit Durchquerung der Schleuse in die Nordsee gebucht. Zweimal täglich fährt das Schiff mit Passagieren diese Strecke und zurück.
Die Eider misst hier an der breitesten Stelle drei Kilometer. In der Mitte ist eine Fahrrinne ausgebaut, damit die Schiffe bei Ebbe überhaupt fahren können. Die meisten Mitfahrer haben ihre Kameras gezückt und warten auf die possierlichen Räuber. Ihre Beißkraft ist zehnmal so groß wie die eines Schäferhundes, erzählt der Kapitän und das Erstaunen der Zuhörer ist entsprechend. Schon bald kommt das weltweit einzigartige Eider-Sperrwerk näher. Vier mächtige Tore können bei Sturmflut den Zufluss des Nordseewassers sperren. Ein Segen für die Wattlandschaft im Mündungsgebiet.
Endlich, auf dem Rückweg tauchen Seehunde mit ihren Jungen auf. Langsam aber stetig streben sie zu der noch unsichtbaren Sandbank. Ein Mitarbeiter der Schiffsbesatzung hat ein Schleppnetz ausgeworfen und alle Umstehenden sind schon auf den Fang gespannt. Nach einer kurzen Zeit entleert er das Netz in einem Bottich. Nur ein paar Krabben schauen vorwurfsvoll hoch und ärgern sich, dass sie in ihrer Beschaulichkeit gestört wurden. Immerhin bekommen die Interessierten viel Wissenswertes zu den Meeresbewohnern erzählt. Für uns war die Fahrt ein kleines Highlight, wenn sie auch nicht ganz billig ist. Den Tag beschließen wir in der Alten Werft bei einem Lillet mit Erdbeeren und einem Stück göttlicher Trümmertorte.
Mit dem Fahrrad nach Tetenbüll
Beinah hätte ich unsere Fahrt in den bezaubernden kleinen Ort Tetenbüll unterschlagen. Bekannte von uns haben dort ein wunderschönes Haus mit großem Garten gekauft und aufs Feinste hergerichtet. Der Ort strahlt eine Ruhe und Behaglichkeit aus, die uns sofort in ihren Bann gezogen hat. Eine hübsche Kirche mit einer bemalten Holzdecke, einen historischen Gemischt-Warenladen, eine Grundschule und ein Seniorenheim. Diese Kriterien waren sicher nicht ausschlaggebend für den Kauf, des mit einem Reetdach gedeckten Hauses. Das Theatrium im Ort bietet Kulturveranstaltungen, leckeren Kuchen und andere kulinarische Köstlichkeiten. Die zehn Kilometer waren auf den geteerten Fahrradwegen überhaupt kein Problem und den E-Antrieb brauchte man nicht zu bemühen. Die hervorragende Beschilderung ließ das Navi im Handy nie in Aktion treten.
Hoch zu Ross zum Herrenhaus Hoyerswort
Damit kein falscher Verdacht aufkommt, ich meine natürlich das Stahlross, mit dem ich eines der schönsten Gehöfte in der Nähe unseres Urlaubsdomizil Tönning besuchte. Anfangs ging es in Richtung St.Peter-Oeding auf einem Radweg, dann leider über die Landstraße, auf der gefährlich schnelle Fahrer mit NF-Kennzeichen unterwegs waren. Zum Glück war die Entfernung moderat und man sah schon von weitem das Dach des mächtigen Hauses durch die Bäume lugen. Das Herrenhaus mit angeschlossenem Haubarg (Bauernhaus eines Großbauern) strahlt aus jeder Ritze das Vermögen seiner Erbauer aus und so ähnelt es eher einem kleinen Schloss als einem Herrenhaus. In dem riesigen Park kann man eine Skulpturensammlung bewundern und es sich danach bei einem Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee vor dem Haus gut gehen lassen. Das Herrenhaus ist von einem doppelten Wassergraben umgeben und zählt zu den schönsten Renaissance-Bauten Schleswig-Holsteins. Die Rückfahrt begleitete mich eine zunehmend düstere Wetterlage. Kaum am Wohnmobil angekommen, öffnete sich der Himmel und es regnete wolkenbruchartig.
Liebeserklärung an Tönning, die kleine Hafenstadt an der Eider
Ganze vier Wochen stehen wir nun auf dem Wohnmobilstellplatz Eiderblick. Gras und Klee haben fast den Boden unseres Wohnmobils erreicht und der Platzwart schaut immer kritischer zu diesem Wildwuchs hin. Es ist Zeit ein Statement abzugeben um diese ungewohnte Sesshaftigkeit zu erklären. Der Plan sah ursprünglich lediglich eine Woche Verweildauer vor. War es die fantastische Seeluft, der Platz mit seiner fast perfekten Infrastruktur oder die Nähe zu der gemütlichen Stadt mit allen Einkaufsmöglichkeiten. Nein, das alleine war es sicher nicht. Es war in erster Linie die wunderbare Ruhe, der schöne Blick auf die Eider, die nur wenige Meter entfernt, an unserem Mobil im Takt der Gezeiten vorbei floss. Es war auch die bequeme Verkehrsanbindung mit Bus, Rufbus und Eisenbahn. Die schönen Restaurants und Cafés in fußläufiger Entfernung sowie die freundlichen Menschen, die uns allenthalben aufgeschlossen begegneten. Vielleicht hat aber auch Bäcker Balzer vom Tönninger Marktplatz mit seinem himmlichen Sortiment unterschiedlichster Backwaren einen großen Anteil daran. Auch Boye Hamken, das Geschäft in dem man alles bekommt, was die Lieben zu Hause erfreut, muss man ebenso besuchen, wie auch seinen Ableger „Das Kontor am Hafen“, mit seinen ganz speziellen Leckereien mit und ohne Alkohol.
Zu alldem Gesagten kommt das einzigartige Flair der kleinen Stadt, dass sich nur ganz schwer erklären lässt. Im Gegensatz zu den klassischen Seebädern in der Nähe, hat sich Tönning seinen ganz eigenen Stil erhalten und lebt mit der überschaubaren Zahl der Touristen in perfekter Symbiose. All das gilt auch für die beiden Stellplätze und den Campingplatz der Familie Simon Am Freizeitpark 1a. Die Anlagen sind super gepflegt und die Organisation ist kaum zu toppen. Einzig die elektronischen Helfer beim Ein-und Auschecken, verlangen vielen Gästen ein wenig Kenntnis in der Handhabung digitaler Kommunikationsgeräten ab. Reservierung ist auf allen Plätzen angesagt und dies ganz besonders in der Saison. Das einzige was die Ruhe auf dem Eiderblick etwas stört, ist das ständige Ratsch-Bumm der Kastenwagentüren. Damit werden die „alten“ Wohnmobilfahrer leben müssen. Diese Art der Freizeitfahrzeuge, aus den Anfängen der Camping-Mobile, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und der Trend wird wohl noch eine Weile anhalten.
Seit 30 Jahren bin ich jetzt mit meinem vierten Mobil in ganz Europa unterwegs. In Deutschland, nach dem Besuch vieler Camping und Stellplätzen haben wir wohl unsere Camping-Heimat gefunden. Tönning, wir kommen gerne wieder. sig/Fotos: Gerdau