Von Artur Schmidt
Schon seit geraumer Zeit trug sich der 60-jährige Herborner Peter Hartung mit dem Gedanken, einmal in seinem Leben auf dem Gipfel eines Viertausenders zu stehen. Das neunundfünfzigsten Lebensjahr hinter sich gelassen, begann er konkret sich mit dieser Herausforderung zu beschäftigen.
Seit einigen Jahren, nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung, achtete der Schreiner besonders auf seine Gesundheit. Hierzu gehört viel Bewegung in Form von Laufen, Wandern und Biken. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung und ein mäßiger Alkoholkonsum sind die Faktoren einer guten Fitness.
Einmal im Leben auf das Matterhorn
Mit diesen Grundlagen ausgestattet, ging er an die „Challenge Viertausender“ heran. Gewissenhaft recherchierte er den geeigneten Ort seines Vorhabens. Den so leger geäußerten Spruch zu seiner Ehefrau Sonja „ ich will einmal im Leben auf das Matterhorn“, war wohl nicht ganz ernst zu nehmen und eher als „Motivationsgedanke“ zu verstehen. Als Realist kam er zu dem Entschluss, sich im Matterhorngebiet einen Berg auszusuchen, der mehr als 4000 Meter hoch ist, um seinen Traum zu realisieren.

Letztendlich entschied er sich für die Besteigung des Breithorns. Von erfahrenen Bergsteigern als leicht bezeichnet, stellt er für Anfänger eine besondere Herausforderung dar. Das Breithorn, welches in der Gebirgsgruppe der Walliser Alpen an der Grenze zwischen Schweiz und Italien liegt, ist ein Teil des Monte-Rosa-Massives, wobei der Westgipfel mit einer Höhe von 4164 m die höchste Erhebung ist.
Am 28. Juni traf er am Ausgangsort Zermatt (Schweiz) ein. Am nächsten Tag führte ihn sein Weg sofort zur „Matterhorn Touristik“ . Hier buchte er eine geführte Tour mit einem erfahrenen ortskundigen Bergführer. Nach einer etwas unruhigen Nacht, in der ihm Zweifel an der Durchführung seines Vorhabens aufkamen, traf sich die „Crew“, bestehend aus einem erfahrenen österreichischen Ehepaar und einem ebenso „bergerprobten Sachsen“ und dem heimischen Bergführer an der Matterhorn Glacier Zahnradbahn, zum Start der Bergbesteigung.
Ausgerüstet mit Pickel, Seil und Steigeisen bestieg die Gruppe die Seilbahnkabine.
Beim kurzen Kennenlernen während der Fahrt , kamen dem Herborner erneut Bedenken auf, ob sein Ehrgeiz für ein solche Unternehmen zu groß sei. Seine Tour- Kameraden erzählten von früheren erfolgreichen Bergbesteigungen. Der Herborner konnte als höchsten Punkt in seinem Leben lediglich den Feldberg (818 m) im Taunus dagegensetzen. Aber was soll es, er hatte sich für diesen Weg entschieden und wurde vom Bergführer als gut trainierte Person für das Vorhaben ermutigt, die Sache durchzuziehen.
Nach gut 45 Minuten hatten sie die höchst gelegene Bergbahnstation Europas auf 3821 m. ü.M. dem „Matterhorn Glacier Paradies“ erreicht. Nach einer Sicherheitseinweisung formierte sich die Gruppe, ausgerüstet mit Pickel und Steigeisen, zum Abmarsch über das vergletscherte Breithorn. Hier achtete der Bergführer besonders auf die Umgehung der zahlreichen, oftmals verdeckten, Gletscherspalten.
Bereits nach einigen Minuten begann der Kampf mit der extrem dünnen Luft auf über 3500 m ü.M.
Der Wechsel von seinem Wohnort Herborn ( auf ca. 250 m ü.M) in lediglich zwei Tagen auf über 3000 m ü.M, setzte seinem Körper erheblich zu. Schnell litt er unter extremen Atembeschwerden. Jeder Schritt wurde zur Qual. Hartung, der an vorletzter Stelle der angeseilten Gruppe ging, wurde zum Hemmschuh des Quintetts. Gruppen, die vor ihnen gingen, motivierten ihn und forderten zum stetigen Gehen auf . Besonders hart wurde es dann auf dem 35 prozentigen Anstieg zum Westgipfel des Breithornes. Dazwischen fielen Sprüche wie „der Berg wird dir nicht geschenkt, den musst du dir erkämpfen“ oder „wer stehen bleibt, der stirbt“. Wahre Worte, die der Hesse wohl verstand, dessen Ausführung jedoch von Meter zu Meter schwerer wurde. Seine Pulsuhr zeigte kurz vor dem Gipfelkreuz 169 Herzschläge.


Geschafft erreichte er nach rund zweieinhalb Stunden den Gipfel. Der Ausblick über 37 „Viertausender“ entschädigte ihn für die unterschätzten Anstrengungen. Natürlich wollte Peter Hartung die Einmaligkeit der Bergbesteigung mit Bild festhalten. Vergeblich suchte er nach seinem Handy. Die sofortige Suche war erfolglos. Ohne Handy ging es dann wieder ab ins wunderschöne Zermatt. Hier konnte er es orten. Mittlerweile hatte es ein italienischer Bergsteiger gefunden und auf einer Berghütte im angrenzenden Aostagebiet (Italien) abgegeben.

Erleichtert kam der Herborner dann spät in der Nacht in sein Hotelbett. Er blickte zufrieden auf einen außergewöhnlichen Tag in seinem Leben zurück. Nach wohlverdientem Schlaf holte er dann sein Handy am nächsten Tag in Italien ab. Erleichtert, es wieder zu besitzen und glücklich, über die erfolgreiche Bergtour, genoss er die restlichen Tage in der herrlichen Schweizer Alpenregion um Matterhorn, Eiger und Jungfrau.
Für den Herborner eine tolle Erfahrung, die er im Wiederholungsfall anders angehen würde.
„ Wenn ich eine solche Tour nochmals machen sollte, werde ich mich im Vorfeld einige Tage an die Höhe gewöhnen, damit mein Körper mehr rote Blutkörperchen bilden kann. Ich hatte die Höhe einfach unterschätzt. Der Kampf um Sauerstoff, hat das Erlebnis erschwerte. Die Eindrücke, die ich erleben und mitbringen durfte, sind jedoch bleibend und unbeschreiblich. Ich würde es wieder tun“ so Peter Hartung, der seine nächste Tour schon plant.
Fotos: privat