Höflichkeit und Rücksichtnahme

In der zivilisatorischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit spielte Höflichkeit schon immer eine tragende Rolle. So ist Grüßen zum Beispiel eine Erscheinungsform der sozialen Welt. Es ist ein Ausdruck von Respekt, Achtung und sozialer Kompetenz. Aus der Begrüßung wird aber nicht nur die kulturelle, familiäre oder soziale Zugehörigkeit ersichtlich. Sie sagt auch viel über die eigene Persönlichkeit und die Bindung, die man zu seinen Mitmenschen hat aus.

Die vermehrt beklagte Rücksichtslosigkeit ist besonders im Straßenverkehr augenfällig wenn es um das Anzeigen der Fahrtrichtung geht. Blinken dient nicht nur der Verkehrssicherheit, sondern ist auch ein Aspekt der Höflichkeit. Man zeigt anderen Verkehrsteilnehmern das eigene Vorhaben an, so dass diese sich darauf einstellen können. Aber: Wer sich darauf verlässt, dass Fahrerinnen oder noch viel mehr Fahrer den Blinkerhebel benutzen, wird leider oft eines Besseren belehrt.

In vielen anderen Ländern manifestiert sich das Wahrnehmen anderer Menschen mit viel größerer Selbstverständlichkeit. Gemeint ist das Grüßen. In dem alten deutschen Wort Estimieren, was so viel bedeutet wie beachten oder wertschätzen , steckt viel Positives. Bezeichnenderweise ist aber dieser Begriff fast in Vergessenheit geraten und könnte dadurch auch als Synonym für den Rückgang von Höflichkeit und Rücksichtnahme gewertet werden.

Als Männer noch „behütet“ waren, hoben sie zum Grüßen ihrer Zeitgenossen den Hut leicht an. Man reichte sich auf unterschiedlichste Art die rechte Hand und schaute sich dabei an. Im Vorbeigehen wünschten sich auch Fremde eine schöne Tageszeit. Wer heute noch so durchs Leben geht, erntet oftmals Unverständnis.

Ein Hallo oder Hi kommt nur im äußersten Fall über die Lippen. Das ist aber dann schon die Ausnahme. Die Regel ist stures Nichtbeachten. Kein Stuhlrücken für die Dame. Einen Sitzplatz in Bussen oder Bahnen anzubieten ist per se aus der Mode gekommen. Diese Strecke von Unhöflichkeiten oder fehlender Rücksichtnahme wird höchstens von älteren Menschen durchbrochen oder von denen die im Elternhaus eine gute Portion Benimm mitbekommen haben.

Dass Pünktlichkeit eine Frage von Respekt und Wertschätzung ist, sollte nicht unerwähnt bleiben. Ein alter Spruch mit viel Hintersinn sagt sehr viel darüber aus: „Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“. Auch das Sprichwort „Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Deutschen Pünktlichkeit“, wirft ein Blick auf die einstigen Gepflogenheiten, die heute eher selten gepflegt werden. Höflichkeit und Rücksichtnahme würde auch den Beziehungen zwischen Ländern gut tun. Wer höflich und rücksichtsvoll ist wirft keine Bomben und verschießt keine Raketen. Aber letzteres ist wohl ein sehr frommer Wunschtraum. sig

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