An
Ministerpräsident Volker Bouffier MdL
Landesvorsitzender der CDU Hessen
Alfred-Dregger-Haus
Frankfurter Straße 6
65189 Wiesbaden
E-Mail: info@volker-bouffier.de
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
mein Name ist Bernd Koch. Ich bin aktiver Sänger und stellvertretender Vorsitzender im Chor „Sing &
Act e.V. – Haiger“. Wir sind ein gemischter Pop-Chor mit 35 Sängern und Sängerinnen. Unsere Heimat
liegt im hessischen Haiger im Lahn-Dill-Kreis. Dort wurde der Chor 1997 als Projektchor gegründet und
nach und nach steigerten sich die Sängerinnen und Sänger durch verschiedene Auftritte bis heute zu
einer festen Größe in der Region. Der Chor „Sing & Act“ erreichte beim Meisterchorsingen des Hessischen Sängerbundes in einer hervorragend besetzten Klasse „Pop- und Jazzchöre“ ein hervorragendes
Silberdiplom als „bester Chor ohne Auswahlstruktur“. Auch innerhalb der Vergleichs- und Wertungssingen des Dill-Sänger-Bundes belegt Sing & Act immer vordere Podiumsplätze. Der Chor ist mittlerweile ein musikalisches Schwergewicht in der hessischen Chorszene und weit über das Lahn-Dill-Gebiet
hinaus bekannt.
Unser Motto lautet „Singen macht Spaß“
Warum wende ich mich an Sie? Ich habe im Internet auf der Seite https://soziales.hessen.de/gesundheit/corona-hessen/informationen-fuer-buergerinnen-und-buerger/freizeitaktivitaeten-veranstaltungen-im-privatenoeffentlichen-raum einen Beitrag zu einer Verordnung gefunden, der mich doch als
Chorsänger mehr als betroffen macht. Der Artikel, auf den ich mich beziehe, findet sich in Punkt 1
„Chor- und Orchesterproben“ wieder.
Chor- und Orchesterproben
Zusammenkünfte und Veranstaltungen können nach § 1 Abs. 2b CoKoBeV aktuell nur stattfinden, wenn an diesen ein besonderes öffentliches Interesse besteht und eine Genehmigung der zuständigen Behörde vorliegt. Beispielhaft
werden Gedenkveranstaltungen, Blutspenden und Maßnahmen der Tierseuchenbekämpfung und -prävention benannt. Bei diesen Zusammenkünften muss
nach § 1a Abs. 1 Satz 2 CoKoBeV eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden.
Es wird davon ausgegangen, dass ein besonderes öffentliches Interesse für Chorproben nicht besteht; Chor- und Orchesterproben, die nicht beruflich bedingt
sind und für die deshalb kein öffentliches Interesse besteht, dürfen daher aktuell Bernd Koch
Osterwiese 10 | 35685 Dillenburg
E-Mail: berndkoch@online.de
nicht stattfinden. Umfasst sind alle Zusammenkünfte zum Musizieren (dies betrifft alle Instrumente unabhängig vom jeweiligen Ausstoß an Aerosolen), also
nicht nur Proben mit Blasinstrumenten, z.B. des Posaunenchors oder Gesangsproben.
Musikunterricht – auch mit Blasinstrumenten – ist dagegen weiterhin gestattet,
da hier ein Bildungsauftrag besteht. Lehrende und Lernenden sind zum Spielen
von Blasinstrumenten von der Pflicht des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit, sofern die Abstände von 1,5 Metern und die geltenden Hygieneregeln eingehalten werden und regelmäßiger Luftaustausch gewährleistet ist.
Ich glaube sehr wohl, dass es in Deutschland und auch in Hessen ein besonderes öffentliches Interesse
für Chorproben gibt.
Singen ist in: Etwa 3,3 Millionen Menschen in Deutschland über 14 Jahren singen nach Angaben des
Deutschen Musikinformationszentrums in Gesangsgruppen und Chören. Dabei macht Singen, entgegen unserem Motto nicht nur Spaß, sondern wirkt sich positiv auf die psychische und körperliche Gesundheit aus.
Liebes Sozialministerium Hessen, liebe hessische Landesregierung, sehr geehrter Herr Bouffier, liebe regionalen Parteivertreter der an der hess. Landesregierung beteiligten Parteien, liebe Opposition, die ja nicht anders handeln würde,
unter https://soziales.hessen.de/gesundheit/corona-hessen/informationen-fuer-buergerinnen-und-buerger/freizeitaktivitaeten-veranstaltungen-im-privatenoeffentlichen-raum findet man den lapidaren Satz: „Es wird davon ausgegangen, dass ein besonderes öffentliches Interesse für Chorproben nicht besteht.“
OK. Nur zum Verständnis:
– mehr als 3,3 Mio Menschen über 14 Jahren, die geschätzt in Laienchören deutschlandweit singen, das sind ca 2 – 3% der Gesamtbevölkerung Deutschlands, sind also nicht von öffentlichem Interesse.
– Ca 1,5 Mrd € Wertschöpfung, etwa 4 – 7% des BIP (2018), für Musikinstrumente, Notenmaterial usw sind nicht von öffentlichem Interesse.
– Die 3,3 Mio Menschen singen in ca 61.000 gemeldeten Chören, de facto ist die Zahl aber sehr, sehr, sehr viel höher, da es eine unüberschaubare Menge an nicht gemeldeten Ensembles gibt. Alle diese Ensembles haben Chorleiter, die Honorare bekommen und jetzt Arbeitsverbot haben. Seit einem Jahr finden von über 61.000 Chören keine Konzerte statt, also verdienen angestellte Musiker, Chorleiter, Caterer, Bühnentechniker, Equipmentverleiher, Grafikbüros (für Plakate, Flyer…). Druckereien usw ebenso nichts, haben Berufsverbot. Aber klar. Hat kein öffentliches Interesse.
– Man schätzt, dass über die Laienchorszene etwa 1 Mio Arbeitsplätze direkt und etwa 2 Mio Arbeitsplätze indirekt abhängt – ohne öffentliches Interesse natürlich.
Und dann kommt das soiale Leben. Moment: „SOZIALministerium – SOZIALes Leben der Menschen… ich wittere einen Zusammenhang! Forschungen der Universitäten Frankfurt, Hamburg und viele andere haben nachgewiesen, dass Singen alleine oder im Chor aktiv Krankheiten vorbeugt, gerade im Zusammenhang mit Covid-19 das Immunsystem stärkt, die Atmung verbessert, Herz-Kreislauf stabilisiert, Schmerzen lindern kann, die Hirnaktivität steigert, Intelligenz fördert, Hirnplastizität anfeuert, Demenzen entgegenwirkt, um nur einige zu nennen. Darüber hinaus (Achtung: SOZIALministerium!!) stärkt es zwischenmenschliche Beziehungen, gibt den Menschen halt und Bindung, stärkt das Sozialgefüge einer Gesellschaft, fördert Demokratie und Wertebindung. Aber , ich vergaß: ist ja nicht von öffentlichem Interesse.
Und bevor jetzt wieder die Aufschreie kommen, von wegen Aerosole und Virenschleudern im Chor: NEIN!!!!! Ist nicht!!!! Haben all die 61.000 Chöre bewiesen, dass gerade Chöre hervorragend tragfähige Hygienekonzepte entwickelt haben und umsetzen. Mittlerweile haben sehr viele Studien beweisen (Echternach, München LMU; MH Freiburg; www.sueddeutsche.de/kultur/chor-coronavirus-singen-1.4906317; www.bbc.com/news/health-53853961; www.aerzteblatt.de/nachrichten/114701/SARS-CoV-2-Evidenz-spricht-gegen-Ansteckung-ueber-die-Luft; www.faz.net/-gs3-a188x?GEPC=s13), dass vom Chorsingen unter Einhaltung gewisser Regeln KEINE erhöhte Gefahr ausgeht!!! Liebe oben Angesprochene: Der lapidare Satz „Es wird davon ausgegangen, dass ein besonderes öffentliches Interesse für Chorproben nicht besteht.“ ist schlichtweg eine Unverschämtheit und ein Schlag ins Gesicht all der Ehrenämtler, die für ihren Verein leben und kämpfen. Was haben wir der Politik getan? Seit Jahrzehnten retten wir eure langweiligen Eigenlobveranstaltungen mit unseren Vorträgen, oft „für lau“! Wir werden benachteiligt wo es nur geht, Gleichbehandlung mit Sport z.B. gibt es nicht! Warum dürfen Kinder im Sportverein zusammenkommen und gemeinsam keuchen und schnaufen, in einem Kinderchor unter Hygienebedingungen aber nicht? Sind für euch Millionen Menschen, Arbeitsplätze, Sozialkontakte, Einzelschicksale und nicht zuletzt Steuereinnahmen „nicht von Interesse“?? Wieso treten Sie das teils jahrzehntelange ehrenamtliche Engagement tausender Menschen mit Füßen, indem Sie RS-Fehler als „Tupperparty „ bezeichnen? Am Wochenende sind Wahlen: Ich hoffe inständig, dass all die Millionen, die für euch „nicht von Interesse“ sind, euch mal ihrerseits deren „nicht von Interesse“ zeigen! Sing&Act e.V. Haiger, ein kleiner aber durchaus nachgefragter und somit von öffentlichem Interesse seiender Chor, fordert im Namen aller Chöre in Hessen, dass diese unmögliche, unverschämte und schlichtweg unwahre Formulierung getilgt wird und die daraus sich ergebenden Konsequenzen überdacht werden!
Es sei in diesem Zusammenhang auch auf den Artikel des Deutschen Chorverbandes von Bernhard Schmidt verwiesen!