Viele Fragen zum Herborner Hinterthal

Von Siegfried Gerdau

Völlig unstrittig war in der am vergangenen Mittwoch stattfindenden Herborner Bauausschusssitzung, am Standort der geplanten Herborner Wohnsiedlung Hinterthal, dass hier Wohnraum entstehen soll. Über die Frage wie und in welchem Umfang, gab es teils unterschiedliche Meinungen. Vertretern des Investors, der HELM Wohnpark Herborn GmbH & Co. KG, Aßlar, den Mitgliedern des Ausschusses für Bauen, Stadtentwicklung, Stadtteilfragen und Wirtschaftsförderung, sowie zahlreichen interessierte Anliegern und anderen Herborner Bürgern, machten sich vor Ort ein Bild. Mit einem Ballon wollten man den Anwesenden eine visuelle Vorstellung darüber vermitteln, wie hoch sich die geplanten 15 Wohntürme einschließlich eines geplanten Parkhauses in der Realität darstellten. Eine Drohne machte dies schließlich möglich.

Die Banner an der Baustelle drücken das Unverständnis einiger Bürger über die Ballung von Wohnungen auf relativ kleinem Raum aus.

Mittlerweile hatte der Investor zu den Fragen und Anregungen des Ausschusses Stellung genommen und schriftlich signalisiert, einer Anpassung der „Geschossigkeit“ nicht im Wege zu stehen. Das heißt nach dem derzeitigen Entwicklungsstand im Klartext: Die ehemalige Geschoßhöhe von sechs plus einer Staffelhöhe bei fünf Gebäuden auf fünf plus einer Staffelhöhe zu verringern. Die habe aber zur Folge, dass damit erheblich in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingriffen werden müsste, erklärte ein Mitarbeiter des Unternehmens. Die Folge: Der Wohnraum wird teurer.

Verblüffung bei einigen der rund 70 Anwesenden über die immer noch reale Höhe von über 18 Meter bei den fünf mittleren Häusern und den restlichen zehn Häusern von effektiven rund 15 Metern.  Die GRZ könne hingegen von 0,8 auf 0,6 verringert werden, so Helm und damit dem Ausschuss entgegenkommen. Diese Grundflächenzahl ist neben der Art der Bebauung wichtig zur Bewertung und Nutzbarkeit eines Grundstücks. Sie gibt den Anteil an der Gesamtfläche des Baugrundstücks an, der sich überbauen lässt. Die Angabe erfolgt als Dezimalzahl. Ein Wert von 0,4 sagt aus, dass sich ein Anteil von 40 Prozent am Gesamtgrundstück überbauen oder versiegeln lässt. In der Regel darf der Wert 0,8 nicht überschreiten.  

Baugesetzbuch *) (BauGB)

§ 3 Beteiligung der Öffentlichkeit

(1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1. Von der Unterrichtung und Erörterung kann abgesehen werden, wenn ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt….

Es empfiehlt sich, Bauleitplanverfahren durch einen Beschluss der Gemeinde einzuleiten. Im Beschluss ist anzugeben, ob es sich um eine Neuaufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung handelt. Der Aufstellungsbeschluss ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Im Hinblick auf Transparenz und Bürgerfreundlichkeit ist es aber zweckmäßig, einen solchen Beschluss zu fassen. (Quelle: Baugesetzbuches (BauGB).

Bebauungsplan (B-Plan)

Wurde ein bestimmtes Gebiet erschlossen und zu baureifem Land erklärt, legt die jeweilige Gemeinde mithilfe eines Bebauungsplans fest, wie die dortigen Wohngebäude aussehen sollen und dürfen (Dachform und -farbe, Farbe und Material der Außenfassade, Anordnung von Balkonen, Anzahl der Geschosse. Außerdem wird festgelegt, wie viel Fläche von einem einzelnen Grundstück bebaut werden darf. Dies soll dazu dienen, ein einheitliches Stadtbild herzustellen. Außerdem sollen auch die Interessen des Einzelnen garantiert werden. Wenn beispielsweise ein einzelnes Gebäude mit mehreren Geschossen gebaut wird, schlägt es unter Umständen Schatten auf den kompletten Garten des Nachbarn. Dies verletzt nicht nur die Nachbarschaftsinteressen, sondern mindert auch den Wert des Grundstücks. Dies wird in einem Bebauungsplan festgelegt. Hier spielen besonders die Kennzahlen der Geschossflächenzahl (GFZ), der Grundflächenzahl (GRZ) sowie die Anzahl der Vollgeschosse eine zentrale Rolle. Die GRZ legt fest, wie viel Fläche des Grundstücks bebaut werden darf. Die GFZ hingegen besagt, wie viel Quadratmeter Wohnfläche insgesamt auf dem Grundstück errichtet werden darf. Die Anzahl der Vollgeschosse definiert, wie viele Geschosse das Gebäude auf dem jeweiligen Grundstück haben darf.

Der Begriff Staffelgeschoss bezeichnet Geschosse, die gegenüber den darunterliegenden Geschossen zurückspringen und eine kleinere Grundfläche aufweisen. Es wird aus statischen Gründen verwendet oder um eine optische Aufweitung des Straßenraums nach oben zu erreichen. Staffelgeschosse können Schlupflöcher bei bestimmten Bauvorschriften sein. Vollgeschoss oder Nicht-Vollgeschoss? Das ist bei der Umsetzung der Bauordnung oft die Frage. Ein Staffelgeschoss als oberstes Geschoss ist oft die Lösung, wenn man das Haus nach oben hin erweitern will, es aber laut Bauordnung nicht darf. Wird ein zurück gestaffeltes Obergeschoss als Nicht-Vollgeschoss eingestuft, lassen sich damit Vorschriften austricksen. In dem Fall darf die nutzbare Grundfläche der obersten Etage zwei Dritteln der Haus-Grundfläche nicht überschreiten und in Folge wird sie nicht als Vollgeschoss eingestuft. Das Haus entspricht damit dennoch dem Bebauungsplan. Quelle: Thomas Hess, Redaktion Haus de.

Die Bebauung der ehemaligen REWE/TOOM- Fläche mit den 15 Wohneinheiten soll in drei bis vier Baueinheiten erfolgen. Dies sei abhängig von der Bedarfsnachfrage in Herborn und dem Verkauf der Wohnungen. Die Planung sehe vor, das Parkhaus parallel mit der Westerwaldstraße mit den ersten Wohneinheiten fertigzustellen. Die konnte man dem Frage und Antwortschreiben entnehmen. Darüber, wie viele Jahre dann tatsächlich die Baumaschinen und Bauarbeiter im Hinterthal das Sagen haben, lässt sich nur spekulieren.

Interessant in diesem Zusammenhang: Die Zufahrt zum Wohngebiet ist vom Parkhaus aus nicht möglich. Vor den geplanten Häusern sollen jedoch pro Haus wenige Kurzzeitparkplätze eingerichtet werden, um zum Beispiel Einkäufe auszuladen. Danach müssen die Fahrzeuge wieder durch die Siedlung über Austraße und Westerwaldstraße zurück ins Parkhaus gefahren werden.

Weitere Fragen nach Lademöglichkeiten im Parkhaus für die schon bald kommende Elektroauto-Generation wurden in der Sitzung, die nach der Ortsbesichtigung im Merkenbacher Bürgerhaus stattfand, nicht weiterverfolgt. Fakt ist jedoch, dass dies ohne eine entsprechende Trafostation und der (noch) nicht vorhandenen städtischen Stromkapazität kaum zu realisieren ist.

Der ebenfalls in der Sitzung anwesende Geschäftsführer der Genossenschaft für Bau & Siedlungswesen Herborn eG (GBS) Mark-Thomas Kling pochte darauf, nun doch endlich die Voraussetzungen für den Bau der geplanten drei Wohnhäuser mit insgesamt 60 Mietwohnungen am Beginn der Hinterthalfläche zu schaffen. Er reagierte auf die Anregung von Thea Garotti sich doch zwecks Kinderspielplätze mit den Bauplanern von Helm zusammen zu setzen. „In dieser Planungsphase werde ich keinesfalls irgendwelche Veränderungen oder Absprachen vornehmen“, machte er deutlich. Er habe mittlerweile nach zweijähriger Wartezeit alle, immer wieder neue, Forderungen des Gießener Regierungspräsidium bezüglich der Untersuchungen nach Altlasten auf dem ehemaligen Bedra-Gelände erfüllt.

Dieser Öltank war ebenfalls eine Altlast auf dem GBS-Gelände. Er wird in Kürze entsorgt.

Das sei ja auch im Interesse der zukünftigen Bewohner absolut geboten, sagte Garotti. Dass nur wenige Minuten vorher die Anfrage von Bauausschussmitglied Jonas Trocha (CDU) nach einer möglichen Tieferlegung der Helm-Häuser deutlich anders beantwortete wurde, war schon erstaunlich. Er bekam als Antwort: „Da wollen wir lieber mal nicht so tief hineinschauen, sonst steht uns das gleiche Problem (bezüglich Altlasten red) ins Haus wie damals auf dem Pertuis-Platz“. In einer für den 2. September geplanten Bürgerversammlung will die Stadt über das weitere Vorgehen im Hinterthal informieren. Fotos: Gerdau

Ein Gedanke zu „Viele Fragen zum Herborner Hinterthal

  • 9. Juli 2021 um 22:44 Uhr
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    Lieber Siggi,

    vielen Dank für die Berichterstattung zur geplanten Bebauung im Hinterthal.

    Die klare Haltung der Initiative „Wir für Herborn“ ist und bleibt es, eine Bebauung mit maximal vier Vollgeschossen (Festlegung im Bebauungsplan IV statt VI) zuzulassen und es bei der Bebauung von 0,6 (statt wie geplant 0,8) zu belassen. Außerdem fordern wir weiter eine Anhörung der Träger öffentlicher Belange in einem regulären Bauplanänderungsverfahren.

    Gegen die Planungen der GBS, viergeschossig mit einer Traufhöhe von 13 Metern zu bauen, erheben wir keine Bedenken.

    Auf unserer Homepage informieren wir über die aktuelle und weitere Entwicklung.
    http://www.bürger-für-herborn.de/?page_id=228

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