Herborner Parkplatzabbau-sinnvoll oder gefährlich

Kommentar von Siegfried Gerdau

Es gibt in Herborn Interessensgruppen, die möchten, dass der Kornmarkt ebenso wie der Holzmarkt zukünftig autofrei wird. Die Idee dazu schwingt schon länger im politischen Raum und wurde auch bereits als Versuchsballon getestet.

Jetzt folgt der zweite Streich und der soll nach Auffassung einer „Arbeitsgruppe“ in der Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Oktober gelten. Mehrere Varianten stehen dabei im Raum. Ziel ist, Kornmarkt und nach Möglichkeit auch den Holzmarkt für den PKW-Verkehr zu sperren und alles zur Fußgängerzone erklären.

Auch der sehr gut angenommene Stadtmarkt auf dem Kornmarkt wird bei den Autofrei-Planungen nicht alt werden.

Keine Parkplätze mehr in Herborn?

Die Anwohner mit Parkausweis sollen auf dem bis dahin hoffentlich fertig gewordenen Parkplatz hinter dem Schloss-Hotel, parken dürfen. Abgesehen davon, dass dies ein auf städtische Kosten recht teurer Privatparkplatz wird, merken Schnelldenker schon recht bald, wohin der Hase läuft. Mit der Ablehnung des Parkhausprojekts Am Hintersand wird der öffentliche Parkraum in Herborns Innenstadt sukzessive in Richtung Null gefahren.   

Man wolle den Gewerbetreibenden die Möglichkeit geben, die freiwerdenden Flächen für ihre Zwecke zu nutzen. Da stellt sich doch die Frage, wozu bitte konkret?  Beispiel Kornmarkt. Es gibt am Anfang ein kleines Restaurant, gegenüber eine Kaffeerösterei und am anderen Ende ein Café. Die sollen sich jetzt über den gesamten Kornmarkt erweitern? Was ist mit den beiden Boutiquen, dem Friseursalon, dem Stadtmarkt? Sollen die auch ihre Einrichtungen auf dem Kornmarkt aufbauen und eine Spaßvermarktung praktizieren?

Zu schade für ideologische Stadtentwicklungsexperimente

Eigentlich ist die wunderschöne Fachwerkstadt Herborn viel zu schade für ideologische Stadtentwicklungsexperimente. Eine junge Frau brachte es auf den Punkt: „Es ist doch sehr gut so wie es ist. Warum lässt man es denn nicht so.“ Eine andere meinte: „Hat man bei allen Überlegungen auch an die große und immer älter werdende Zahl von Menschen gedacht, die auf fahrbare Untersätze gleich welcher Antriebsart angewiesen sind.“ Ein Gastronom ergänzt, indem er darauf hinweist, dass genau diese Leute das Geld in die Stadt bringen und wenn sie dort nur noch unter Schwierigkeiten hinkommen, für immer wegbleiben.

Wer sich einmal die Mühe macht auch nur einen halben Tag lang die Bewegungen in der Stadt zu beobachten, wird schnell feststellen, dass besonders viele ältere Menschen mit und ohne Behinderungen den Bereich von Markplatz, Korn- und Holzmarkt frequentieren. Viele davon suchen das einzige Reformhaus im Umkreis von 60 Kilometer auf, um dort ihren Einkauf zu erledigen. Ich hatte keine Scheu, einige davon anzusprechen. Eines der am meisten geäußerten Argumente waren die zwar per se knappen, aber dennoch vorhandenen Parkmöglichkeiten vor dem Haus. Das waren also alles keine Drive-In-Kunden von Theo Friedrichs Holzmarktküche. Wenn der Holzmarkt nicht mehr als Parkplatz nutzbar sein wird, werden diese Kunden, die teils von weither anreisen, ins Internet ausweichen und der Betreiber macht über kurz oder lang seinen alteingesessenen Laden dicht.

Passant kann die Notwendigkeit eines Parkplatzabbaus nicht erkennen

Ein Passant aus der Nachbarstadt Dillenburg will wissen, warum der ins Auge gefasste Parkplatzabbau in Herborn denn notwendig sei. Er könne es nicht verstehen, da für ihn das Miteinander von Fußgängern, Fahrradfahrern und PKW in der Bärenstadt sehr ausgewogen sei. Autofreiheit um jeden Preis, trage das hohe Risiko der nachfolgenden Einzelhandelsgeschäftsfreiheit. Den Verkehr in Herborns Innenstadt als „Drive-In zur Holzmarktküche“ zu bezeichnen (Artikel vom 12. Mai Herborner Tageblatt) zeugt von einer unbotmäßigen Negierung der Bemühungen aller Herborner Gewerbetreibenden und zeugt von völliger Unkenntnis der tatsächlichen Situation.

Dass die Fußgängerzone so erfolgreich ist, muss wohl der Tatsache geschuldet sein, dass sie von Parkmöglichkeiten umgeben ist. Dennoch nimmt dort gerade der Zulieferverkehr der unterschiedlichsten Paketdiensten ständig zu. Wenn dann noch die Innenstadt ihre Geschäfte mangels nachfragender Kunden irgendwann schließen, wird Amazon und Co noch mehr Transporter in die Altstadt schicken müssen.

Wer Spaß am Experimentieren hat, kann doch einmal eine laue Frühlingsnacht am Herborner Bahnhof oder an einer der zahlreichen Poser-Strecken in und um Herborn verbringen. Dort bietet sich ein weites Feld für ideenreiche Weltverbesserer an.

Steigende Lebenshaltungskosten werden auch Verkehrsaufkommen regeln

Wer jedoch nur noch ein paar Monate oder wenige Jahre warten kann, wird den Niedergang des derzeitigen Autoverkehrs mangels pekuniärer Möglichkeiten schon bald erkennen. Die zunehmende Inflation einhergehend mit überbordenden Lebensmittel-, Treibstoff-, Energie und Mietpreisen, regelt dann auch das Verkehrsaufkommen in der Herborner Innenstadt herunter.

Wer jetzt, in einer Zeit nach Corona und den damit verbundenen Einschränkungen, die Bevölkerung erneut in unnötiger Weise belasten will, ist entweder völlig weltfremd oder treibt mit den Menschen ideologische Spielchen. Es reicht doch, dass derzeit ein Diktator ganz in unserer Nähe ein Land mit einem verbrecherischen Krieg überzieht. Das geht auch an unserem Volk sicher nicht spurlos vorbei.

Jetzt zusätzlich ein innerstädtisches Fass, mit einem solch überflüssigem Thema aufzumachen, ist gelinde gesagt eine Dummheit. Auf solche Ideen können nur Menschen kommen, die finanziell nicht auf Kante genäht sind und mit einem Monatsbudget gesegnet sind, dass überreichlich vorhanden ist.  

Mein Vorschlag: Lassen wie es ist und abwarten, bis die Welt wieder in ruhigerem Fahrwasser segelt. Warum jetzt Kompromisse diskutieren, die allesamt keinerlei Notwendigkeiten erkennen lassen.

5 Gedanken zu „Herborner Parkplatzabbau-sinnvoll oder gefährlich

  • 15. Mai 2022 um 20:22 Uhr
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    Eine Innenstadt mit weniger Autoverkehr ist ein „ideologisches Stadtentwicklungsexperiment“? Heißt das im Umkehrschluss, es ist gottgegebener Naturzustand, dass große Teile des öffentlichen Raumes mit Autos zugepflastert sind, die in der Regel 23 Stunden am Tag einfach nur rumstehen?
    Ich bin froh, dass vor vielen Jahrzehnten das ideologische Stadtentwicklungsexperiment gestoppt wurde, den Marktplatz dieser wunderschönen Fachwerkstadt Herborn mit Autos vollzukleistern und er den Menschen zurückgegeben wurde.
    Am Kornmarkt muss man sicherlich Vor- und Nachteile abwägen und in eine breite Diskussion um die beste Lösung einsteigen. Aber das Zupflastern des öffentlichen Raums einer Fachwerkinnenstadt mit Autos als ideologiefrei und Naturzustand zu verkaufen, ist schon eine gewagte These.

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    • 16. Mai 2022 um 19:18 Uhr
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      Ich bin einfach wieder mal fassungslos, weil wieder nicht von A nach B gedacht wird, wie schon so oft. Wenn die ganzen Parkplätze wegfallen, werden wieder Existenzen ruiniert.
      Ältere und behinderte Menschen sind ja anscheinend nur noch Menschen 2. Klasse. Die will man wohl nicht mehr in der Stadt haben.
      Auch die direkten Anlieger werden an Lebensqualität verlieren. Das sind bestimmt auch nicht alles nur junge gesunde Menschen, die ihren Einkäufe mal eben so leicht in ihre Wohnung bringen können.

      Herborn ist so eine schöne Stadt. Warum kann man sie nicht so lassen wie sie jetzt ist?

      Anscheinend wollen die Verantwortlichen, dass es Herborn so ergeht, wie Dillenburg.
      Dann ist Herborn bald nicht mehr anders!

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  • 15. Mai 2022 um 21:26 Uhr
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    Es ist schade dass alte und gehbehinderte Menschen immer mehr vom Stadtverkehr ausgeschlossen werden! Anscheinend sollen nur noch starke, junge, sportliche Lastradfahrer die letzten schönen Innenstadtlädchen am Leben halten! Und wie soll ich als alter Mensch meine Einkäufe ohne einen günstigen nahen Parkplatz nach Hause bekommen?

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  • 16. Mai 2022 um 8:05 Uhr
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    Völlig richtig da werden Probleme geschaffen, die keiner braucht.

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  • 16. Mai 2022 um 10:00 Uhr
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    Wie es ist, wenn Holzmarkt und Kornmarkt autofrei sind, sehen wir seit vielen Jahren freitags wenn Wochenmarkt ist. Gerade dann ist viel los in Herborn und der Markt eigentlich die meiste Zeit gut besucht. Gerade auch von Menschen ü60. Parken kann man entweder am Hintersand, Eitzenhöfer, der Kallenbach-Parkplatz hat meist einen Platz frei und ist sehr nah an der Innenstadt. Selbst der Schießplatz ist nicht wirklich weit weg.
    Was man im Rathaus und bei den beteiligten Mitarbeitern vielleicht bedenken sollte, wäre eine bessere Vernetzung von Alternativen. Dann kann das ganze Rund werden. Die wenigen Parkplätze am Kornmarkt fehlen doch nicht den Besuchern der Innenstadt, sondern höchstens den Anwohnern. Hier sollte man es doch mal einige Wochen testen, ob die nahen, für Anwohner reservierten Parkplätze, nicht doch zumutbar sind. Ich sehe die Innenstadt, inkl. Holzmarkt und Kornmarkt als autofreie Fläche positiv und es erhöht die Qualität, sich dort zu bewegen.

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