Kommentar

Heute hatte ich ein Déjà-vu-Erlebnis vom Feinsten. Die oft angefeindete und nicht selten abgelehnte Gruppierung „Herborn steht auf“ hat sich einem neuen Thema zugewandt, welches derzeit die Menschen in höchstem Maße bewegt.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Eine waffenfreie Welt“ und vieles mehr, trugen sie am Samstag bei einer Schilderdemo in Herborn zur Schau.

Wie oft hatte ich diese Sprüche in den vergangenen Jahrzehnten bei Ostermärschen, Kasernenblockaden oder auf Markplätzen (auch in Herborn gehört). Die, die damals in den ersten Reihen gegen den Nachrüstungsbeschluss und andere Aufrüstungsvorhaben zu Felde zogen, rekrutierten sich überwiegend aus dem Grünen und Roten Spektrum.

 Was ist passiert, dass dieses Klientel heute auf der anderen Seite steht oder besser gesagt eine Wendung um 180 Grad hingelegt hat. „Krieg ist Frieden“ textete Orwell einst in seinem Wälzer „1984“. Ist das der Grund?

Zwei 80-Jährige, eine Frau und ein Mann, standen mit ihren Schildern inmitten ihrer Gesinnungsfreunde an der Straße. Auf meine Frage, dass sie sicher genau wüssten, warum sie hier stehen, antwortete der Mann: „Oh ja, dass weiß ich sehr genau.“

Die Demonstranten aus dem links/grünen Spektrum glaubten noch bis vor wenigen Jahren ebenfalls, dass sie zu Recht forderten „ Schwertern zu Pflugscharen“ um zu schmieden. Noch 1984 wollten sie die Bundeswehr völlig abgeschafft wissen, „weil wir ja ausschließlich von Freunden umgeben seien.“

Wer auf der richtigen Seite sein wollte, lehnte den Kriegsdienst oder zumindest den Wehrdienst ab. Wer sich ihnen nicht anschloss und seinen Wehrdienst ableistete, wurde im günstigsten Fall ignoriert oder auch schon einmal mit Häme überschüttet.

Die gleichen Leute von damals greifen heute die, die nicht mit dem Kriegskurs der Regierung einverstanden sind, als Putin-Versteher an. Das muss man verstehen, aber es fällt schwer.

Gegen Krieg zu sein, heißt doch nicht den Angriffskrieg von Putin zu billigen. Wenn heute ein Minister sagt, dass er keine Angst vor Krieg habe, weil ihn das ja nicht tangiere, zeugt das von großer Dummheit oder davon, dass er schon sein Schlupfloch vorbereitet hat.

„Wer will denn schon Krieg“, fragte mich heute ein Theologe. Er fügte hinzu ob ich eine Lösung wüsste wie alles weitergeht. Die habe ich natürlich auch nicht, sonst wäre ich mindestens der amerikanische Präsident. Was ich aber sicher weiß, dass die armen Menschen in der Ukraine die Hauptlast dieses Krieges zu tragen haben und viele davon noch ihr Leben verlieren werden.

Da darf man schon einmal fragen, ob Verhandlungen nicht ein gangbarer Weg seien. Wenn dieses Elend so weitergeht, Russland seine erst im vergangenen Jahr erneuerte Militärdoktrin umsetzt, ist der Einsatz von Atomwaffen, in welcher Form auch immer, eine Option. Die wenigsten Menschen unseres Landes machen sich darüber Gedanken. Ein paar jedoch und da sind auch viele ehemalige Soldaten dabei.

Die wissen zumindest theoretisch was, wie und mit welchen Folgen abläuft. Die früheren Kriegsgegner und heutige Befürworter schienen das damals auch zu wissen, sonst hätten sie sich einst nicht so gegen Waffen und Uniformen ausgesprochen und sogar mit Steinen nach der Polizei geworfen.

Die heute das Gleiche fordern, wie damals Grün und Rot, haben doch sicher auch das Recht dazu.    

2 Gedanken zu „Kommentar

  • 20. März 2023 um 12:03 Uhr
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    „Die heute das Gleiche fordern, wie damals Grün und Rot, haben doch sicher auch das Recht dazu.“
    In den Augen derer, die HSA in der Corona Zeit bekämpft und diffamiert haben, ja sogar die Vernichtung dieser Bürgerinitiative wollten, die Herborn davon befreien wollten und sich schützend um das Rathaus versammelten, besteht jetzt eine Dissonanz. Wie kann eine Gruppierung, der man Extremismus, Nähe zu Rechts und vieles mehr vorgeworfen hat, sich nun für Frieden engagieren? Deshalb wird man denen nie das Recht zusprechen, welches, wie damals, den Sonnenblumen Kindern und den roten Pazifisten zugesprochen wurde.
    HSAler sind Putinversteher. Da wird nichts hinterfragt, genauso wenig, wie in der Pandemie. Man warnte ja buchstäblich davor mit diesen Menschen zu reden. Ihre Gesprächsangebote lehnte man ab, oder ignorierte sie. Schon im kleinen war Diskurs ein Fremdwort, lieber ließ man sich von den Qualitätsmedien und der Politik einlullen, was diese Gruppe Andersdenkender betraf. Anscheinend brauchen die Menschen selbst in Anbetracht der Gefahr eines sich ausbreitenden Krieges immer noch jemanden, auf den sie mit Herablassung zeigen können, ohne zu verstehen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen.

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  • 7. Oktober 2023 um 10:02 Uhr
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    Die Wahrheit und/ oder Lösung liegt wohl irgendwo dazwischen. Zwischen Kampf/ Verteidgung und Verhandlungen und Annäherung.

    Wenn eine Waffenlobbyistin wie die FDP-Vampirin andere gerne diffamiert und (nicht wörtlich) quasi den „totalen Krieg“ in der Ukraine fordert, wirkt das schon sehr befremdlich.
    Wenn Grüne, die vor 2 Jahren auf Wahlplakaten noch vehement damit geworben haben, keine Waffen in Kriegsgebiete zu schicken, sich heute als Spezialisten für Panzer, Bomber, Raketen und Kriegstaktik erheben, dann wirkt das schon sehr befremdlich.
    Wenn auf der anderen Seite nur auf Verhandlungen gepocht wird, wirkt auch das angesichts der Realität in der Ukraine sehr befremdlich.
    Wer darauf hinweist, dass dieser Konflikt nicht 2022 seinen Anfang nahm, sondern mindestens seit den Vorkomnissen auf dem Maydan und der Unterdrückung der russischen Bevölkerung in den östlichen Gebieten der Ukraine seit 2014, wird als Putin-versteher und Unterstützer hingestellt.

    Wie mittlerweile bei fast allen Themen und Diskussionen gibt es nur noch schwarz und weiß, richtig oder falsch, statt sich wieder Grauzonen dazwischen aufzubauen, in denen man trefflich und offen diskutieren kann.

    Russland zeigen, dass es nicht akzeptiert wird , andere Staaten anzugreifen, im Gegenzug aber Verhandlungen anbieten und auch Wege raus aus der Wort- und Handlungslosigkeit neben den Kämpfen. Alternativen zu Sanktionen und wie man langsam wieder zusammenkommen kann. Den ohne Annäherung und gegenseitiges Aufeinanderzuegehen kann udn wird es keinen längerfristigen Frieden geben können. Die Hand reichen ist ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche.

    Aber irgendwie wollen das die meisten auf allen Seiten nicht begreifen oder vielleicht auch, wie die angesprochene Waffenlobbyistin, gar nicht haben wollen.

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