Kommentar

Heute hatte ich ein Déjà-vu-Erlebnis vom Feinsten. Die oft angefeindete und nicht selten abgelehnte Gruppierung „Herborn steht auf“ hat sich einem neuen Thema zugewandt, welches derzeit die Menschen in höchstem Maße bewegt.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Eine waffenfreie Welt“ und vieles mehr, trugen sie am Samstag bei einer Schilderdemo in Herborn zur Schau.

Wie oft hatte ich diese Sprüche in den vergangenen Jahrzehnten bei Ostermärschen, Kasernenblockaden oder auf Markplätzen (auch in Herborn gehört). Die, die damals in den ersten Reihen gegen den Nachrüstungsbeschluss und andere Aufrüstungsvorhaben zu Felde zogen, rekrutierten sich überwiegend aus dem Grünen und Roten Spektrum.

 Was ist passiert, dass dieses Klientel heute auf der anderen Seite steht oder besser gesagt eine Wendung um 180 Grad hingelegt hat. „Krieg ist Frieden“ textete Orwell einst in seinem Wälzer „1984“. Ist das der Grund?

Zwei 80-Jährige, eine Frau und ein Mann, standen mit ihren Schildern inmitten ihrer Gesinnungsfreunde an der Straße. Auf meine Frage, dass sie sicher genau wüssten, warum sie hier stehen, antwortete der Mann: „Oh ja, dass weiß ich sehr genau.“

Die Demonstranten aus dem links/grünen Spektrum glaubten noch bis vor wenigen Jahren ebenfalls, dass sie zu Recht forderten „ Schwertern zu Pflugscharen“ um zu schmieden. Noch 1984 wollten sie die Bundeswehr völlig abgeschafft wissen, „weil wir ja ausschließlich von Freunden umgeben seien.“

Wer auf der richtigen Seite sein wollte, lehnte den Kriegsdienst oder zumindest den Wehrdienst ab. Wer sich ihnen nicht anschloss und seinen Wehrdienst ableistete, wurde im günstigsten Fall ignoriert oder auch schon einmal mit Häme überschüttet.

Die gleichen Leute von damals greifen heute die, die nicht mit dem Kriegskurs der Regierung einverstanden sind, als Putin-Versteher an. Das muss man verstehen, aber es fällt schwer.

Gegen Krieg zu sein, heißt doch nicht den Angriffskrieg von Putin zu billigen. Wenn heute ein Minister sagt, dass er keine Angst vor Krieg habe, weil ihn das ja nicht tangiere, zeugt das von großer Dummheit oder davon, dass er schon sein Schlupfloch vorbereitet hat.

„Wer will denn schon Krieg“, fragte mich heute ein Theologe. Er fügte hinzu ob ich eine Lösung wüsste wie alles weitergeht. Die habe ich natürlich auch nicht, sonst wäre ich mindestens der amerikanische Präsident. Was ich aber sicher weiß, dass die armen Menschen in der Ukraine die Hauptlast dieses Krieges zu tragen haben und viele davon noch ihr Leben verlieren werden.

Da darf man schon einmal fragen, ob Verhandlungen nicht ein gangbarer Weg seien. Wenn dieses Elend so weitergeht, Russland seine erst im vergangenen Jahr erneuerte Militärdoktrin umsetzt, ist der Einsatz von Atomwaffen, in welcher Form auch immer, eine Option. Die wenigsten Menschen unseres Landes machen sich darüber Gedanken. Ein paar jedoch und da sind auch viele ehemalige Soldaten dabei.

Die wissen zumindest theoretisch was, wie und mit welchen Folgen abläuft. Die früheren Kriegsgegner und heutige Befürworter schienen das damals auch zu wissen, sonst hätten sie sich einst nicht so gegen Waffen und Uniformen ausgesprochen und sogar mit Steinen nach der Polizei geworfen.

Die heute das Gleiche fordern, wie damals Grün und Rot, haben doch sicher auch das Recht dazu.    

„Frieden schaffen ohne Waffen“

Mit einer Schilderdemo am Herborner REWE-Kreisel machte am Samstagmittag die Gruppe „Herborn steht auf“ die Bürger auf die Ausweitung der Kriegsgefahr aufmerksam. Auf den mitgebrachten Schildern bekundeten die angemeldeten Demonstrantinnen und Demonstranten ihre Meinung zu dem derzeitigen Krieg in der Ukraine. Die Gefahr, dass sich die brutalen Kampfhandlungen zwischen der russischen und der ukrainischen Armee verselbständigen könnten, um schließlich zu einem Weltbrand auszuarten, sei nicht zu unterschätzen, sagte einer der Teilnehmer.

Ein Slogan, der seit Jahrzehnten von der Friedensbewegung propagiert wurde.

Die vorbeifahrenden Menschen reagierten ganz unterschiedlich auf die Demo. Da diese völlig friedlich und ohne Behinderung für den Straßenverkehr von statten ging, gab es auch keinerlei Probleme. Manche Autofahrer machten eindeutige Zeichen und brachten damit ihr Unverständnis gegenüber der Aktion zum Ausdruck. Zustimmung gab es hingegen sehr oft, besonders von ausländischen Mitbürgern, die mit Daumen hoch ihr Einverständnis signalisierten.

Die Demonstranten zwischen 30 und 80 Jahren, rekrutierten sich aus der Mitte der Gesellschaft und von Extremen war keine Spur zu sehen. Bei den meisten herrschte die Angst um ihre Kindes und Kindeskindern vor, die an den Folgen dieses zweifellos von Russland angezettelten Krieges noch lange zu tragen haben würden.

Sollte es zu einem Worst Case, also einem schlimmsten anzunehmenden Fall, nämlich dem Einsatz von Atomwaffen kommen, seien die Folgen so grauenhaft, dass sie sich dem menschlichen Vorstellungsvermögen entzögen, meinte ein anderer.

Nur wenige Polizeibeamte schauten sich den Verlauf der zweistündigen Aktion an und waren schnell wieder weg. Lediglich die Herborner Stadtpolizei zeigte länger Präsenz. sig/Fotos: Gerdau         

Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit

Mit einer Aktion „Nein zu häuslicher Gewalt“ machten am Freitag Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreisausschusses Frauenbüro des Lahn-Dill-Kreises auf dem Herborner Marktplatz aufmerksam. In Zusammenarbeit mit der Wetzlarer Polizei bieten die Beratungs-und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt, das Frauenbüro des Lahn-Dill-Kreises und das Gleichstellungsbüro der Stadt Wetzlar Hilfe an.

Gemeinsam gegen Gewalt

Was für ein “normales“ Hirn kaum vorstellbar ist, findet dennoch mitten unter uns und täglich in Familien und Partnerschaftsbeziehungen statt. Häusliche Gewalt, erklärt die Kreis-Frauenbeauftragte LDK Petra Schneider so: „Es geht dabei um Schlagen, Treten, Würgen oder Gewalt in anderer Form durch den Partner.“ Auch wenn er Sie zum Sex oder anderen sexuellen Handlungen zwingt.

Wenn Partner bedrohen, einsperren, beleidigen oder Sachen des anderen zerstören. Den Leumund zerstören oder die Kinder als Druckmittel, einsetzen, kontrollieren oder drohen die Kinder wegzunehmen ist häusliche Gewalt im Spiel. Das Geld wegzunehmen, den Partner zur Arbeit zwingen oder gar die Arbeit verbiete, gehört ebenfalls dazu.

Ständige Anrufe des Ex-Partners, immer wieder Briefe schreib (dies auch in den sozialen Medien), obwohl man dies nicht möchte (Stalking) ist ebenfalls nicht hinzunehmende Gewalt.

Sie ist keine Privatangelegenheit und wer Gewalt ausgesetzt ist, kann sich Hilfe holen. Auch Kinder sind immer wieder häuslicher Gewalt ausgesetzt und gerade auch sie brauchen dann dringend Unterstützung.

Hinsehen-Helfen-Hilfe holen! Das geht allean, wegschauen ist unter Umständen tödlich.

Das Wetzlarer Frauenhaus bietet Opfern von häuslicher Gewalt und Stalking Beratung und Unterstützung an. Wenn der Ehemann, Partner, Freund der ein Bekannter, Sohn, Vater oder Mitbewohner gewalttätig wird sollte man sich nicht scheuen die Polizei über 110 anzurufen.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Frauenhauses sind darüber hinaus unter der Telefonnummer 06441 463 64 zu erreichen.

Fragen zum Thema häusliche Gewalt beantworten Petra Schneider, Frauenbeauftragte des LDK, Telefon 06441 407-1240.

Petra Hoffmann vom Gleichstellungsbüro der Stadt Wetzlar Telefon 06441 99-oder 1062 sowie Julia Steinert von der Interventionsstelle des Frauenhauses Wetzlar Telefon 06441 463 64 sind ebenfalls Ansprechpartnerinnen.

Beratungen in Sachen häuslicher Gewalt sind im Übrigen kostenlos.

Auch Männer, die Täter geworden sind, benötigen Hilfe. Sie können sich an die Beratungsstellen wenden, um Unterstützung zur Veränderung ihrer Situation zu erhalten. sig/Fotos: Gerdau  

Individuelle Geschenke in Handarbeit

Aus ihrem Hobby wurde eine Geschäftsidee. Die Wahl-Herbornerin aus der Alsbach, Stephanie Kutzer, stellt seit geraumer Zeit schöne, der Jahreszeit angepasste, Dekorationsfiguren und Geschenke her.

Stephanie Kutzer

Mit ihren kleinen, personalisierten Figuren aus Ragsin/Keraflott, war sie im vergangenen Jahr auf dem Weihnachtsmarkt in ihrem Geburtsort Lahnau Atzbach unterwegs. Die Ausstellung lief Super. Den Menschen gefiel Steffis Handarbeit. Das spornte sie an, es auch einmal in Herborn zu versuchen. Guido Schmidt vom La Momenta in der Herborner Bahnhofstraße gefiel ihr Engagement und er räumte Stephanie Kutzer ohne zu zögern den nötigen Platz vor seinem Café ein. Das Wetter spielte am vergangenen Freitag mit und zum baldigen Osterfest trifft sie mit ihren Hasen und Co genau den richtigen Nerv ihrer Kundschaft.

Persönliche Wünsche versucht Stephanie immer umzusetzen und Online, auf Instagram, ist sie unter „Schwutzerinchens“ ebenfalls vertreten. Schon bald will sie einen kleinen Elsy-Shop im Internet aufbauen. Die nächste Ausstellung hat die 39-Jährige für den 02. April („Brutzelsonntag“) in Herborn geplant. Mehr Infos per Handy 0491 717051213. sig/Foto: Gerdau

„Der III.Weltkrieg“

Durch einen glücklichen Umstand ist mir ein Buch wieder in die Hände gefallen, dass mir einer meiner Kommandeure vor vielen Jahren schenkte.

Der britische General Sir John Hackett schrieb 1978 den 371 Seiten umfassenden Wälzer über eine Fiktion, die bereits wenige Jahre nach dem II. Weltkrieg die Menschheit beschäftigte. „Der III. Weltkrieg-Hauptschauplatz Deutschland“, so der Titel des Werkes, welches im weitesten Sinne durchaus ein Gefahrenpotential der Gegenwart erkennen lässt.

Der am 9. September 1997 Verstorbene war britischer Offizier, Schriftsteller und Universitätsleiter. Der zielstrebige Mann qualifizierte sich auch als Dolmetscher für Französisch, Deutsch und Italienisch, studierte Arabisch und beherrschte schließlich zehn Sprachen fließend.

Hackett hatte zahlreiche Kommandos und Kriegseinsätze. Unter anderem stellte er 1944 die 4. Fallschirmbrigade für den Angriff der Alliierten auf Arnhem im Rahmen der Operation Market Garden auf und befehligte sie. In der Schlacht von Arnheim wurde Brigadier Hackett schwer im Magen verwundet. Am 14. April 1966 wurde er zum Kommandeur der British Army of the Rhine (BAOR) und zum parallelen Kommandeur der NATO – Heeresgruppe Nord ernannt.

Insgesamt kann man davon ausgehen, dass Hackett wusste wovon er schrieb. 1968, zwei Jahre nach seiner Amtsniederlegung, schrieb er einen äußerst umstrittenen Brief an The Times , in dem er die offensichtliche Unbesorgtheit der britischen Regierung über die Stärke der NATO-Streitkräfte in Europa kritisierte.

Es ist wichtig zu wissen, dass er General sich bei der Verfassung seines Werkes auf die Fachkenntnis mehrerer Offiziere in höherem Rang sowie hohen Politikern stützte.

Zum Roman: Den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums prognostizierte ein russischer Historiker für das 1985. Dazu kam es zwar in dieser Form nicht, aber durch die Friedensinitiativen des letzten sowjetischen Staatspräsidenten Michail Sergejewitsch Gorbatschow zur Auflösung des Imperiums.

Dies war für Hackett damals jedoch noch nicht erkennbar.

Für ihn begann bereits am 4. August 1985 der Angriff sowjetischer Truppen mit dem Überschreiten der Demarkationslinie, die beide Deutsche Staaten teilte. Sehr minutiös schilderte er im Folgenden den Zusammenstoß zwischen Nato und sowjetischen Truppenteilen.

Hackett befasste sich in seinem Roman sehr ausführlich mit der weltpolitischen Situation im Jahr vor der Invasion sowjetischer Truppen auf Nato-Gebiet. Die damalige sowjetische Regierung zeige sich besorgt über die Unzufriedenheit in der Roten Armee und dass die jüngere Generation von der damals dreijährigen Wehrpflicht nicht gerade begeistert sei.

Die gegenseitige Abschreckung durch die Verbreitung nuklearer Kapazität und die Dauerrivalität zwischen den USA und der Sowjetunion war damals nicht anders als heute. Es gab zahlreiche Warnungen einflussreicher Amerikaner, die davor warnten den russischen Bären zu diesem Zeitpunkt bewusst zu reizen. Es sei möglich, dass ein dritter Weltkrieg durch eine falsche Lagebeurteilung ausgelöst werden könnte. Langatmige, philosophische und politische Betrachtungen über die Konfliktherde im mittleren Osten und in Afrika folgten in dem Buch.

Wohlgemerkt, es wurde im Jahr 1078 geschrieben. Die Bedrohung durch den Ostblock war deutlich, aber nicht alle westlichen Politiker nahmen sie zur Kenntnis. Erst nach und nach rangen sie sich Ende der 1970er Jahre dazu durch, die Verteidigung der Allianz aus dem bedrohlichen Zustand der Schwäche zu befreien.

Angriffen der sowjetischen Armee damals an der innerdeutschen Grenze, frontal im Rahmen einer sogenannten „Vorneverteidigung“ zu begegnen, erwies sich als unmöglich. Man sprach daher von einer beweglichen Verteidigung in der Tiefe des Raumes mit konventionellen, aber auch als Antwort auf den Einsatz von atomaren Waffen, mit atomaren Vergeltungsschlägen. Was dies für die Bundesrepublik und deren Bevölkerung bedeutet, war klar.

Der englische General legte in seinem Buch logischerweise den Focus auf die britische Armee und auf Großbritannien.

Fakt ist, dass man sich für das Buch Zeit nehmen muss. Die zahlt sich jedoch für jeden aus, der auch die aktuellen Geschehnisse auf der Welt begreifen möchte.

In dem Wälzer spitzen sich erst zum Ende hin die kriegerischen Auseinandersetzungen derart zu, dass es schließlich zu dem lange für unmöglich gehaltenen Einsatz atomarer Kampfmittel kommt.

Vom dritten Weltkrieg würde angenommen, dass er der erste Atomkrieg sei- und vielleicht der letzte, schreibt John Hackett. Ob der nächste Satz trostspendend sein kann-„Kriege beschleunigen im allgemeinen den technischen Fortschritt“, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Fazit: Das hochinteressante Buch lese ich nun zum zweiten Mal. Nicht weil mich meine 30-jährige Militärvergangenheit dazu auffordert. Im Gegenteil. Mir blieb es zum Glück erspart, mich in solchen kriegerischen Auseinandersetzungen bewähren zu müssen. Mich erschreckt schon geraume Zeit, wie völlig „unbeleckte“ Menschen mit dem Thema Krieg umgehen. Dazu kann ich nicht begreifen, dass Zeitgenossen, darunter auch viele Frauen, plötzlich eine Wendung vom absoluten Antimilitarismus hin zu Befürworter eines totalen Krieges werden.

Noch vor wenigen Jahren wurde mir und meinen Kameraden vorgeworfen wir seien alles potentielle Mörder. Pfarrer weigerten sich Soldaten in Uniform zu trauen und schon ein Holzgewehr in Kinderhand war ein Erziehungsversagen. Alles Schnee von gestern? Nein, denn ich sage es ist kollektiver Schwachsinn. Das damalige Gebrüll: „Nie wieder Krieg“, „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Schwerter zu Flugscharen.“ War das alles skandierter Blödsinn von Idioten? Ich stand damals auf der anderen Seite und musste Buh-Rufe, Kasernenblockaden und persönliche Verachtung wegen meines Berufes, selbst von angeblichen Freunden, hinnehmen.

Wenn ich heute warne und zu bedenken gebe, dass für intelligente Menschen Krieg eben nicht die Ultima Ratio sein kann, werde ich wieder von dem gleichen Klientel niedergebrüllt und sogar als Putin-Versteher beschimpft. Wenn das nicht Schizophrenie par Exzellenz ist, dann weiß ich es nicht.

Natürlich ist auch für mich der Überfall der russischen Armee auf ein souveränes Land ungeheuerlich und dem muss begegnet werden. Bitte aber nicht nur unter Einsatz von immer mehr Waffen. Man muss auch an die Menschen denken die mitten im Kriegsgebiet leben und nicht selten durch Kriegswaffen sterben.

Sollte es zum gegenseitigen Austausch atomarer Sprengkörper, gleich welcher Art, kommen, wären wir alle schlauer, sofern wir es denn überleben. General Sir John Hackett hat diese unheilvolle Eskalation sehr gut beschrieben und schon Clausewitz stellte in seinem zwischen 1816 und 1830 geschrieben Werk „Vom Krieg“ fest: „Krieg kennt keine Sieger, jeder militärische Triumph erweist sich in Wahrheit als Niederlage aller Beteiligten.“ ISBN 3-570-01861-x

sig/Foto: Gerdau  

Abschreckung ist wichtiger denn je

Neujahrsempfang und deutliche Worte

Oberst Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV) zeigte großes Verständnis dafür, dass die Verbündeten an der Nordost-Flanke des Bündnisgebiets (Baltische Staaten d.Red) es gerne sähen, wenn nicht nur eine „normale“ Nato-Brigade, sondern eine Brigade + ihre Sicherheit unterstützen würde.

Der Heeresoffizier ist seit 2013 Vorsitzender des Deutschen Bundeswehr Verband, der eine überparteiliche und finanziell unabhängige Institution ist. Er vertritt in allen Fragen des Dienst-, Sozial- und Versorgungsrechts die Interessen seiner rund 200.000 Mitglieder – aktive Soldaten, Reservisten, Ehemalige und Hinterbliebene, zivile Angehörige der Bundeswehr sowie fördernde Mitglieder.

Anlässlich des Neujahrsempfangs des Sanitätsregiments 2 „Westerwald“ in der Renneroder Stadthalle konnte er als kompetenter Redner von Regimentskommandeur Oberstarzt Dr. Sven Funke gewonnen werden. Für den Oberst war der Besuch in Rennerod ein Heimspiel. Er wohnt mit seiner Familie in Montabauer.

Oberstarzt Dr. Sven Funke (links) und Oberst André Wüstner

Wüstner betonte, dass das Kanzlerwort von der Zeitenwende aufzeige, dass die Dinge nicht mehr so sein werden, wie sie einmal waren. Da helfe auch kein Verdrängungsmechanismus, sowohl energiepolitisch, wirtschaftlich als auch Verteidigungspolitisch. „Wir müssen wieder lernen in Sicherheit zu investieren.“

Die Geschehnisse seit einem Jahr in der Ukraine, die sich bereits seit der russischen Annexion der Krim abzeichneten, hätten damals im Deutschen Parlament nach dem Motto „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“, wenig Wirkung gezeigt, sagte Wüstner.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sähe man Bilder im Fernsehen, die älteren Kameraden zumindest noch aus deren Ausbildung bekannt seien. Handbücher über kriegsnahe Ausbildung wurden „entschärft“, da sie zu martialisch seien.

Nun sei es so, dass man wieder von Kriegstauglichkeit oder von  glaubhafter Abschreckung spricht und Sätze wie „kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ zum militärischen Alltag gehören. Es sei richtig, dass man in der Bundeswehr und der Politik wieder refokussiere: „Was wir einmal konnten ist mit Teilen verloren gegangen und das gilt es wieder aufzubauen.“ Oberst Wüstner lobte die Worte des Bundeskanzlers, als der im Februar des vergangenen Jahres über die Wehrhaftigkeit und die Fähigkeit zur Abschreckung sprach. Dabei sei es neben den militärischen Fähigkeiten auch um die zivile Verteidigung, egal für welche Szenarien, gegangen.

„Wir haben seit 2014 unsere Verbündete enttäuscht und müssen besonders in Krisenzeiten wie derzeit dringend unsere Glaubwürdigkeit wiederherstellen.“ Dazu gehört auch die zugesagte Erhöhung der Verteidigungsausgaben, betonte Oberst Wüstner. Es sei klar, dass die zugesagten 100 Milliarden für die Verteidigung nicht reichen , sondern man müsse sich darauf einstellen in den kommenden 10 Jahren fast 300 Milliarden auszugeben. Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Munition und das Kriegsgerät, das von der Bundeswehr an die ukrainische Armee abgegeben werde, ersetzt werden müsse.

Wüstner lobte den „jungen“ Vereidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der obwohl erst kurze Zeit im Amt den richtigen Ton treffe und besonders in dieser schwierigen Zeit die notwendigen Dinge abarbeite.

Er sprach davon dass die Beschaffung der Ausrüstung in der Bundeswehr nicht mehr so funktionieren könne, wie in den vergangenen 30 Jahren und machte deutlich, dass hier viel schnellere und kürzere Wege zur Rüstungsindustrie beschritten werden müssen.

Die Beschaffung hänge eben nicht nur an Koblenz (er meinte das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung) sondern auch an parlamentarisch gestrafften Abläufe. Es sei falsch, wenn es um Materialbeschaffung gehe, immer nur die Bundeswehr zu erwähnen. Es sei in erster Linie eine Sache der Regierungskoalition und der zuständigen Ministerien. „Alle müssen ihren Beitrag dazu liefern, dass es schneller geht“, sagte der Oberst und wies daraufhin, dass man eben nicht mehr zwei Jahre für solche Abläufe habe. Die Kameralistik ließe es derzeit eben nicht zu, dass man die abgegeben 18 Leoparden einfach nur zu ersetzen brauche. „Ich bin daher froh, dass der neue Verteidigungsminister Druck macht und deutlich sagt, dass man mit der Beschaffung nicht erst im zweiten Quartal beginnen könne. Er hoffe, dass es Pistorius gelinge, das Kabinett von einer erheblichen Beschleunigung zu überzeugen. Ganz offen sagte Wüstner auch, dass die Panzertruppe gerade einmal über 30 Prozent ihres ursprünglichen Bestands verfüge. Dies habe erhebliche Auswirkung auf die Soldatinnen und Soldaten, denen einfach ihre Panzer zur Ausbildung fehlten. Fatal sei darüber hinaus, dass die ukrainische Armee monatlich so viel Munition verschieße, wie die europäische Industrie gerade einmal im gesamten Jahr liefern könne. In aller Deutlichkeit machte er klar, dass man in der Bundesrepublik industrielle Kapazitäten in Form von neuen Fabriken schaffen müsse, um dem gerecht zu werden. Das alles muß verstanden werden und dass man eben nicht 11 Jahre Zeit habe, dies zu verwirklichen.

„Putin hat sein gesamtes Land auf Kriegswirtschaft eingerichtet und er kauft ein. Das kann er und Russland ist wirtschaftlich dazu in der Lage, weil die Standards in dem Land ganz anders als bei uns sind.“ Putin stelle seine Gesellschaft auf längere System-Konflikte mit dem Westen ein, meinte der bestens informierte Vorsitzende. Es genüge nicht nur die Ukraine zu unterstützen, weil man eben nicht wisse wie und wann er seine weiteren Ziele, die Destabilisierung Europas, verfolgen werde. „Dies bedeutet für uns, dass Abschreckung wichtiger denn je ist.“ Der Gegenüber müsse erkennen, dass hier ist eine Linie ist, die zu überschreiten für ihn mit großen Risiken verbunden sei.

Er hoffe dass dies alle Verantwortlichen, auch in Berlin, verstünden und nicht wie zwei Jahre nach 2014 wieder in den Modus fallen, „na ja, es wird schon irgendwie gut gehen.“

Es sei eben nicht davon auszugehen, dass Putin sich „verschießt“. Er hat eine andere Industrie als wir in Deutschland. „Kein Mensch weiß, wie das in der Ukraine ausgeht“ sagte Wüstner. Er verstehe, dass Politik sagt, „natürlich unterstützen wir die Ukraine so lange, bis Putin diesen Krieg verloren hat.“ Kein Mensch wisse jedoch wann und ob das passiert, warnte der Oberst. Auch wenn es durch Verhandlungen zum „Einfrieren“ käme, wisse man nicht was Putin daraus mache. Er wird solche Pausen nützen, um wieder aufzurüsten. Das alles bleibe für die westlichen Gesellschaften eine große Herausforderung. „Wir brauchen einen langen Atem und das kostet Deutschland auch viel Geld.“ Dennoch, „wir müssen wieder viel mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen.“

Volles Haus beim Neujahrsempfang.

Die Rede kam wohl bei den meisten der Zuhörer sehr gut an und die waren dankbar für die deutlichen Worte des Bundeswehrverbands-Vorsitzenden. Man hätte während des Vortrages eine Stecknadel hätte fallen hören können. sig/Fotos: Gerdau

Sittenverfall in der Medizin

Nicht erst durch diese Schlagseite in einer Boulevard-Zeitung sind viele Bundesbürger wach geworden. Eine schon fast unsittliche Form ärztlicher Abzocke breitet sich immer mehr in Deutschland aus.

So titelte heute eine große Boulevard-Zeitung

Wer einen Facharzt-Termin bekommen will muss oft so lange warten, dass manche Patienten daran verzweifeln. Wer allerdings mit Bargeld winkt, hat statt monatelanger Wartezeit innerhalb weniger Tage einen Termin.

Stimmt nicht? Stimmt doch. Ein Bespiel aus erster Quelle: Ein sehr guter Bekannter und Millionär ist, wie man vermuten darf, Privatpatient. Er brauchte einen MRT-Termin und rief in einer Nordrhein-Westfälischen Fachpraxis an um den zu erhalten. Völlig ohne Absicht, erwähnte er nicht, dass er privatversichert sei. „Keine Chance, höchstens in vier Monaten“, erfuhr er am Telefon, wenn er allerdings bereit sei 400 Euro zu bezahlen, könne er schon am nächsten Tag kommen.

Das ist ein Hammer und vermutlich kein Einzelfall. Einer Kassenpatientin diagnostiziert der Hausarzt den Verdacht auf das unter Umständen lebensbedrohliche Vorhofflimmern.

Mit dem Befund in der Hand suchte sie einen Kardiologen auf. Der nächste freie Termin für sie sei frühestens in drei Monaten. Auf ihren Einwand, dass es für sie doch sehr dringend sei, bekam sie zu hören, dass sie dann doch zur Notaufnahme ins nächstgelegene Krankenhaus gehen könne.

Eine andere Patientin leidet seit fast vier Monaten unter großen Schmerzen in den Extremitäten. Der Facharzt: „Ich muss erst ein MRT haben, sonst kann ich keine Diagnose erstellen.“ Sie bekam einen DIN A 4- Bogen mit möglichen Adressen, die sie abtelefonieren sollte. Alle neun angerufenen Praxen lehnten aus Mangel an Terminplätzen ab. In ihrer Not schaltete sie ihre Krankenkasse ein, die ihr in sechs Wochen einen Untersuchungstermin in Weilburg verschaffte. Alles gut. Die MRT-Untersuchung klappte zügig und routiniert, aber es war kein Arzt zur Stelle. Wieder in der Praxis ihres Facharztes beharrte der auf einem Befund und empfahl in Dillenburg, dem Co-Krankenhaus von Weilburg anzurufen. Gesagt getan. Nun bekam sie die Auskunft, dass es für beide Krankenhäuser nur einen Radiologen gäbe und daher könne es noch länger dauern, bis ein Befund erstellt werde.

Nun sind seit der ersten Kontaktaufnahme mit einem Arzt fast fünf Monate vergangen und die Schmerzen sind immer noch da. Ein Einzelfall? Mitnichten.

Wer mit offenen Ohren durchs Leben geht erfährt ständig von solchen Fällen und auch von den sogenannten IGeL, den sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen, zu denen die Patienten nicht selten förmlich genötigt werden.

Die Verbraucherzentrale NRW e.V. dazu: „Der IGeL-Markt wächst seit vielen Jahren kontinuierlich. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil angebotene und abgerechnete Selbstzahlerleistungen nicht systematisch erfasst werden. Als Gründe gibt der IGeL-Monitor beispielsweise an, dass IGeL keiner einheitlichen Definition unterliegen und dass Anbietern keine Grenzen gesetzt sind. Denn in der ärztlichen Praxis dürfen auch Verfahren praktiziert werden, bei denen eine Wirkung nicht nachgewiesen ist. Dies betrifft besonders die Alternativmedizin, da sie beliebige Behandlungen als Heilverfahren anbieten kann.

Wir haben das beste Gesundheitssystem, dass man sich nur denken kann, tönen regierungsunkritische Zeitgenossen. Das stimmt, aber nur für die Menschen, die bereit und in der Lage sind zu zahlen.

Der große Rest muss sehen wie er über die Runden kommt. Mediziner, die sich an kranken und hilflosen Menschen bereichern und sie in ihrer körperlichen- und seelischen Not hängen lassen, sollten sich schämen.

Möglicherweise gehen diese Mediziner aber auch nach dem Grundsatz vor, dass in Deutschland weder der Eid des Hippokrates noch das Genfer Gelöbnis nach der Approbation verpflichtend geleistet wird. Dieser werde lediglich in medizinethischen Diskussionen als ethische Richtlinie beziehungsweise als Ehrenkodex argumentativ angeführt.

Der Ärztliche Berufsverband Hippokratischer Eid e.V.: „Der freie Arztberuf ist in großer Gefahr, wie auch die Rechte von Patienten und Patientinnen.

Veränderungen und Verbesserungen im Gesundheitswesen sind dringend nötig, sonst nehmen die kommerziellen Interessen noch mehr überhand. Wir setzen uns ein für die ärztliche Therapiefreiheit wie auch für die Patientenrechte und eine freie Impfentscheidung.

Ein Lichtblick?: „Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz hat der Bundestag eine wichtige Verbesserung beim Abbau der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland beschlossen. Die SPD-Fraktion hat durchgesetzt, dass die Terminvergabe vereinfacht und beschleunigt wird und Ärztinnen und Ärzte ihre Sprechzeiten für gesetzliche Versicherte ausweiten müssen. Dafür werden sie besser vergütet. Auch für unterversorgte Gebiete auf dem Land wird es Verbesserungen geben. Das ist Politik für ein solidarisches Land. Das war 2019.

 Die CDU 2018: „“Um den Zugang zur medizinischen Versorgung für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern, setzen wir künftig auf drei entscheidende Faktoren: Die Mindestsprechstundenzeit wird von 20 auf 25 Stunden erhöht. Die Terminservicestellen, die bereits heute dabei helfen, Patienten einen Termin beim Arzt zu vermitteln, werden ausgebaut. Sie sind unter der einheitlichen Rufnummer 116117 künftig 24 Stunden täglich an 7 Tagen in der Woche erreichbar. Sie vermitteln künftig nicht nur Termine bei Fachärzten nach Überweisung, sondern auch Termine bei Haus- und Kinderärzten im Akutfall und unterstützen die Patienten auch bei der Suche nach einem Arzt/einer Ärztin die dauerhaft behandelt. Darüber hinaus müssen Arztgruppen, die grundversorgend tätig sind, (z.B. Hausärzte, Gynäkologen, konservativ tätige Augenärzte…) mindestens 5 Stunden in der Woche als offene Sprechstunde anbieten.“

Mittlerweile schreiben wir 2023. sig

Herborner Stadtmarkt schließt

Am vergangenen Freitag eröffneten Julian Franz aus Solms und sein Marburger Geschäftspartner Marko Svrcek auf dem Herborner Kornmarkt 12 ihr Lebensmittelgeschäft „Stadtmarkt“.

Noch ist der Herborner Stadtmarkt geöffnet, aber das Ende ist abzusehen.

Das war vor fast genau einem Jahr.

Jetzt schließt das schmucke Geschäft zum Monatsende. Mangels Nachfrage, wie Johannes Franz sagt. Er glaubt, dass die Menschen ihre Prioritäten anders setzen.

Lebensmittel müssen günstig sein, egal wo sie herkommen und was sie beinhalten. Da hat natürlich ein Premium-Geschäft mit ausgesuchten Artikel keine Chance.

„Anfangs konnten wir unseren Markt wenigstens kostendeckend betreiben. Das ging dann immer mehr rückwärts und heute ist der Stadtmarkt ein Zuschussgeschäft“, klagt Franz. Das könne man einfach nicht mehr leisten und daher müssen die jungen Unternehmer schweren Herzens das gewerbliche Kleinod in der Herborner Altstadt schließen. sig/Foto: Gerdau

Neues aus dem Herborner Hinterthal

Im Herborner Hinterthal auf dem Gelände des ehemaligen Toom-Marktes hat es eine Veränderung gegeben. Nach dem Abriss des einstigen Supermarktes sollten hier mehrere Wohnblocks mit Eigentumswohnungen entstehen.

Das war die Planung

Das war die Planung und die ist offensichtlich ins Stocken geraten. Was schon 2021 heftig diskutiert und entsprechend beworben war, wurde bis zum heutigen Tag von dem Investor, der Helm Wohnpark Herborn GmbH & Co, nicht in Angriff genommen.

So sieht es derzeit aus. Foto: Gerdau

Die Gründe sollen unter anderen in den heftig gestiegenen Materialpreise liegen.

Jetzt war aus zuverlässiger Quelle zu erfahren, dass Helm das Gelände an eine Lahnauer Baufirma komplett oder anteilig verkauft habe. Man darf gespannt sein, wie es mit dem derzeit brachliegenden Grundstück weitergeht. sig