Pfarrer i. R. und Stadtführer Ronald Lommel beherrscht das Westerwälder Platt wie kaum ein anderer. Besonders schön klingt es, wenn er seine selbst getexteten Gedichte in dieser Mundart vorträgt. Übers Wetter kann man immer sprechen, mag er sich da gedacht haben und wer in versteht, dem gefällt dieses wunderschöne Gedicht sicher sehr gut.
Wer im Herborner Raum von Dialekten und plattsprechenden Menschen spricht, denkt sicher unwillkürlich an den mittlerweile emeritierten, langjährigen Pfarrer Ronald Lommel. Der Geistliche mit dem markanten Vollbart, hat sich wie kaum ein anderer im heimischen Raum mit den hier vorkommenden vielschichtigen Mundarten befasst. Kenner hören bei ihm ganz deutlich den Langenaubacher Jung heraus, wenn als Fremdenführer durch Herborns Gassen führt, um ihnen die Stadt an der Dill nahezubringen. In der heimischen Mundart sprechen ist eine Sache. Ronald Lommel reicht das jedoch nicht. Akribisch, fasst wissenschaftlich setzt er sich immer wieder mit den Dialekten auseinander. Im hessischen Mundart- Dachverband ist er der 2. Vorsitzende und dort setzt er seine ganze Kraft für die regionale Sprache und deren Erhalt ein. Dem nachfolgenden Artikel werden noch weitere in meinem Blog folgen und ich bin Stolz darauf, diese hier veröffentlichen zu dürfen. sige
Hochdeutsch, Platt, Dialekt und Mundart
von Ronald Lommel
Seit einigen Jahren stelle ich fest, dass immer mehr Menschen in unserer Region sich zu ihrer Heimatsprache, dem sogenannten „Platt“ bekennen. Galt es lange Jahre als unschicklich und hinterwälderisch, so entdeckt und liebt man in unseren Tagen immer häufiger die Einzigartig-keit und Besonderheit unser eingeborenen Sprache. Als Stadtführer bin ich immer wieder überrascht, wie viele Menschen mich darauf ansprechen.
Unser „Hochdeutsch“ wurde vor allem von Martin Luther bei seiner Bibelübersetzung nach der sächsischen Kanzleisprache entwickelt. 1534 erschien die erste Gesamtdeutsche, allge-mein anerkannte, Übersetzung der ganzen Heiligen Schrift. Diese Übersetzung war einfach eine Meister-leistung, die bis heute unübertroffen ist. Luther war ein Sprachgenie.
Neben dieser Kunstsprache „Hochdeutsch“ gibt es aber weiterhin eine Vielzahl von lokalen, deutschen Natursprachen, die, bedingt durch die verschiedenen Landschaften und alten Stammesherkunften der Menschen, sich ihre je eigenen Besonderheiten erhalten haben. Diese „Natursprachen“, oder, wie ich gerne sage „Heimatsprachen“ gibt es in jedem Volk. Sie alle haben einen eigenen Klang und Wellenlänge, die einem Fremden zumeist unzugänglich sind. Aber sie verbinden auch die Menschen einer Gegend, ja einer ganzen Region; denn sie vermitteln Heimat und Geborgenheit, Zugehörigkeit und Nähe, nach der viele Menschen sich auch heute noch sehnen. Nicht von ungefähr wird diese Sprache auch als „Sprache des Herzens“ bezeichnet. Und ich denke, dass wir, was das Sprechen dieser Sprachen betrifft, noch ziemlich am Anfang stehen. Das liegt auch mit daran, dass sie bisher selten schriftlich vorliegen, abgesehen vielleicht mal vom „Plattdeutschen“ und kleineren regionalen Veröffentlichungen in regionalen Heimatzeitungen und deren Beilagen wie der Dill-Zeitung oder Herborner Tageblatt.
Übrigens, das Wort „Platt“ kommt sprachgeschichtlich aus dem Griechischen „platys“. Dies wurde ins Lateinische übernommen als „plattus“ und hat eine Doppelbedeutung: einmal „breit“, „eben“, „flach“ und zum anderen: „verständlich“, „deutlich“, „bildhaft“. Letzteres ist daher in Bezug auf Sprache der treffende, tiefere Sinn. Der Satz: „Ich sage es mal ganz platt“ bedeutet daher: „Ich sage es jetzt mal so, dass es jeder versteht!“ Also, kein Schnick-Schnack, kein Drumherum, sondern deutlich deutsch, frei raus, so wie es von Herzen kommt! Das zeichnet die Menschen aus, die „platt“ schwätze.
Der Ausdruck „Diaklekt“ stammt ebenfalls aus dem Griechischen und bedeutet: „die im Umgang miteinander gesprochene Sprache.“ Gegenüber dem Wort „Platt“ klingt „Dialekt“ natürlich vornehmer, trifft aber nicht automatisch den Kern einer Sache, es ist eher eine Ver-allgemeinerung. Im Jahre 1640 hat der deutsche Sprachforscher und Wortschöpfer Philip von Zesen für das griechische Wort „Dialekt“ das deutsche Worte „Mundart“ gefunden, im Gegen-satz zur Schreibart – auch das ist bei uns noch dergestalt im Bewusstsein, dass man gerne das Hochdeutsch reden als „nach der Schrift schwätze“ bezeichnet.
Kennzeichen der „Mundart“ ist, dass sie eben nur gesprochen und, bisher zumindest, selten aufgeschrieben ist. Es ist auch nicht einfach, sich an das Schriftbild einer Mundart einzulesen, gerade die Selbstlaute haben eine solche Bandbreite, dass dies kaum aufs Papier gebracht werden kann. Dennoch, eines erfahre ich als eingefleischter Mundartler immer wieder: Mundart eröffnet häufig völlig neue Perspektiven. Starre, feste Begriffe werden durch die Mundart ganz anders ins Leben hineingeholt. Auch Texte der Hochdeutschen Bibel erhalten durch die Mundart manchmal einen ganz neuen Schwung und eröffnen so neue Gedanken. Und das reizt mich persönlich natürlich besonders…
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