Von Siegfried Gerdau
Der Flughafen Siegerland bei Lippe auf der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie nahe der Bundesland-Grenze von Hessen, ist als Verkehrsflughafen klassifiziert und mit 599 m ü. NN einer der am höchsten gelegenen Deutschlands. Die 1.620 m lange Start- und Landebahn ermöglicht es auch Betreibern größerer Flugzeuge den Siegerland Flughafen zu nutzen. Der Flughafen wurde 1967 eröffnet.
Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung rund um den Hohen Westerwald kennt diesen Flughafen mit den verschiedenen dazu gehörenden luftfahrtspezifischen Unternehmen. Vielen ist mittlerweile auch das dort angesiedelte medizinische Zentrum ein Begriff. Kaum jemand (außer der flugtechnischen Fachwelt) kennt jedoch die dort seit Januar 2024 ansässige Testpilotenschule „EURO FLIGHT TEST GmbH“.
Die Besonderheit: Sie ist eine von weltweit drei kommerziellen Ausbildungseinrichtungen, in der Testpiloten in der höchsten fliegerischen Qualifikation ausgebildet werden, die es überhaupt gibt. Die anderen beiden Einrichtungen, mit vergleichbaren Ausbildungszielen, sind in den USA ansässig. Die Unternehmensgründer: Reinhard Exner, Rolf Hellbutsch und Peter Hemmert sind ehemalige Bundeswehr- oder Airbus-Piloten (Exner). Die sehr anspruchsvolle Testpilotenausbildung war und ist eine der Voraussetzung ein solches Unternehmen zu gründen und zu betreiben, sagt Peter Hemmert, der einst selber die Lizenz zum Testpiloten-Ausbilder in den USA erworben hatte. Der ehemalige Luftwaffen-Offizier, Flugingenieur und Testpilot, ist einer der drei Geschäftsführer von „Euro Flight Test“. Gemeinsam mit 8 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie rund 20 abrufbaren externen, zertifizierten Testpiloten-Ausbildern bilden sie Piloten von Bundeswehr und zivilen Fluggesellschaften aus.
Testpilotenausbilder-eine seltene Spezies
Wer Testpiloten-Ausbilder ist muss Testpilot sein und zusätzlich 200 Stunden Test-Arbeiten mit Schülern nachweisen. Dann absolviert er noch eine mehrtägige Ausbildung mit mehreren Flugstunden und bekommt dann erst seine Testpiloten-Instruktoren-Lizenz. Logischerweise muss der Ausbilder eine höhere Qualifikation haben als der, den er ausbildet. Es erstaunt nicht, dass diese „Spezies“ denn auch viel seltener auf der Welt zu finden ist.
„Wir haben hier oben auf dem Siegerlandflughafen ideale Bedingungen für die theoretische Schulung und die praktische Flugausbildung“, sagt Hemmert. Voll des Lobes ist er sowohl über die behördliche, als auch die flugtechnische Unterstützung vom Flughafen-Management und der wunderbaren Zusammenarbeit mit dem Tower oder der Flugwerft. Auf einem Großflughafen wie Frankfurt oder Köln könnten sie ihr Unternehmen kaum so effektiv wie hier betreiben, fügt er hinzu.
Testpiloten, mit einer bei Euro Flight erworbenen Lizenz Kategorie 1, können weltweit alle Flugzeuge, gleichgültig welchen Typs fliegen und testen. Das macht sie in der Flugwelt so ziemlich einzigartig. Peter Hemmert wiegelt ab und will von solchen Superlativen nichts wissen. Wir machen den Job, den wir gelernt haben, fügt er bescheiden hinzu. Dennoch muss man festhalten, dass in dem „Flight Test“ am Dreiländereck die Crem de la Crem ausgebildet wird. Mehr Ausbildung gibt es in der Fliegerei nicht. Normalerweise müssen sich Piloten, bevor sie eine Maschine fliegen dürfen ein sogenanntes Rating, also eine Musterberechtigung, nachweisen. Das entfällt für Testpiloten mit der Kat. 1, weil sie uneingeschränkt alle Flugmuster kennen und auch fliegen dürfen.
Nur erfahrene Verkehrspiloten können Testpilot werden
Die Schüler, die Testpiloten beziehungsweise Testingenieure werden wollen, sind keine Novizen, sondern erfahrene Verkehrspiloten. Sie müssen alle mindestens 1 000 Flugstunden als verantwortliche Luftfahrzeugführer „auf dem Buckel“ haben. So muss auch der zurzeit anwesende 60-jährige amerikanische Boing 747-Pilot bis zu 8 Monaten die Schulbank drücken und das ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Die Anforderungen seines südafrikanischen Instruktors sind hoch und gehen weit über das hinaus, was ein „normaler Pilot“ wissen muss. „Wir bringen unseren Schülern das Fliegen nicht bei, das können die allesamt sehr gut“, sagt Hemmert. Bei Euro Flight Test gehe es darum, den „Azubis“ das „wie funktioniert das“ mit all seinen Feinheiten zu vermitteln. Der PC-Nutzer kenne sich auch nicht mit der Detail-Funktion seines Rechenknechts aus. Genau darum geht es aber in der Ausbildung. Über elementares, wie das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten Bescheid zu wissen und zu verstehen ist für einen Testpiloten von eminenter Bedeutung, weiß der 51-Jährige.
Testpilotenschüler sind bereits erfahrene Verkehrspiloten. Der Absolvent bekommt am Ende seiner Ausbildung einen Eintrag der besagt: Der Pilot ist berechtigt als Testpilot tätig zu sein. „In Deutschland darf sich eben nicht jeder in ein Flugzeug setzen und herumtesten“, so der Testpilotenausbilder. Ohne diese Lizenz, die man auch in den USA in einer der beiden Testpilotenschule machen könne, ginge halt nichts.
Flugtests sind von größter Wichtigkeit
Ohne gewissenhafte Tests läuft oder besser fliegt in der Luftfahrt nichts und das ist im Interesse der Passagiere, aber auch der Bevölkerung, gut so. Die Anlässe für die unterschiedlichsten Testabläufe sind vielfältig. Ob Erstflug oder Bauartveränderung an einer Maschine, immer muss ein Testpilot ran und der trägt natürlich auch ein großes persönliches Risiko. Tests dürfen nur von externen Unternehmen durchgeführt werden, die dazu auch berechtigt sind. Der eigene Pilot, auch wenn er Testpilot ist, darf seine Maschine nicht testen. Peter Hemmert weist auch daraufhin, dass es zwei wesentliche Kategorien von Testpiloten gibt. So gibt es eine „kleine“ Lizenz Kat. 2 für kleine Änderung an den Maschinen, als auch eine „Große“. Hierbei liegt die Unterscheidung im Testumfang. Die Kategorie 1 für größere Änderungen ist in der Regel ein ergebnisoffener Test, der gleichzeitig für den Piloten auch ein größeres Risiko darstellt. Die Ausbildungszeiten für Kat. 2 umfasst 4 Monate, die für Kat.1 dagegen 8 Monate. In dieser relativ langen Zeit sind 350 Stunden Hörsaalunterricht und 100 Testflugstunden enthalten. Um gewisse Messwerte in einem Flugzeug zu erzielen, müsse man bestimmte Verfahren anwenden, erklärt Hemmert. Das könne man unter dem Begriff Flugversuchstechnik zusammenfassen. Verschiedenen Manöver werden dabei von Flugtechnik-Ingenieuren ausgewertet. Dazu ist eigens ein Raum in dem Testausbildungszentrum mit großen Monitoren ausgerüstet.
Die Kundenliste ist ebenso lang wie einschlägig. Neben dem „Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt“ (DLR) gehören Bundeswehr, wie auch die zivile Luftfahrt dazu. Generell lässt sich sagen, dass bei Euro Flight Test auf dem Siegerlandflughafen die Ausbildung für und an Flächenflugzeugen als auch an Helikoptern stattfindet.
Zum Ausbildungsprogramm des Unternehmens gehören 40 Flugzeuge, die je nach Bedarf angemietet werden. Selber hat Euro Flight natürlich nicht so viele Maschinen, weil die eben nicht ständig im Einsatz sind. Testpiloten müssen mindestens 10 verschiedene Flugzeuge in der Ausbildung geflogen haben. „Wir selber haben jedoch diese Anzahl auf 15 bis 16 Chartermaschinen erhöht und leihen uns die Maschinen von unterschiedlichen Einrichtungen für bis zu 2 Wochen aus, um danach den nächsten Typ in die Ausbildung zu nehmen“, betont der ehemalige Oberstleutnant. Kleine Anmerkung: Bereits ein kleiner Business-Jet kostet zwischen 3 und 5000 Euro die Stunde. Fotos: Euro Flight Test und Siegfried Gerdau