Von Siegfried Gerdau
Die traditionelle Rittal-Jubilar-Ehrung in Verbindung mit der Auszeichnung der besten Auszubildenden und den besten Absolventen von Studium Plus, ist für den Firmeneigner Professor Dr. Friedhelm Loh weit mehr als eine Herzensangelegenheit. Die diesjährige Veranstaltung, an der insgesamt 246 Frauen und Männer teilnahmen, fand erneut im Nationalen Automuseum in Dietzhölztal-Ewersbach statt.

Eingerahmt von den schönsten Oldtimer- Exponaten des Automobilbaus, hatten sich die Jubilare an den schön gedeckten Tischen in der Halle, in der einst Kessel geschmiedet wurden, niedergelassen. In seiner Begrüßung sagte Friedhelm Loh mit einem verschmitzten Lächeln: „Wir sind alle etwas älter, aber für den heutigen Anlass gut poliert worden.“ Er sei sicher der Einzige mit über 50 Jahren Firmenzugehörigkeit, fügte er hinzu und sagte mit berechtigtem Stolz, dass er seine Aufgaben wohl gut erledigt habe, „sonst wären sie, die hier vor mir sitzen, heute nicht da.“

Er bedankte sich bei allen Jubilarinnen und Jubilaren, die ihre Fähigkeiten für das Unternehmen Rittal eingesetzt hätten und betonte, dass auch die Kollegen dafür danke sagen. Fast 12 000 Menschen seien ein internationales Rittal-Team. „Ihr zielorientiertes Arbeiten ist die Chance auf Erfolg.“ Im weiteren Verlauf ließ Loh die Rittal-Geschichte ab 1985, dem Jahr in dem die 40-jährigen Jubilare ins Werk eingestiegen seien, Revue passieren. So habe er damals E-Plan, ein damaliges Ein-Mann-Software-Unternehmen, in Rittal eingegliedert. Heute sei E-Plan der Größte seiner Art in Europa und das zweitgrößte in der Welt. In Sachen klimatisierte Großschaltschranktechnik sprach er sogar vom Weltmarktführer.
1985 habe der Umsatz von Rittal bei 136 Millionen D-Mark gelegen. Wenn diese Summe heute der Monatsumsatz von Rittal sei, wären wir schlecht dran, sagte der 79-jährige Visionär. Er sprach von der Millennium-Umstellung im Jahr 2000, die von vielen gefürchtet wurde. Das galt auch beim dem 1. Schritt bei der Einführung des Euro im Jahr 1999 (2. Schritt 2002), wozu die schlimmsten Szenarien prognostiziert worden seien. Die Einführung des Euros erwies sich jedoch als ein Segen für die Mitgliedsländer, aber politisch sicher nicht, fügte er ernüchternd hinzu. Die Loh-Brüder Joachim (Hailo) und Friedhelm Loh (Rittal) trennten sich in diesen Jahren und das sei das Beste, was beiden Unternehmen passieren konnte, sagte der Rittal-Chef.
Die Auslandsniederlassungen von Rittal auch in Indien und China seien eine Erfolgsgeschichte aber ebenso die deutschen Dependancen. 2015 habe Rittal mit dem Bau des Haigerer Werkes begonnen. Dort wären die neuesten Techniken im wahrsten Sinne des Wortes „ausprobiert“ worden- „das war wohl die teuerste Lernfabrik, die ich jemals gebaut habe.“ Heute sind wir zu Recht Stolz darauf und wurden immerhin in diesem Jahr zur „Fabrik des Jahres“ gekürt.
Die Fabrik des Jahres 2025 ist das Werk Rittal Haiger. Es wurde als Gesamtsieger ausgezeichnet, weil es durch hohen Automatisierungsgrad, vernetzte Prozesse und konsequente Kundenzentrierung Maßstäbe in Effizienz und Flexibilität setzt. Das Werk ist ein Beispiel für moderne Industrie 4.0-Fertigung. „Fabrik des Jahres“ ist einer der renommiertesten Produktions-Benchmark-Wettbewerbe in Europa.
Mit großem Ernst ging Professor Loh anschließend auf die zukünftige Entwicklung der bundesdeutschen Wirtschaft und der von Rittal im Besonderen ein. „Die Welt hat sich komplett geändert. Bisher ging es von kleinen Ausnahmen immer nur nach oben. „Das ist vorbei“, fügte er hinzu. „Wir haben die großen Wettbewerber in der Welt, wie beispielsweise China, nicht ernst genommen. Dieses China hat eine unglaubliche Macht. So werden jetzt die Autos in China gebaut, die sie in zwei drei Jahren kaufen und bezahlen können. Die Folgen für die deutsche Autoindustrie werden immer schlimmer“, prognostizierte der Unternehmer. „Wir hingegen in Deutschland haben sage und schreibe seit sieben Jahren nicht mehr investiert. Den ersten Wirtschaftskrieg gegen die deutsche Autoindustrie haben die Chinesen bereits gewonnen. Dazu kommt der Maschinenbau, der schon geraume Zeit nicht mehr wettbewerbsfähig ist.“ Die Preisdifferenzen zwischen deutschen und chinesischen Maschinen seien ungeheuerlich. Dazu komme, ob es einem passt oder nicht, dass die supergut und bis zu 40 Prozent billiger seien.
Auch werden die E-Autos dafür sorgen, dass die meisten Komponenten eines Automobils einfach nicht mehr benötigt werden und demzufolge auch nicht mehr gebaut werden. Deutschland wird nie mehr DER Autohersteller sein. Die Folge: Immer mehr deutsche Unternehmen müssen Mitarbeiter entlassen.
Die große Frage sei, wie wir diese Entwicklung überstehen können. „Wir müssen in den Spiegel schauen und den Dingen ins Auge blicken. Continental in Wetzlar hat das alles „ausdiskutiert“, heute diskutieren die Mitarbeiter zu Hause.“ Es werden und würden noch viel mehr Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe verloren gehen, aber wir stünden erst am Anfang, sagte der Chef. Nicht nur die Autoindustrie schrumpfe, sondern auch die pharma- und chemische Industrie. „Still und leise verlassen sie unser Land und wenn wir nicht endlich die Köpfe drehen, ist es vorbei.“ Und nehmen sie zur Kenntnis, dass es auch vorbei ist mit immer höherem Verdienst und weniger Arbeitszeit“, so Professor Friedhelm Loh sehr eindringlich. „So geht es einfach nicht mehr weiter“, sagte er und auf die Politik müsse man nicht warten, fügte er hinzu. Auch auf die zunehmende militärische Bedrohung müssten wir uns einstellen.
Immer weniger Ingenieure gäbe es in Deutschland. Das sähe in anderen Ländern ganz anders aus. Auch die längeren Arbeitszeiten wie in der Schweiz oder China seien produktiver und gesamtwirtschaftlich profitabler. In China beispielsweise werde 14 Tage an einem Stück gearbeitet und dafür bekämen die Beschäftigten einen Tag frei. Er habe jedoch nicht die Wochenendarbeit im Blick. „Damit sie mich nicht falsch verstehen, das ist, wenn es um meine Person geht, nicht selten der Fall. Seine schonungslose Darstellung in Summe aller Entwicklungen, ging den Menschen offensichtlich unter die Haut. Während seines Vortrags hätte man eine Stecknadel fallen hören.
Rittal hat seit einem Jahr neben einem Investitionsstopp auch einen Einstellungsstopp. Es sei unumgänglich, dass die Hauptinvestitionen nicht mehr in Deutschland, sondern in China seien, sagte Loh in aller Deutlichkeit. Auch in den USA soll schon bald ein Rittal-Werk gebaut werden. „Wenn wir hier mit vergleichbaren Produkten, aber gegen niedrigere Preise konkurrieren müssen, haben wir verloren. Er höre oft, dass die Amerikaner und Trump im Besonderen dumm seien. Das sei wohl nicht ganz richtig. Immerhin hätten die USA die stabilste Wirtschaftskraft. Wie zur Entschuldigung rief er den Anwesenden zu: „Sie wollen die Wahrheit wissen und daher muss ich das alles auch in dieser Jubiläumsveranstaltung sagen.“ Man könnte vor all den negativen Zukunftsaussichten Angst bekommen, rief er den Rittal-Angehörigen zu. Dennoch bliebe festzustellen, dass in der Angst auch viel Positives steckt. „In diesem Spannungsfeld müssen wir leben. Aber sicher ist das alles keine Weihnachtsbotschaft, die sie vielleicht erwartet haben.“
Die Frage nach den Dingen die das Leben ausmachen, haben er und seine Frau Deborah für sich beantwortet. Es ist unser Glaube der uns den Halt gibt, den wir vielleicht an anderer Stelle verloren haben. “ Für unser Vaterland wünsche ich mir eine Aufbruchstimmung und dabei habe ich besonders die jungen Menschen im Blick.“ Friedhelm Loh warnte davor die Kinder mit dem Abitur als einzige Alternative unter Druck zu setzen. Besonders für die jungen Menschen, die nicht wissen wie ihr beruflicher Weg beginnen soll, will Rittal als größter Ausbildungsbetrieb der Region mit der „Schule Plus“ ab dem kommenden Jahr Perspektiven schaffen (Artikel dazu hier in gerdaus- welt.de).

Im Anschluss an seine denkwürdige Rede ehrte Professor Loh die vier besten Auszubildenden und die zwei besten Studenten seines Unternehmens.
Maximilian Ginsberg, Chiara Gerloff, Maximilian Schneider und Antonia Heimann durften als besondere Auszeichnung für ihre herausragenden Leistungen je 800 Euro und ein Buchgeschenk entgegennehmen.
Mit jeweils einer glatten 1 schlossen die zwei besten Studenten des Jahres der Friedhelm Loh Gruppe Jonas Rinn und Fabio Rickes ihr Bachelor-Studium ab. Beide wollen auf jeden Fall weitermachen und den Mastergrad erreichen.


Nach dem erlesenen Essen aus der hervorragenden Küche des Nationalen Automuseums, ließen sich die 40 und 25 Jahre – Jubilare und Jubilarinnen gemeinsam mit dem Ehepaar Loh in der „Vorkriegshalle“ fotografieren.

Die musikalische Untermalung der Jubilar-Veranstaltung lag in den Händen von Eva Schäfer und Timo Böcking. Fotos: Gerdau