Rechts, Links, Quer und Nazi

Kommentar von Siegfried Gerdau

Die deutsche Diskussionskultur hat Niveau erreicht, welches gemäßigt denkende Menschen nicht mehr tolerieren können. Es wird mit Totschlagargumenten gefochten, die die Gegenüber in die Knie zwingen sollen und meist auch können. Die „Schimpfwörter“ Nazi, Rechts, Links oder Querdenker sind zum beherrschenden Teil fast jeder Auseinandersetzung zwischen Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen geworden. Dabei geht es nicht einmal um elementare Fragen. Schon eine andere Sicht der Dinge reicht, um den „Ausbrecher“ aus der gängigen Meinungsfront mit allgegenwärtigen Begriffen zu titulieren, die fast jeder kennt, aber niemand weiß was wirklich dahintersteht.

Nach Ansicht ihrer Gegner treffen sich bei Demos gegen Corona-Impfung und anderen Themen, alle Gruppierungen des konservativen und rechten Spektrums. Archivfoto: Gerdau

Was muss man tun, um ein Nazi zu sein

Ein Nazi ist ein Anhänger des Nationalsozialismus (NSDAP), kann man bei Wikipedia nachlesen. Die Kurzform bedeutet: Anhänger des Nationalsozialismus, im engeren Sinne und oder Anhänger Adolf Hitlers oder Mitglied der Nazipartei.

Als Schimpfwort zur Beleidigung, zum Beispiel mit Betonung auf Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus oder extrem autoritärem, undemokratischem Auftreten entwickelte sich der Begriff erst so richtig in den vergangenen Jahren.

Die Zusammensetzung Neonazi bezeichnet heute einen Anhänger nationalsozialistischen Gedankenguts, der die Zeit des Nationalsozialismus nicht selbst erlebt hat; Altnazis haben hingegen ihre Gesinnung nach 1945 nicht abgelegt.

Als Oberbegriffe gelten Rechtsextremisten und Rechtsradikale

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Begriff Nazi umgangssprachlich meist abwertend und teilweise auch zur Bezeichnung von Fanatikern anderer Art gebraucht wird. Gendergerecht wird so die weibliche Anhängerin als Nazisse bezeichnet werden müssen.

Was ist denn nun ein Rechter

Begriffsbestimmung:  Die Sitzordnungen vieler demokratischer Parlamente, etwa die des Deutschen Bundestags oder des österreichischen Nationalrats, an der traditionellen französischen Sitzordnung, so dass (aus Sicht des Präsidiums) meist die Fraktionen eher rechter Parteien weiter rechts und die eher linker Parteien weiter links sitzen.

In der französischen Nationalversammlung von 1789 saßen die Anhänger des Ancien Régime, das heißt, der Monarchie und der entsprechenden Gesellschaftsordnung, in der Regel rechts vom Präsidenten der Versammlung, während diejenigen, die die Ideen der Revolution in verschiedenen Formen unterstützten, links von ihm saßen.

Innerhalb des deutschen demokratischen Spektrums wird der Begriff „rechts“ heute meist mit „bürgerlich“ gleichgesetzt und für die entsprechenden Parteien (in Deutschland vor allem CDU/CSU und Alternative für Deutschland (AfD)) verwendet, um sie von der „Linken“ abzugrenzen. In der Erweiterung von Rechts, gibt es den Begriff Rechtsextremismus.

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg lässt sich über Rechtsextremismus folgendermaßen aus:

Rechtsextremisten gehen von einer Ungleichwertigkeit von Menschen aus.

Rechtsextremisten verharmlosen und rechtfertigen den Nationalsozialismus.

Rechtsextreme haben eine Affinität zu diktatorischen Regierungsformen.

Rechtsextreme finden, dass die Gemeinschaft vor dem und der Einzelnen steht und Bürger*innen sich der Staatsräson unterordnen sollen.

Wer ist denn nun Links

Die Bundeszentrale für politische Bildung zitiert dazu die ehemalige Meinungsforscherin Noelle-Neumann Als linke Werte gelten: Gleichheit, Gerechtigkeit, Nähe, Wärme, Formlosigkeit, das „Du“, Spontaneität, das Internationale und Kosmopolitische.

Ihnen stünden als rechte Werte mit Betonung der Unterschiede, Autorität, Distanz, geregelte Umgangsformen, das „Sie“, Disziplin sowie das Nationale, gegenüber.

In der Wirtschaft sind linke Werte: staatliche Planung, öffentliche Kontrolle, rechte Werte hingegen sind: Privatwirtschaft und Wettbewerb.

Freiheit verstehen Linke zuerst als Freiheit von Not. Der Staat soll sich um soziale Sicherheit und Geborgenheit kümmern. Rechte verstehen Freiheit umgekehrt zuerst als Freiheit von staatlicher Gängelung und staatlichem Zwang. Sie schätzen Anstrengung, Risikobereitschaft, Eigenaktivität. Das zentrale linke Anliegen ist Solidarität mit den Schwächeren.

Jürgen Falter, Professor für Politikwissenschaft von der Universität Mainz: „Während die politische Rechte glaubt, dass nicht nur Menschen, sondern auch ganze Ethnien von Natur aus ungleich sind, laufen Linke der Fiktion hinterher, dass alle Menschen gleich sind, beziehungsweise gleichgemacht werden sollen.“ Im Gegensatz zur Rechten schreckten sie auch vor staatlichen Zwangsmaßnahmen nicht zurück, um ihre Gleichheitsvorstellungen durchzusetzen.

Ein Querdenker

ist jemand, der eigenständig und originell denkt und dessen Ideen und Ansichten oft nicht verstanden oder akzeptiert werden.

Was waren früher Querdenker?

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen Früher erklärt, dass Querdenken früher eine Art Adelstitel war. Jemand der quer denken konnte galt als besonders kreativ und flexibel.

Berühmte Querdenker wie Kopernikus, Freud und Darwin werden heute als Begründer unseres modernen Weltbildes gesehen. Da sie quer zu den Dogmen ihrer jeweiligen Zeit standen, hatten sie allerdings mit Ablehnung und Anfeindungen zu kämpfen. Davon kommt aber auch die Aura und die Würde, die das Querdenken nicht selten genießt.

Und heute

Heute bezieht sich der Begriff Querdenker auf diejenigen, die gegen die Corona-Maßnahmen protestierten und die, vielleicht aus politischer Naivität oder auch politisch beabsichtigt, sich nicht nach ganz von rechts abgrenzten und auch allerlei Verschwörungstheorien in ihrer Kritik der Corona-Maßnahmen verbreiteten. Dies behauptet zumindest Bernhard Pörksen vom SWR.

Die Grünen

der Anti-Atomkraft- und Umweltbewegung, den Neuen sozialen Bewegungen, der Friedensbewegung und der Neuen Linken der 1970er-Jahre machen es einer griffigen Charakterisierung nicht leicht. Wie definiert sich Grün in der Politik?

Als grundlegende Abgrenzung zu allen etablierten Parteien betonten die Grünen 1980 ihren Charakter als ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei. Die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen trugen erkennbar die marxistische Handschrift der aus den kommunistischen Gruppen zu den Grünen übergetretenen Ökosozialisten.

Eine der wesentlichen Maxime der Grünen in ihren frühen Jahren war ihre starke Verankerung in der Friedensbewegung. In den 1980er-Jahren standen die Grünen der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands ablehnend gegenüber. Im Bundesprogramm von 1980 forderten die Grünen noch die sofortige Auflösung der Militärblöcke in Westen und Osten. Viele grüne Mitglieder nahmen an Protesten teil, die gegen die Lagerung von Atomwaffen der USA auf deutschem Boden gerichtet waren.

Dies scheint zwar lange her, ist es aber nicht. „Die Führung der Grünen hat eine verblüffende Wende vollzogen und ist mit atemberaubender Geschwindigkeit von Pazifismus auf Kriegslust und von Anti-Amerikanismus auf Anti-Putinismus umgeschwenkt. Habeck gibt den neuen Ton vor: Eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken werde nicht „ideologisch abgewehrt“. (Josef Joffe)

Das fatale an dieser „Kriegsbefürwortung“, die scheinbar weite Teile der Bevölkerung erfasst hat, ist leider kein Kinderspiel. Wenn man Moral, Rechtfertigung und Notwendigkeiten sich gegen einen Aggressor zu verteidigen völlig außer Acht lässt, bleibt letztlich:

„Es kann in Europa nur noch einen Krieg geben, den Atomkrieg. Die in Ost und West angehäuften Waffen werden uns nicht schützen, sondern vernichten. Wir werden alle längst gestorben sein, wenn die Soldaten in den Panzern und Raketenbasen und die Generäle und Politiker in den Schutzbunkern, auf deren Schutz wir vertrauten, noch leben und fortfahren zu vernichten, was noch übriggeblieben ist.“ (Berliner Appell vom den 25. Januar 1982, von Rainer Eppelmann und Robert Havemann.)

„Mit Waffen Frieden zu schaffen, ist so unmöglich, wie Feuer mit Schwefel und Öl zu löschen“, meint auch © Raymond Walden(*1945), Kosmopolit, Pazifist und Autor.

3 Gedanken zu „Rechts, Links, Quer und Nazi

  • 6. Februar 2023 um 13:52 Uhr
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    Können wir noch den gesellschaftlichen Diskurs?
    Oder sind wir dazu nicht mehr fähig?
    Schon lange frage ich mich, wie es in atemberaubender Geschwindigkeit dazu kam, dass Menschen mit anderer Meinung bzw. kritischer Betrachtung, z.B. der Corona Maßnahmen, der Corona Impfung, des Klimawandels oder aktuell des Krieges in der Ukraine, zu Menschen wurden, die man hemmungslos diskreditieren, diffamieren und beleidigen kann. Denen man eine politische Gesinnung andichten darf, ohne je nach den Beweggründen derjenigen gefragt zu haben oder sich gar dafür zu interessieren. Welchen Lustgewinn, welche Selbstbefriedigung hat man in dieser Position? Empfindet man Machtgefühle, hat man ein höheres Selbstwertgefühl, fühlt man sich selbst als der/die Gute? Umgeht man so eine Selbstreflektion?
    Wie kam es dazu, dass man den Kritikern allzu schnell den Stempel „Rechts, Nazi, Schwurbler, Querdenker“ aufdrückte? Natürlich spielen Aussagen von Politik und regierungstreue Medien dabei eine sehr wichtige Rolle. Man bedenke, dass Innenministerin Faeser ausschließlich den Rechtsextremismus in ihren persönlichen Fokus stellt und dabei alle anderen Formen des Extremismus ausblendet. Ist es so einfach eine Gesellschaft zu manipulieren? Oder spielt in jedem Einzelnen, der auf diese Manipulation hereinfällt, etwas ganz anders, etwas ganz tief sitzendes, nämlich das Verlangen sich über den Anderen erheben zu wollen, ihn am Boden sehen zu wollen, eine große Rolle?
    Ist es vielleicht in der Natur der Menschen, wie in einem Wolfsrudel, verankert, eine Rangordnung herstellen zu wollen. Und je näher man am Narrativ, an der Meinung der Mehrheit festhält, desto höher der eigene Rang?
    In der Wissenschaft ist es nicht unüblich, Thesen zu hinterfragen und diese zu diskutieren. Während der Corona Pandemie wurde dieses Vorgehen ad absurdum geführt, von der Gesellschaft so übernommen und die Kritiker somit, zumindest was verbale Angriffe betrifft, als vogelfrei erklärt.
    Wie konnten wir es als Gesellschaft zulassen, dass Menschen, die sich gegen eine Impfung entschieden haben, eine lange Zeit am gesellschaftlichen Leben nicht teilnehmen durften? Wie sind wir mit ungeimpften Pflegekräften umgegangen? Öffentlich wurden sie als Todesengel betitelt, der Gesundheitsminister behauptete gar, sie hätten mit ihrer Arbeit nichts während der Pandemie beigetragen. Viele verloren ihre Arbeitsplätze, ihre Existenzen, nirgends gab es deswegen mehrheitlich einen Protest.
    Und heute? Heute ist man doch ein ganzes Stück schlauer. Heute versuchen sich die Politiker und andere Verantwortliche aus der Verantwortung zu ziehen oder ihr Verhalten, respektive ihre Maßnahmen und diffamierenden Aussagen zu relativieren, auf keinen Fall werden sie sich dafür entschuldigen. Das Kredo lautet, was geschehen ist, ist vorbei. Reden wir nicht mehr darüber, schauen wir nach vorne. Die Nächten Krisen sind ja zum Glück schon da, wieso sollten wir uns also mit dem Vergangen beschäftigen oder es sogar aufarbeiten?
    Immer mehr kommt zu Tage, dass diese Kritiker nicht ganz Unrecht hatten, mittlerweile gibt auch die Politik und die vorherrschenden Wissenschaftler zu sich doch in dem einen oder anderen Punkt geirrt zu haben. Die Impfungen haben versagt, eine Herdenimmunität, ein Schutz vor Ansteckung und (schwerer) Krankheit und Weitergabe des Virus an Mitmenschen existiert schlicht nicht. Das mussten alle erkennen, die doch daran geglaubt haben. Wenige können es sich eingestehen, dass weder der erste, noch der fünfte kleine Piks sie oder Andere schützt. Deshalb muss man wohl an der Rechtsextemismus Keule festhalten, um morgens überhaupt noch in den Spiegel sehen zu können.
    Wäre es nicht viel besser, die gemachten Fehler einzugestehen? Jetzt damit anzufangen die Schäden zu benennen und zu beheben. Ist nicht jetzt genau der Zeitpunkt gekommen die viel beschworene Solidarität zu zeigen, nur anders herum?

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    • 7. Februar 2023 um 8:06 Uhr
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      NEIN.
      Wäre die Antwort auf die letzte Frage, aber ich grüße gerne von hier herüber ins Paralleluniversum und schlage vor, dass ihr das dort untereinander klärt.

      Antwort
      • 7. Februar 2023 um 14:12 Uhr
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        Ein sehr nützlicher Kommentar!
        Wie ich schon geschrieben habe, befinden Sie sich damit in guter Gesellschaft. Relativieren, nicht wahrhaben wollen, negieren, klein reden, abstreiten, unter den Teppich kehren alles Attribute unserer ach so guten Gesellschaft.
        Hingegen ist nicht gesichert, ob es ein Paralleluniversum überhaupt gibt.

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