Der seit der Corona-Pandemie sehr bekannte Virologe hat ein Buch geschrieben und darin den Versuch gestartet diese unbewältigte Epoche unserer Nachkriegsgeschichte aufzuarbeiten.
„Nachbeben. Die Pandemie, ihre Folgen und was wir daraus lernen können“ – von Professor Dr. Hendrik Streeck. Erschienen im Piper-Verlag.
Während seiner Buchvorstellungen erlebt der Professor Erstaunliches. „Es ist ein komplett gespaltener Raum“, erzählt der Wissenschaftler von den Momenten, wenn er extreme Aussagen aus sozialen Medien zeige.
Streeck: „Ich beginne mit Zitaten, die so geschrieben wurden: auf dem einen steht, dass Corona immer noch 38-mal tödlicher ist als die Grippe und dass alle, die was anderes behaupten, Querdenker wären. Da klatscht die eine Hälfte. Dann zeige ich ein Zitat, dass die Handschellen klicken müssen für die, die die Maßnahmen während der Pandemie zu verantworten haben, dann klatschen die anderen Leute. Das ist wirklich krass.“ Es entwickelten sich rege Diskussionen daraus, es zeige aber „wie enorm emotional das Thema noch ist“.

Streeck: Ja, auch die Kommunikation, dass die Impfung „nebenwirkungsfrei“ sei, war wirklich nicht gut. Zweitens und auch darüber müssen reden: Wir, als Gesellschaft, sind mit Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten, nicht gut umgegangen. Man hat sie zum Teil ausgegrenzt, diffamiert, diskreditiert. Man hat ihnen die Schuld an dieser Pandemie gegeben. Das war einfach falsch. Da ist man mit einem Anteil der Bevölkerung, rund 20 Prozent, nicht gut umgegangen. Es wurden Schuldige gesucht, wie es bei der Pest mit den Juden gemacht wurde und bei HIV mit den Homosexuellen. Wir haben aus unserer Geschichte nicht gelernt. Der wahre Feind ist doch das Virus, nicht der Mensch.
So haben sich viele Menschen gegeneinander verfeindet.
Streeck: Und da sitzt der Stachel wirklich tief. Viele Menschen fühlten sich nicht mehr als Teil des gesellschaftlichen Lebens.
Ich glaube, dazu gehört das, was Jens Spahn sehr früh aussprach: Wir müssen uns viel verzeihen. Dazu ist es notwendig, dass man auch alles aussprechen darf!
Meinung: Interessant ist die Tatsache, dass Streeck diese Spaltungen ausschließlich dem System, beziehungsweise den Regierenden anlastet. Das greift meiner Meinung nach viel zu kurz. Ganze politische Gruppierungen fühlten sich angesprochen und aufgerufen ihre „Impfunwilligen“ Mitbürger zu diskreditieren, zu beschimpfen und verantwortlich für die Ausbreitung der Pandemie zu machen. Während die Masse der Bundesbürger sich brav die Seren von Biontech und Co einverleibte und nicht selten dadurch unerwartete Ergebnisse erhielt, gab es ein anderer Teil, der von der Richtigkeit der getroffenen Maßnahmen nicht überzeugt werden konnte.
Die daraufhin einsetzende „Hexenjagd“ erinnerte an Verhältnisse wie im tiefsten Mittelalter. Lautstark forderten ihre Wortführer mit Schaum vor dem Mund, diese „Nazis, Querdenker und Verschwörungs-Theoretiker“ aus der Gesellschaft zu entfernen oder hart zu bestrafen. Rechte Extremisten seien sie alle und man ordnete auch sofort die Urheber der Montagsmarschierer staatsfeindlichen Kreisen zu.
Die „zivilen Ankläger“ nach eigenem Ermessen hatten zwar allesamt von der Materie keine Ahnung, nahmen sich aber heraus, alle Andersdenkenden zu verteufeln. Das machte auch vor dem Klerus und anderen christlichen Institutionen nicht halt. Die grundgesetzlich garantierte freie Meinung war nicht in Gefahr. Es sei denn, sie entsprach nicht der richtigen.
Dieser mit Ausbruch der Corona-Pandemie sich in rasender Geschwindigkeit parallel dazu verbreitendende elende Keim gegenseitiger Beschuldigungen, Beschimpfungen und Denunziationen feiert immer noch fröhliche Urständ:
Wer Kriegsangst hat ist ein Putin-Freund. Wer gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ist, ebenfalls ein Putin-Freund. Wer diplomatische Wege, um den Krieg zu beenden, favorisiert, ist ein Putin-Freund. Natürlich ist die grundgesetzliche Meinungsfreiheit in unserem demokratischen Land garantiert. Nur, leider muss es auch hierbei die richtige sein und das ist spätestens seit Corona so geblieben. Ich und Millionen anderer Mitbürger auch, hoffen inständig, dass dies nicht so bleiben wird. Ich möchte wieder meine Meinung sagen und darüber auch mit Mitmenschen diskutieren und nicht abgestempelt oder „gemeldet“ zu werden.
Die lateinische Formulierung divide et vince (teile und herrsche) hätte mit dem Ende des römischen Imperators Julius Cäsar ebenfalls untergehen sollen. Leider hat sie heute noch ihre Gültigkeit. Das steht aber einer echten Demokratie nicht gut zu Gesicht. Das erste Wort der dritten Strophe unserer National-Hymne muss wieder über allem stehen. sig