Nachdenkenswertes zum Jahreswechsel
Von Siegfried Gerdau
Höflichkeit, Respekt, Anstand und Rücksichtname waren einst die „Kopfnoten“ im Zeugnis eines guten Miteinanders. Der Wunsch für einen „guten Tag“, auch Fremden gegenüber, gehörte ebenso dazu, wie einem Anderen die Türe aufzuhalten. So lernte und lehrte man einst, dass es sich „gehört“ einem Älteren oder einer Älteren seinen Platz anzubieten und dies im Besonderen einer Person, die auf unterschiedlichste Weise gehandikapt ist.

Eine Gesellschaft in der sich nur der Schnellere und Stärkere ohne Rücksicht auf Verluste skrupellos durchsetzt, verliert den Respekt vor sich selber. Das deutsche Volk hatte ihn einst gegenüber seinen Mitmenschen verloren und wurde dafür hart bestraft. Die nachfolgende Generation begriff, dass das Grundgesetz Paragraf 1 Absatz 1 nicht ohne Grund in unserer Verfassung festgeschrieben wurde. Aus unserer schrecklichen Vergangenheit ergab sich auch die Erkenntnis, dass nur aus dem sorgsamen, respektvollen Umgang untereinander ein Gemeinwesen auch pekuniär profitieren kann.
Höflichkeit und Respekt gegenüber dem sogenannten „schwachen“ Geschlecht, ist eine männliche Tugend und wird auch von den „Betroffenen“ in der Regel so empfunden. Emanzipation ist absolut in Ordnung, denn eine Frau ist eben nicht nur Gebärmaschine oder Hausangestellte, sondern den „Herren der Schöpfung mindestens gleichgestellt. Dennoch gebietet es der Anstand und die Achtung ihr im wahrsten Sinne des Wortes den „Vortritt“ zu lassen.
Das Gleiche gilt auch im Straßenverkehr gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Wer einmal die Vorfahrt gewährt, den Blinker rechtzeitig setzt oder auch mal auf die Bremse tritt, auch wenn das eigentlich der andere tun müsste, ist immer noch männlich (oder auch fraulich) aber in jedem Fall höflich und respektvoll. Menschen die nicht Willens oder in der Lage sind, diese einfachen Regeln des höflichen Miteinanders zu akzeptieren, erfahren früher oder später am eigenen Leib, dass sie den falschen Weg gegangen sind.
Das alles gilt im Übrigen auch für ein Unwesen des gegenseitigen „in-die-Pfanne-hauens“. Denunzieren, melden und anschwärzen gilt seit einiger Zeit als Tugend, ist aber im Grunde genommen die Belebung der niedrigsten Instinkte. Die gesellschaftlichen Folgen sind Abschottung, Angst vor offenen Gesprächen und Wegbereiter von Hass und Hetze. Melde-Menschen spielen sich zu Rechthabern und einzig Wissenden auf, um von ihren eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.
Der Artikel 2 des Grundgesetzes spricht von der Freiheit der Person und im Artikel 5 werden klare Ansagen zu Meinungsfreiheit, genauer Meinungsäußerungsfreiheit paraphiert. Sie gewährleisten das subjektive Recht auf freie Rede sowie freie Äußerung und (öffentliche) Verbreitung einer Meinung in Wort, Schrift und Bild sowie allen weiteren verfügbaren Übertragungsmitteln. Wenn diese Meinungen keine persönlichen Beleidigungen enthalten, sind sie auch nicht „meldewürdig“.
Respekt und Anstand gebieten es, eine Meinung höchstens mit einer Gegenmeinung zu beantworten, aber sicher nicht mit anonymem Anschwärzen nach Blockwartmanier. Die sozialen Netzwerke sind vielen Menschen ein Dorn im Auge, weil sich dort nicht selten der Volkszorn entlädt. Nein, das gab es früher nicht und es wurden auch keine Häuser beschmiert, Autos angezündet, Menschen mit Gewalt bedroht oder gar wegen den unterschiedlichsten Anschauungen ums Leben gebracht. Ja, das war vor vielen Jahrzehnten einmal ganz anders. Leider treten die Erkenntnisse daraus (schon wieder) immer mehr in den Hintergrund.
Es lohnt sich darüber nachzudenken. Wer schon bei seinen Kindern einfach zu begreifende gesellschaftlichen Verhaltensregeln in die Erziehung einfließen lässt, macht garantiert nichts falsch und schafft vielleicht damit die Voraussetzung für Höflichkeit, Respekt, Anstand und Rücksichtname. Bild: KI